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Kleinkarierte Kritik
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Un-Recht auf Webseiten
Wie ahnungslose Webmaster mit Disclaimern und AGB nerven





Gemäß Urteil des Langerichts Hamburg...

Als "Disclaimer" (engl., Ablehnungshinweis) bezeichnet man auf neudeutsch einen Haftungsausschluss, z.B. auf Webseiten. Manchmal sinnvoll, meistens überflüssig wenn nicht gar lächerlich, wird mit solchen aus Unwissenheit oft viel Unfug getrieben. Der berühmteste, weil verbreitetste Unfug heißt "Linkurteil des Landgerichts Hamburg". Mit dem "Märchen vom Linkurteil" existiert bereits eine komplette Abhandlung zu diesem Thema, nur der Vollständigkeit halber sei hier noch einmal zusammengefasst:

1.)  Ja, das Landgericht Hamburg hat 1998 ein Urteil gefällt.
2.)  Ja, das hatte auch etwas mit 'Links' zu tun.
3.)  Nein, das Landgericht Hamburg hat NICHT gesagt, dass man sich von allen fremden Webseiten distanzieren muss.
4.)  Wer's trotzdem macht, hat
   a) das Urteil nicht gelesen oder
   b) das Urteil nicht verstanden oder
   c) mal wieder irgendwo fremde Texte geklaut.
5.)  Und nein, es gibt überhaupt KEINEN Grund, dieses Urteil auf der eigenen Homepage zu zitieren.

ratloser Paragraph Nun haben wir kleinkarierten Kritiker uns das Hoffen darauf längst abgewöhnt, dass man diese merkbefreite Disclaimer-Seuche irgendwann einmal wird eindämmen können. Selbst "Anwälte für Internetrecht" haben manchmal auf ihren Kanzlei-Webauftritten diese Klausel stehen. Da möchte man dann lieber kein unschuldiger kleiner Paragraph sein... ganz nach dem Motto: "Was wollen die eigentlich alle von mir!?"

Neben diesem kann man auch noch den "Clinton-Disclaimer" an manch dunklen Stellen im Netz bewundern. Die Seite "Netzwelt" und das Telepolis-Magazin haben das sehr schön zusammengefasst. Das Grundprinzip, das hinter dieser Klausel steckt, ist leicht erklärt: so soll Bill Clinton 1995 einen "Internet Privacy Act" unterzeichnet haben, der u.a. besage, dass Informationen von Personen nicht verwendet werden dürfen, wenn man diesen zuvor das 'Betreten" der Webseite untersagt habe. Ganz praktisch. Dass man da nicht schon früher drauf gekommen ist. Einfach einen Aufkleber an die eigene Haustür, dass Vollstreckungsbeamte, Gerichtsvollzieher und Gläubiger keinen Zutritt haben, und schon kann man völlig unbehelligt die Schnapsbrennerei im Keller oder die Banknotendruckerei im Gästezimmer weiter betreiben. Phantastisch. So phantastisch, dass ich, als ich das erste mal von diesem "Act" hörte, nicht glauben wollte, dass es tatsächlich Leute gibt, die versuchen, sich mit sowas vor Strafen und Schadensersatzforderungen abzusichern. Dass Herr Clinton noch nie etwas von seinem eigenen Gesetz gehört hat, muss ich wohl nicht erwähnen. Und erst recht nicht, dass US-Gesetze z.B. in Deutschland keine unmittelbare Wirkung entfalten. Vielleicht sollte ich es doch erwähnen, denn es gibt ja immerhin auch eine Menge schweizer und österreicherische Seiten, die sich auf das eindeutig hanseatische Linkurteil berufen... das ist doch mal ein heißer Tipp an die Wirtschaft: warum nicht zur Abwechslung mal "Recht" exportieren? Juristen haben wir hier im Lande doch ohnehin zur Genüge.

Eigentlich macht uns das ja alles nichts aus, denn es schadet ja in den meisten Fällen niemandem; Kritikpunkt ist hauptsächlich, dass es evtl. zur weiteren Verbreitung dieser elektronischen Witze beiträgt. Unangenehmer wird es jedoch, wenn eine unnötige Verrechtlichung die Netzkultur zu zerstören droht. Dazu gehört etwa die von einigen Netzteilnehmern praktizierte Totalverweigerung: aus Angst, irgendwann einmal vor Gericht gezerrt und zu Lebenslänglich verurteilt zu werden, wird auf das Setzen von aktiven Links auf fremde Webseiten völlig verzichtet - und dabei übersehen, dass es juristisch kaum einen Unterschied macht, ob ein Hinweis auf eine andere Seite nun anklickbar ist oder nicht (ob man jemanden anstiftet, eine bestimmte Bank zu überfallen oder ihm auch gleich noch einen Stadtplan mit Wegbeschreibung in die Hand drückt - in beiden Fällen gibt das mächtig Ärger...). Zum Beispiel hätte eine Downloadaufforderung mit Hinweis auf "gecrackte" Software wohl auf jeden Fall Konsequenzen - auch wenn der Hinweis nicht verlinkt wäre. Der prominenteste Fremdlink-Totalverweiger, der mir bisher auffiel, ist einer der ehemaligen Moderatoren des legendären WDR-Computerclubs, der sich auf seiner privaten Homepage mit Pseudo-Links behilft.

