Der Kettenbrief im E-Mail-Zeitalter


Der elektronische Schwachsinn treibt uns in den Wahnsinn - mit Glücksmails, Gewinnversprechen und Drohungen. Und er entlarvt sich von ganz allein... zwei Beispiele aus meinem Posteingangsordner.









Das E-Mailen ist so eine Sache... ganz so seriös, wie man es sich zuweilen wünscht, bleibt der elektronische Briefverkehr meistens nicht und es dauert oft nicht lange, bis ein selbst frisches Postfach seine Unschuld verliert. Wer hatte nicht schon einmal diese dubiosen Verkaufsangebote, Virenwarnungen und Ähnliches in der Mailbox? Manchmal bekommt man gerade die obskursten Botschaften von den besten Freunden, die wieder einmal, offenbar paralysiert und in Trance, in ihrem Mailprogramm auf "Weiterleiten" statt auf "Papierkorb" geklickt haben.

Früher haben wir diese berühmten Kettenbriefe in der Schulklasse verteilt, auf dem Pausenhof weitergegeben und an Freunde verschickt. Der Inhalt war belanglos ("Dieser Brief kommt aus Afrika und wurde 1985 losgeschickt... leite ihn an 10 Leute weiter..."), der Reiz war schnell verflogen - schließlich war damit ein gewisser Aufwand verbunden und man hörte in 100% aller Fälle nie wieder etwas von "seinem" Kettenbrief.

Ganz anders heute: Ein Klick genügt, und schon ist die Kettenmail ein Stückchen weiter - im Idealfall gleich an Dutzende von Kontakten - und das alles mit nur einem Mausklick. Kein Wunder also, dass diese Form der "Freizeitbeschäftigung" eine weit höhere Verbreitung erreicht. Aber was viel mehr erstaunt: Was bringt erwachsene Menschen überhaupt dazu, sich an so etwas zu beteiligen? Welchen Anreiz kann jemand haben, eine ihm unbekannte Mail von einem ursprünglich unbekannten Absender in alle Welt weiterzuleiten?

Gut, einige Mails versprechen dem Empfänger Geld, wenn er selbige nur oft genug weiterverschickt, aber das fällt wohl schon eher in die Kategorie Pyramidenspiel (dazu auf einer anderen Seite) - andere wiederum verheißen Glück - je öfter die Mail dupliziert wird, desto mehr schüttet Fortuna dann angeblich aus - noch andere appellieren gar an die Hilfsbereitschaft der Mitmenschen oder drohen ganz unverhohlen mit Tod und Verderben, sollte man sich der Aufforderung zum Weitersenden widersetzen. Und manche Mails kombinieren diese vier Prinzipien. Und genau so eine hatte ich am 17. Juli 2002 in meinem Postfach. Dieses eine Mal habe ich mich aber nicht darauf beschränkt, mich grün zu ärgern, mich über die Leicht- bzw. Abergläubigkeit meiner Mitmenschen ("lieber auf Nummer sicher") oder ihrer offensichtlichen Bereitschaft, wildfremden (und zumal implizit unverschämt drohenden) Anweisungen zu folgen, zu wundern, sondern habe mich mit vorliegendem Mail-Text einmal "sachlich" auseinandergesetzt... das Ergebnis kann im Folgenden nachgelesen werden (die von mir hinzugefügten Kommentierungen sind grün gekennzeichnet):



From: Knuelle0827@xxxxxxxx
To: Isis54@xxxxxxxx
Cc: Haselino@xxxxxxxxxx, Kassandra.Ebers@xxxxxxxxxxxx, ajax@xxxxxxxxx, herrheumann@xxxxxxxxxxxxx, paykalk@xxxxxxxxxx, schneider2712@xxxxxxxxxxx, SAVorwerck@xxxxxxxxxxxxxx, Lerbs2003@xxxxxx, yschramme030779@xxxxx, achiwoiwoschny@xxxxxxxxxxx
Subject: Fwd: Glück
Date: 17 Jul 2002 10:38:30 -0400
(embedded image moved to file: pic01869.pcx)



Mit Liebe ist alles möglich! Diese Mail wurde an Dich geschickt, damit Du Glück hast. Das Original ist aus Neuseeland

Frage: Woher weiß der Verfasser das?

und neunmal um die Welt gereist.
Und woher weiß er nun DAS? - es wäre aber auch nicht schwer - schicke sie 9 mal über einen asiatischen Provider an Dich selbst - dann ist sie auch so oft um die Welt.

