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ABC

Die Zigeritis
Zahlen-Wort-Kombinationen für Fortgeschrittene





Zahlen ausschreiben oder nicht ausschreiben?

Die Schrift macht es uns immer einfacher: Vermeintlich komplizierte Regeln werden durch Rechtschreibreformen entschärft, Wörter vereinfacht und eigentlich kann mittlerweile jeder (fast) schon so schreiben wie er will. Im Bereich der Zahlen wird es einem sogar besonders leicht gemacht: natürlich kann man jede Zahl auch mit Worten beschreiben, und ich muss gestehen, dass auch ich zu denjenigen gehöre, die aus ästhetischen Gründen gern ausgeschriebene Zahlen im Schriftbild eines Textes bevorzugen.

Aber es gibt Fälle, da ist das Ausschreiben von Zahlen einfach nicht mehr ergonomisch: Wenn ich im Supermarkt die Pizza für zweineunundneunzig oder die Cola für nullkommavierundachtzig statt 2,99 und 0,84 kaufen dürfte, würde ich mir wohl langfristig einen anderen Laden suchen.

Nun haben Preisschilder und Fließtexte nicht unbedingt viel gemeinsam, Effizienzerwägungen aber auch in komplexeren  Bereichen der Schrift jenseits von Preisauszeichnungen ihre Berechtigung. Deshalb hat man sich im Großen und Ganzen darauf geeinigt, dass man in Texten die Zahlen von eins bis zwölf noch ausschreibt, ab der 13 aber ruhigen Gewissens alternativ auch arabische Ziffern benutzen darf
(nicht weil's sonst Unglück bringt, sondern weil man ab dann Zahlen aus mehreren Zahlworten zusammensetzen müsste - die Hundert und die Tausend sollte man also dann auch wieder ausschreiben, für die 101 und 1001 nimmt man lieber wieder Ziffern). Ein Tribut an die Lesefreundlichkeit.



Die Mischung macht's.

Probleme gibt es hier erstmal nicht, die entstehen erst dann, wenn man in der Kurzfassung mehr ausdrücken möchte als die blanke Zahl. "Der Neunundneunziger war ein guter Jahrgang" macht - gesprochen - noch keine Probleme. Doch ergnomisch ist das bereits nicht mehr, wenn man es aufschreiben will. "Der 99 war ein guter Jahrgang" - so simpel geht es nun leider auch wieder nicht, ohne dass man sich dabei die Grammatik ruiniert. Eine einfachere und bequemere Möglichkeit, ohne die Zahl doch noch als Wort einzubringen, ist es aber, schlicht


99er

zu schreiben. Auch nach der Rechtschreibreform schreibt man das übrigens ohne Bindestrich. (Da man neuerdings aber z.B. von 99-Jährigen schreibt, meinen viele, nun auch vor Suffixe Bindestriche setzen zu müssen.)

Dabei wäre ausgerechnet hier ein Bindestrich eine so schöne Eselsbrücke - wenn man bedenkt, dass
Bindestriche oft fälschlicherweise als Gedankenstriche bezeichnet und verwendet werden (ja, ich weiß, ich mache das aus Bequemlichkeit meist auch so - auf der Schreibmaschine hatte man schließlich auch keinen extra Gedankenstrich).
 
Vielleicht täte es dem einen oder anderen nämlich mal ganz gut, wenn er eine kleine Gedankenpause einlegen würde, bevor er Ziffern und Buchstaben zu vermischen beginnt. Denn ganz so trivial, wie es sich hier darstellt, scheint die Transformation von Zahlen in Wörter doch nicht zu sein. Zumindest nicht so einfach, als dass man nicht ständig über Kreationen stolpern würde, die mit den in unserem Kulturkreis bekannten und gängigen Zahlenangaben nun so gar nichts mehr gemein haben.