Aber selbst bei harmlosem Rechtsquatsch gilt: wenn's wirklich anfängt zu nerven, dann hört der Spaß auf. Beispiel? Gerne: Noch auszuhalten ist die 1024x768-Variante: man tippt eine Adresse in die Browserzeile - und sieht erstmal eine bildschirmfüllende Erklärung mit einem dieser besagten Disclaimer, erst etwas tiefer dann die eigentliche Webseite. Ärgerlicher ist dann schon eine Homepage, bei der die ganze Startseite aus rechtlichen Pseudobelehrungen besteht. Auch das jedoch ist noch nicht so schlimm, selbst ein Link auf Seiten wie disclaimer.de, die niemandem nützen, außer demjenigen, der damit Geld verdient (weil fremde rechtliche Erklärungen eigentlich nicht Bestandteil der eigenen Homepage werden können, wenn man keine Kontrolle/ständige Kenntnis über die dortigen Inhalte hat, selbst wenn man es selbst behauptet) kann man verschmerzen, aber mit folgendem Beispiel hat der Webmaster schon den Vogel abgeschossen:


Browser-Dialogbox



Diese Meldung ploppte mir irgendwann einmal auf den Monitor, als ich nach Informationen zum Palast der Republik suchte und zugleich Javascript im Browser aktiviert hatte. Für mich Inkompetenz in Perfektion, da helfen auch keine freundlichen Grüße mehr: Erstens einen vermeintlich wichtigen Text mit Javascript (und zwar ausschließlich mit JavaScript!) realisiert, zweitens sich von irgendwas distanziert (von was denn eigentlich - etwa vom Urteil des Hamburger Landgerichts? *grins* - außerdem ist man ja sehr wohl dafür verantwortlich, was man vernetzt und was nicht) und drittens auch noch AGB unter die Nase gerieben (welche AGB denn überhaupt - ich seh' keine!). Und damit sind wir auch schon bei der nächsten Rubrik:



A-G-Bees

Das Kürzel steht, wie wir alle wissen, für "Allgemeine Geschäftsbedingungen". Deshalb kürzen wir dieses Wortmonster auch mit "AGB" ab - NICHT mit "AGBs" und schon gar nicht mit "AGB's". "Geschäftsbedingungens" klingt ja auch etwas merkwürdig.

Bleiben wir mal bei bildlichen Vergleichen: Haben Sie sich schon einmal eine Zeitung oder Zeitschrift am Kiosk gekauft? Bestimmt. Und das gekaufte Magazin dann mit Sicherheit auch gelesen. Aber haben Sie zuvor auch die beiliegenden AGB studiert? Vielleicht sogar einen Vertrag unterschrieben, bevor sie überhaupt die erste Seite ansehen durften? Nein? Na, das hätte mich jetzt auch gewundert. Presseerzeugnisse kauft man oder bekommt sie gratis überlassen oder liest sie online - einen (Kauf-)Vertrag geht man allenfalls mit dem Kioskbesitzer ein.
Doch sobald sie im Internet publizieren, glauben manche, sie müssten nun auf einmal einen Vertrag mit ihren Lesern vereinbaren. Dass das bei öffentlich zugänglichen Seiten Nonsens ist, sollte spätestens ein Blick ins Gesetz klar machen: AGB können nur gültig werden, wenn sie bei einem Vertragsschluss wirksam mit einbezogen wurden. Dies ist normalerweise dann der Fall, wenn der "Kunde" die AGB zu lesen bekam, BEVOR er eine Leistung in Anspruch nimmt. Auch klar ist, dass zu einem Vertrag in der Regel Zwei gehören.