Jetzt wurde das Glück an Dich gesandt. Du wirst Glück haben, innerhalb der nächsten vier Tage, nachdem Du diese Mail erhalten hast. Um Dein Glück zu erhalten solltest Du die Mail allerdings weitersenden.

Klingt fast nach Kaffeefahrt.

Das ist kein Witz

Klar doch, sonst würde der Verfasser ja auch  nicht so ernst darauf hinweisen.

und auch keine kommerzielle Kettenmail! Du wirst Glück erhalten (per Post!?).

Woher kennt das Glück denn meine Anschrift?

Sende Kopien an Menschen, von denen Du meinst, dass sie Glück gebrauchen können.

Warum? Wenn die Menschen Glück wollen, sind Kettenmails das letzte, was sie gebrauchen können.

Sende kein Geld, denn das menschliche Los hat keinen Preis!!! Behalte diese Mail nicht in Deinem Besitz. Du solltest es innerhalb von 96 Stunden nach Erhalt weitersenden.

Weshalb 96? Ist das Glück etwa abergläubisch?

Sende 10 Kopien und siehe, was geschieht.

Warum denn nur 10? Und wenn ich denke, dass mehr Menschen Glück brauchen?

Die Kette kommt aus Venezuela

Frage 1; Venezuela? Ich dachte, aus Neuseeland (siehe oben) - oder wurde Neuseeland zwischenzeitlich umbenannt?
Frage 2: Woher weiß der Verfasser denn das nun schon wieder?


und wurde von Anthonie de Graup, einem Missionar aus diesem Land geschrieben.
Gibt es venezuelanische Missionare? Oder etwa doch neuseeländische?

Schicke bitte 10 Kopien an Freunde und Bekannte. Innerhalb weniger (4) Tage

4 Tage? Und was macht das Glück in der Zwischenzeit? Kaffeefahrt?

gibt es mit Sicherheit eine Überraschung. Sogar, wenn Du nicht abergläubisch bist. Achte bitte auf folgendes: Björn Besser lernte am 15.04.1999 seine beste Freundin auf der ganzen Welt kennen. Er ist sehr glücklich darüber.

Wär' ja auch merkwürdig, wenn er's nicht wäre...

Constantin Diex erhielt diese Mail 1993.
Zu dumm, zu dem Zeitpunkt hatten doch gerade mal 7 normale Menschen auf der Welt einen Internetanschluss, oder?

Er bat seine Sekretärin zehn Kopien zu versenden.

Hm, da haben ja drei Leute die Mail doppelt bekommen... gilt das denn dann auch?

Einige Tage später gewann er im Lotto.
Und warum nicht die Sekretärin? Ist das nicht unfair von dem Glück?

Ein anderer erhielt diese Mail und vergaß sie innerhalb von 96 Stunden zu verschicken. Er verlor seinen Job.

Tja, Glück ist nachtragend...

Nachdem er diese Mail wieder gefunden hatte, kopierte er sie zehnmal  und verschickte sie.

Mailprogramme machen das für gewöhnlich auch automatisch.

Er erhielt nach einigen Tagen eine bessere Arbeitsstelle.

Ja, und welche? War sie so gut, dass man sie nicht erwähnen muss? Alles andere beschreibt diese Mail doch auch en detail...

Ein Offizier erhielt 47 Millionen Pfund. Jou Ekat kam zu 40 Millionen Pfund, verlor dieses Geld jedoch trotzdem,
weil er diese Mail nicht weitergegeben hatte.