Meistens geht noch alles gut:


2er, 3er, 4er, 5er, 8er, 11er, 12er

Doch sobald eine Zahl auf -s oder -n endet, bahnt sich Gefahr an:

1ser, 6ser 7ner, 9ner, 10ner

Auf den ersten Blick eigentlich noch nicht falsch, aber leider wirklich nur auf den ersten Blick. Denn wehe, man bringt die Zahlen wieder in ihre ausgeschriebene Form. Einsser, sechsser, siebenner, neunner, zehnner... da fängt es schon leicht an zu kriseln.



Bloß nicht rumziggen!

Doch diese Form der zusätzlichen Unterschiebung eines Fugenlautes lässt sich noch beliebig steigern. Zum Beispiel durch die Verdopplung von Endsilben: Wer mal schnell Pizza und Cola im Supermarkt kaufen möchte, der drückt dem Kassierer vielleicht einen 10er oder 20er - oder eben auch einen 10ner - in die Hand. In vielen Fällen bekommt der gute Mensch aber auch einen 20iger oder gar einen 50iger ins Banknotenfach. Auch das ist noch lange nicht das Ende der Fahnenstange. So hat mancher an der Kasse bestimmt schon mit einem Zwanzigziger oder einem Fünfzigziger bezahlt. Nur aufgeschrieben wahrscheinlich nicht.


Wikipedia-Ausschnitt

auch in der Wikipedia zu finden: die Zigeritis




Auf den Punkt gebracht

Eine weitere beliebte Falle im Zusammenhang von Buchstaben und Zahlen ist die Sache mit dem (fehlenden) Punkt. Es handelt sich um den kleinen Bruder der Zigeritis, das sogenannte Tee-Syndrom: Es äußert sich darin, dass kleinen Zahlen ein orthographischer Tee-Laut angehängt wird, wo es doch gar nicht nötig wäre.  Bleiben wir mal beim Jahrgangsbeispiel: neunundneunzig Jahrgänge sind 99 Jahrgänge. Und der Neunundneunziger-Jahrgang ist der 99er-Jahrgang. Aber was machen wir bloß, wenn wir in Kurzfassung sagen wollen, dass es auch der neunundneunzigste Jahrgang ist? Der 99ste Jahrgang? Nein. Zwar tauchen an vielen Orten bereits Konstrukte wie "1ste" oder "2te" auf (der 3te bzw. dreite Advent" ist mir beruhigenderweise noch nicht begegnet), und der Verdacht liegt nahe, dass hier mal wieder von den Engländern mit ihrem 1st und 2nd abgekupfert wurde - und natürlich, weil es so unheimlich cool aussieht. Orthographisch korrekt ist es hierzulande leider nicht. Wirklich Platz spart man dadurch im Gegensatz zur Sprache jenseits des Ärmelkanals auch nicht. Was aber nun tun, wenn man regelkonform schreiben möchte, aber trotzdem abkürzen will? Ganz simpel: wir nehmen einen Punkt. Aus dem neunundneunzigsten Jahrgang wird der 99. Jahrgang (und der Zweite Advent bleibt der 2. Advent). Fast schon zu einfach, um richtig zu sein, nicht wahr?




Tückische 80

Die 80 ist übrigens - das muss ich noch kurz loswerden - eine wirklich zickige Zahl. Ausgeschrieben wird sie korrekt "achtzig", aber das "t" wird schon beim Sprechen völlig vom "z" verschluckt. Die Versuchung ist daher groß, einfach "achzig" zu schreiben. Trotzdem kein Grund, um von den 80-zigern zu reden.

Und auch bei hippen Kunstwörtern fliegt man unter Umständen sehr schnell auf alle 4-e:


N8chtschicht

Kunst darf ja bekanntlich alles und überhaupt - wer würde da schon beanstanden, dass da in Wirklichkeit Nachtchtschicht steht? Doch nur kl1karierte Kritiker...


Dank an "Pluto" für die Anregung zu diesem Text
Artikel veröffentlicht am 1.7.2005,
letzte Änderung am 01.03.2013

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F r e m d k r i t i k

www.30iger.de
Keine Antwort auf die nichtgestellte Frage: Fehlt da ein T oder was sind eigentlich 30 Iger?

Typographie im Internet
Den Unterschied zwischen Gedanken- und Bindestrich verdeutlicht Matthias Kammerer









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