Wenn ich aber eine Webseite aufrufe, dann gehe ich i.d.R. keinen Vertrag ein, sondern rufe einfach nur eine Webseite auf. Einen Vertrag habe ich in diesem Moment nur mit meinem Internetprovider, der mir Zugang zu den Netzinhalten verschafft, weiter nichts. Da kann noch soviel Wunschdenken beim Webmaster vorhanden sein - wenn er eigene Seiten veröffentlicht, dann macht er das einseitig. Da hilft auch nichts, dass irgenwo ein Hinweis aufpoppt, dass die AGB gelten oder ein Hinweis auf der Startseite steht. Selbst wenn ich die mir angebotenen AGB lese, dann habe ich ja womöglich trotzdem schon Seiten zu "Konditionen" betrachtet, die ich nachträglich vielleicht gar nicht akzeptiere. Vielleicht bin ich ja aber auch über eine Suchmaschine auf eine Unterseite der Homepage gekommen, wo man gar nicht sehen konnte, dass es AGB gibt. Wer seinen Besuchern wirklich einen Vertrag zur Nutzung der Webseiten aufzwingen will, der muss technisch dafür sorgen, dass der potentielle Nutzer die Webseite nur betreten kann, wenn er vorher die AGB akzeptiert hat. Dass man sich durch AGB (=Nutzungsvertrag mit seinen Besuchern) selbst in große Abhängigkeiten begeben kann, sei noch erwähnt, denn sobald ein Vertragsverhältnis besteht, gelten z.B. u.U. schärfere Haftungsbedingungen.

Alles andere wäre ja aber auch zu schön: irgendwo auf der eigenen Homepage AGB verstecken und in irgendeiner Zeile bestimmen, dass jeder Besucher bei Betreten der Seite 100 Euro zu zahlen hat - und schon ist man reich. Klingt schwachsinnig? Sicher, aber es gibt tatsächlich Leute, die glauben, auf diese Weise schnell ans große Geld kommen zu können - indem sie nämlich einfach in ihren "AGB" schreiben, dass jede Linksetzung zu ihren Seiten kostenpflichtig ist und dann fleißig Rechnungen an ahnunglose Opfer verschicken. Aber wir sind ja alle schon mal von unserer Tageszeitung zur Kasse gebeten worden weil wir jemand anders einen guten Artikel empfohlen haben, stimmts?!

Zuletzt hat in größerem Stil etwas ähnliches das Handelsblatt versucht, indem es der Seite Paperboy den Zugriff auf ihr Angebot verbieten lassen wollte (weil Paperboy unter Umgehung der werbegespickten Hauptseite auf die Unterseiten linkte) - und eine Abfuhr vom BGH kassierte (und das sogar, obwohl Paperboy selbst durch diese Nachrichtensammlungen Geld verdiente).



Was wirklich wichtig wäre

...aber seltsamerweise oft im Gegensatz zu diesem ganzen Pseudo-Recht nicht ernst genug genommen wird, das sind die tatsächlichen rechtlichen Anforderungen an eine Homepage, hauptsächlich die Impressumspflicht nach MDStV oder TDG. Jeder braucht eine Anbieterkennzeichnung, sofern die Webseite geschäftsmäßig betrieben wird oder es sich dabei um einen Mediendienst handelt. Aber fast keine Webseite braucht wirklich AGB oder Disclaimer. Alles, was man außer den Mindestanforderungen ins Impressum schreibt, ist unnötige Mehrarbeit, die manchmal hilfreich sein kann, meist aber den Nutzer nur unnötig in die Irre führt und sogar für einen selbst gefährlich werden kann. Gesetzliche Bestimmungen gelten sowieso "automatisch", ohne dass man sie extra dazuschreiben müsste (z.B. das eigene Urheberrecht an Texten und Bildern). Selbst auf Hinweise wie das immer beliebter werdende "zum Zeitpunkt der Linksetzung waren mir keine rechtswidrigen/illegalen Inhalte bekannt" kann man eigentlich verzichten, denn erstens ist einem Laien nicht zuzumuten, dass er durch ein persönliches Gutachten fremde Webseiten auf ihre komplette Rechtskonformität überprüft, und zweitens muss der potentielle Ankläger dem Webmaster beweisen, dass er von rechtswidrigen Inhalten im schnellebigen Internet wusste und dann trotzdem z.B. einen Link nicht entfernt hat - nicht umgekehrt. Im Zweifel hilft sowieso nur ein kompetenter Rechtsanwalt - und keine Klauseln auf der Homepage. Und am allerbesten schützt man sich vor juristischen Folgen immer noch, indem man erst überhaupt nicht im Internet publiziert. Also, liebe Webmasterinnen und -master: mitdenken und dann bitte weniger Un-Recht produzieren!



Artikel vom 23.11.2003
letzte Änderung am 29.7.2005

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F r e m d k r i t i k

Netzwelt
mit weiteren Informationen zu Clintons 'Privacy Act' und Disclaimer-Problematik

Das Märchen vom Link-Urteil
das "Linkurteil" ausführlich betrachtet

Telepolis
über nur einen weiteren populären Hoax

disclaimer.de
Ein Service, dessen Sinn sich mir nicht erschließt - meine Mails mit Bitte um Aufklärung wurden nicht beantwortet

akademie.de
exzellente Beantwortung der Frage nach der Impressumspflicht

fx3.org
kommentierte Linksammlung zur Impressumspflicht








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