Ich frage mich, was schwieriger ist: Sich diese Namen auszudenken oder sie so inkonsequent zu verwenden.

Darlon Falcheid glaubte nicht an diese Mail und löschte sie. Einige Tage später verstarb er.

Und woher weiß man das nun schon wieder? Liest das Glück etwa Todesanzeigen?

1987 bekam eine junge Frau aus Kalifornien diese Mail, die mittlerweile undeutlich und fast unleserlich geworden war. Sie begann sie neu zu schreiben und weiterzusenden. Sie hat sie jedoch liegen lassen und wollte es später machen. Daraufhin wurde sie mit diversen Problemen konfrontiert. Unter anderem mit teuren Reparaturen an Ihrem Auto. Die Mail verließ ihre Hände nicht innerhalb von 96 Stunden. Letztlich schrieb sie sie neu und bekam ein neues Auto.

Das Glück scheint ja ziemlich unentschlossen zu sein. Ich würde ihm dringend einen Psychologen empfehlen. Aber davon abgesehen: Vielleicht wollte Frau X aus Kalifornien ja gar kein neues Auto: Steuern, Versicherung, Umweltbelastung... zuviel Glück kann ganz schön teuer werden!

2004 bekam ein Schüler diese Mail, und da er nicht an etwas dieser Art glaubte, löschte er die Mail. Kurze Zeit darauf ging die Beziehung mit seiner Freundin, die er über alles liebte, in die Brüche.

Soso... 2004... na, dann hat er ja noch ein wenig Zeit, die Bindung zu festigen!

Denke daran, ignoriere diese Mail nicht. Es ist ein Privileg, sie erhalten zu haben.

Vielen Dank für die Ehre, ich bin mir dessen bewusst und werde diese Mail natürlich sofort an genau 10 Leute weiterleiten. Ganz bestimmt.

Diese Mail wurde durch jemanden gesandt, der Dir Glückwünscht!!!

Falsch! Es muss richtig heißen "Glück wünscht" (nach alten UND neuen Rechtschreibregeln)!

PS: Dies ist keine Mail mit Geldumlauf.

Was ist denn bitteschön eine Mail mit "Geldumlauf"? (wer's weiß, bitte mailen!) - oder kann man nun auch schon Banknoten als Attachment versenden?

Es ist lediglich ein Angebot positiver Energie und darum diese mit der daran gebunden Glücksform zu verbinden. Auch bei dieser Verbindung durch Gedankenkraft kann ein Effekt entstehen. Also VIEL GLÜCK. Sollte Dir soviel Glück widerfahren, dass Du es alleine nicht aushältst, teile es mit einem anderen Menschen.... Viel Glück!!!
Eigentlich brauche ich keine Glückwünsche mehr, denn das Glück kommt ja automatisch, wenn ich 10 Mails weitergeleitet habe, stimmts?!

SEHR WICHTIG NOCH ETWAS AM SCHLUSS! Die Mail wurde von einem Schüler in Karlsruhe, Deutschland, am 14. April  2001, und von einer Schülerin in Braunschweig, am 15. Juni 2002 wieder leserlich gemacht, weil durch das weitersenden lauter Fehler in der Mail waren.
Ach - es gibt nur diese einzige Mail, die immer wieder weitergeleitet wurde? Oder wie sind die beiden an die vielen Kopien gekommen, die in Umlauf sind?
PS. "Weitersenden" schreibt man hier groß!


Also, wenn ihr die Mail weitersendet,

Diesmal stimmts!

drückt bitte nicht einfach auf weiterleiten, sondern kopiert sie in eine neue Mail, damit sie schön leserlich bleibt!

Zu spät - tut mir leid! Ehrlich!

Wenn ihr sie weiterschickt, entfernt bitte auch die Werbung der Freemail-Anbieter ganz unten in der Mail.

Gern. Aber davon, dass man die Mail nicht kommentieren darf, war nicht die Rede - also ist es wohl auch nicht verboten und man darf dies gefahrlos tun, ohne auf sein Glück verzichten zu müssen  ;-)  Und wenn das hier mehr als 10 Leute lesen, komm ich aus dem Glück ja gar nicht mehr raus...



Neben dem eben gezeigten Beispiel einer doch eher harmloseren Variante gibt es neben allerlei Betrugsversuchen, meist in Form des Pyramiden- oder Schneeballsystems (Schicken Sie dem ersten in der Liste 5 EUR, dann erhalten Sie...) auch noch den weit verbreiteten Typus der Petitions-Kettenmail, manchmal abgewandelt in Form eines Hilferufes o.ä. (die Mail, in der dringend seit 3 (!) Jahren ein Knochennmarkspender für eine junge Frau gesucht wird, hatte ich letztes Jahr schon zwei Mal in der Mailbox).

Es scheint ja auch zu einfach zu sein: Da wird irgendwo auf der Welt (angeblich) jemand vom Schicksal ungerecht behandelt, irgendwo findet ein Krieg statt, ein Konzern vergiftet die Umwelt und das alles kann man verhindern, indem man einfach seinen Namen ans Ende einer virtuellen Liste setzt und auf "Weiterleiten" klickt. So schön kann Internet sein. Hier das zweite Beispiel, bei dem allerdings die Grenze des guten Geschmacks nach meinem Empfinden schon erheblich überschritten ist. Denn hier werden einerseits mit einem ernsten Thema Emotionen geschürt, die hier völlig ins Leere laufen - und wenn man es später womöglich merkt, dass man einer dubiosen Kettenmail aufgesessen ist, wird man desensibilisiert, obwohl das Anliegen an sich absolut nichts Verwerfliches darstellt, andererseits werden die direkt Betroffenen nicht unerheblich geschädigt:



Thema: Anti-war petition
Datum: 06.12.02 13:04:42 (MEZ) Mitteleuropäische Zeit
Von: xxxxxxx@xxxxxxxx
An: xxxxx@xxxxxxxxx, [gekürzt]


> Subject: Anti-war petition
>
>> Mourn the Victims. Stand for Peace. Islam ist not the Enemy. War is NOT
>> the Answer. Today we are at a point of imbalance
in the world and are
>> moving toward what
>> may be the beginning of a THIRD WORLD WAR. If you
are against this
>> possibility, the UN is gathering signatures in an
effort to avoid a
>> tragic world event. Pleasy COPY (rather than
Forward)
this e-mail in a
>> new message,
>> sign at the end of the list and send it to all
the
people whorn you
>> know. If you receive this list with more than 500 names signed, please
>> send a copy of
>> the message to: unicwash(at)unicwash.org
>> <<mailto:unicwash(at)unicwash.org>> (UN
>> Information Centre in Washington)
>> even if you decide not to sign, please consider
>> forwarding the petititon on instead of eliminating
it.
>>
>> 1) Suzanne Date, Grenoble, France
>> 2) Laurence COMPARAT, Grenoble, France
>> 3) Philippe MOTTE, Grenoble, France
>> 4) Jok FERRAND, Mont St. Martin, France
>> 5) Emmanuelle PIGNOL, St Martin d'Heres, FRANCE
>> 6) Marie Gauthier, Grenoble, FRANCE
 .
 .
 .
[gekürzt]  [Namen verfremdet]
 .
 .
 .
>> 461) Sebastien Soldevilla, Paris, France
>> 462) Dany B., Berlin, Germany
>> 463) Uwe L., Berlin, Germany
>> 464) Alexander R., Berlin, Germany
>> 465) Annika S., Berlon, Germany
   466) Alexandra W., Jerxheim, Germany
   467) Anne P., Lübeck, Germany
   468) Stephan K, Düsseldorf, Germany


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Alles klar? Auf den ersten Blick schon. Ein zunehmender Konflikt der "westlichen" Welt mit den islamischen Staaten und Gläubigen, Kriegsgefahr und düstere Aussichten. Was läge da näher, als sich in pazifistisch-demokratischer Tradition an einer Petition zugunsten des Weltfriedens zu beteiligen? Sicher nichts, und so hat man schnell seinen Namen ans Ende der Liste gesetzt und das ganze per Mausklick mal eben vervielfältigt.

Dazu sei noch angemerkt: die in dieser Mail genannte Kontaktadresse existiert wirklich - und sie gehört auch tatsächlich einer Behörde der UNO. Und tatsächlich haben eine Menge Menschen diesen Brief unterzeichnet und an genau diese UNO-Adresse geschickt. Und genau diese Behörde hatte sicherlich eine Menge "Spaß" mit einem zusammengebrochenem Mailserver, denn auf der Internetseite des 'UN Information Center' (http://www.unicwash.org) konnte man folgendes lesen:

"Note:  We have learned that there is a new petition circulating that claims to have been started by our office -- we have not, nor have we ever, initiated any petition.

Das ist doch deutlich. Diese Mail ist gefälscht. Und dass dies den Tatsachen entspricht, glaubt man der UNO gerne, denn sie hat ersteinmal recht wenig mit dem "Dritten Weltkrieg" zu tun. Wer nur ein wenig nachdenkt, wird schnell bemerken, dass es nicht sehr sinnvoll ist, sich mit einem derartigen Anliegen an die Vereinten Nationen zu wenden oder auch einsehen, dass Organisationen wie in diesem Fall niemals selbst derartige Aktion lostreten würden.

Davon abgesehen hätte man aber auch anhand der Mail selber darauf kommen können, dass da etwas nicht stimmen kann. Gehen wir einfach mal kurz davon aus, die Petitionsaufforderung wäre echt und alles würde sich so verhalten wie in der Kettenmail beschrieben. Ich würde übertreiben, wenn ich behaupten würde, ich sei in Mathematik jemals gut gewesen, aber wie sollte das oben gezeigte Prinzip denn bitte funktionieren? Ich gehe mal davon aus, dass derjenige, der diese Mail bekommen hat und im guten Glauben den Anweisungen folgt, sie nicht nur an eine Person weiterverschickt, sondern gleich an mehrere (wie auch im Brief selbst darum gebeten wird). Die Person, die die Nachricht als nächste bekommt, trägt sich, wenn der Absender z.B. die Nr. 486 war, nun selbst bei der 487 ein - und alle anderen, die die gleiche Mail bekommen haben, machen das natürlich auch - und schicken die Nachricht wiederum zigmal weiter.. - das macht nach kurzer Zeit schon eine Menge Mails bei denen der Eintrag bei Nr. 486 immer identisch ist. Dieser Effekt ist natürlich auch rückwärtsgewandt; d.h. auf diese Weise werden ein und dieselben Namen immer wieder auf der Liste mitgeschleppt. Wenn dann die Nr. 500 tatsächlich erreicht ist und bei der UNO eintrudelt, erhält sie im besten Fall vielfach lauter gleiche Mails, bei denen sich nur die letzte Zeile unterscheidet. Und das gleich in einer wahren Flut von Zusendungen. Da spricht man dann wohl von "doppelt hält besser". Genauso funktionieren übrigens die sog. Pyramidensysteme, mit denen man angeblich ach so schnell reich werden kann... ergo: sie funktionieren nicht.

Noch ein Aspekt: Wenn es jemandem wirklich um die Masse an Einträgen auf einer virtuellen Liste ginge, gäbe es einfachere Wege: man könnte sich die Namen einfach ausdenken oder automatisiert zusammenstellen - das wäre nun wirklich nicht schwer und bei weitem eindrucksvoller, mal eben schnell ein paar Milliönchen Unterschriften zusammenzuklicken, als erst lange zu warten, bis so eine Kettenmail ein paarmal um den Globus gewandert ist (ich vermute sowieso, dass die ersten paar hundert Einträge in der Liste sowieso schlicht ausgedacht sind, denn die Namen klangen einfach zu künstlich und homogen). Hier liegt auch der eigentliche Haken an der ganzen Geschichte: Petitionen und Unterschriftensammlungen, die keine vollständige (postalische) Adressangabe beinhalten und nicht handschriftlich unterzeichnet sind, haben normalerweise keine Substanz (eben weil sie anders nicht verifizierbar sind) - d.h. sie werden i.d.R. nicht beachtet und sind somit so gut wie überflüssig.

Dies sollte jedoch nicht falsch verstanden werden: es gibt keinen Grund, warum man sich nicht mit einem politischen oder sonstigem Anliegen per E-Mail an seine Regierung, eine Organisation oder Firma, ja sogar Einzelperson wenden sollte, um lobbyistisch tätig zu werden oder seinem Protest Ausdruck zu verleihen. Aber wenn es auf eine so offensichtlich dubiose Weise geschieht, kann man sich die Zeit lieber gleich sparen, da soetwas dann ohnehin nicht ernst genommen wird, selbst wenn die Botschaft den "richtigen" Adressaten erreicht. Wenn jeder der Einträger aus obigem Kettenbrief eine eigene individuelle Mail geschrieben hätte, wäre das in diesem Fall natürlich genauso unüberlegt gewesen, hätte bei einer "echten" Petition jedoch sicherlich mehr Eindruck gemacht, als sich elektronischen Unfug zu Eigen zu machen. Und um es kurz zu sagen: ein einziger altmodischer, papierner Brief erreicht womöglich mehr als das zig-fache Versenden von Nullen und Einsen, die im besten Fall dann doch nur im Datennirvana landen.
Hier im gezeigten Beispiel wurde "nur" eine Unterorganisation der UNO geschädigt, jede Menge Leuten (auch mir hier mit dieser Seite) die Zeit gestohlen und die Datenautobahnen belastet. Doch es gibt auch Fälle, wobei sehr viel mehr Schaden angerichtet wurde.

Aber was hilft's? Auf "Weiterleiten" klicken ist eben viel einfacher (und wird es wohl auch bleiben) als sich etwa vorher einmal zu informieren. Es gibt übrigens ein allgemein gültiges, immer treffendes K.O.-Kriterium, was Kettenmails (und andere, besonders Virenwarnungen!) anbelangt: wenn in ihnen aufgefordert wird, sie an möglichst viele Personen weiterzuleiten, dann schnellstens weg damit in den Papierkorb oder aber aufheben, wenn man ein Faible für Kuriositäten hat. Allerhöchstens noch an mich weiterleiten, damit ich diese Seite hier komplettieren kann.

Eine Frage aber bleibt: Warum macht jemand sowas? Wieso werden fingierte Unterschriftenlisten verschickt, von denen der Absender nachweislich nichts hat? Um der Internetgemeinde einen Streich zu spielen? Eine Wette zu gewinnen? Den Adressaten schaden? Langeweile?
"Glücksmails"-Versendern könnte man noch ihre edle Gesinnung zugute halten, ihren Mitmenschen eine Freude zu machen - aber wieso wird dann offen mit Tod und Teufel gedroht? Oder steckt am Ende doch wieder nur die Spam-Mafia dahinter, die so versucht, billig an valide Mailadresse zu gelangen? Falls ein involviertes Subjekt mitliest: Ich bitte um Aufklärung...! Oder aber ich verschicke mal meinen eigenen Kettenbrief mit dieser Fragestellung...   ;-)

Eines scheint aber festzustehen: zumindest "das Glück" hat (neben den Todesanzeigen) auch diese Seite hier gelesen. Denn andere Glücksmail-Empfänger haben mir inzwischen berichtet, dass der oben zitierte Kettenbrief mittlerweile orthographisch "überarbeitet" wurde. Schön, dass ich helfen konnte...!


















Daniel W. Schneider - Berlin, den 25. März 2003; letzte Änderung am 24.8.2003
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