Etwas untergegangen ist über die Feiertage, dass es ein kleines großes Weihnachtsgeschenk für die Freunde alternativer Desktopumgebungen gab – wer über Weihnachten den PC ausgelassen hat, hat’s verpasst: E 17 ist pünktlich zum Heiligabend 2012 fertig geworden, nachdem es über Jahre hinweg stets bei Version 0.16.99x verharrte.
Viel verändert hat sich jedoch nicht, auch die bisherigen Entwicklungsversionen entsprachen im Wesentlichen der nun neuen Nullnummer. Oder anders gesagt: Das jetzt fertiggestellte Enlightenment 17 sieht immer noch fast genauso aus wie in den letzten Jahren.
Eine Einordnung von Enlightenment fällt nicht ganz leicht, denn es ist etwas sehr Eigenes. Es ist irgendwie eine Mischung aus Fenstermanager und Desktopumgebung. Auch rein optisch ist es schwer zu fassen, das Panel erinnert etwas an das Dock von Mac OS X, hat dann aber wiederum mehr Ähnlichkeit mit einem CDE- oder XFCE-Panel. Auch das Standardtheme macht ein paar Anleihen an ältere Mac-Oberflächen, ist dann aber doch etwas sehr Individuelles, etwa durch den auffälligen Schwarz-Weiß-Kontrast. Insgesamt macht E 17 einen recht verspielten Eindruck, vergleicht man es etwa mit XFCE oder LXDE. Deren funktionelle Nüchternheit sucht man vergeblich.
Das Panel von Enlightenment
Enlightenment legt ausgesprochen viel Wert auf Aussehen und visuelle Effekte, vernachlässigt dabei aber die Geschwindigkeit keinesfalls. Enlightenment rennt wie LXDE oder ein reiner Fenstermanager, trotz aufwändigerem Erscheinungsbild. Das macht die Oberfläche relativ einzigartig. Effizienz und etwas fürs Auge bekommt man hier gemeinsam geboten, Minimalismus trifft auf ansprechendes Design.
Das E17-Menü
Entwicklungstechnisch gibt es eine Art Parallele zu XFCE, welches ursprünglich noch nicht einmal ein Fenstermanager war, sondern als Panel startete, um heute ein vollwertiger Desktop zu sein. Enlightenment startete als Fenstermanager und bildet heute u.a. mit Panel, Dateimanager und Desktop ebenfalls einen kompletten Desktop. Anders als XFCE, das auf GTK aufbaut, oder etwa LXDE, das außer dem Dateimanager fast nichts selbst entwickelt, sondern bereits Bestehendes zu einem überzeugenden Ganzen zusammenfügt, kommt bei Enlightenment alles aus einer Hand: Sowohl die Programme als auch die dahinterliegenden Bibliotheken sind Eigenentwicklungen.
Dateimanager
Dadurch wirkt Enlightenment nicht nur sehr homogen, sondern ist es auch. Ein Alles-aus-einem-Guss-Gefühl stellt sich definitiv ein bei der Benutzung. Allerdings ist damit wiederum schnell Schluss, wenn man desktopfremde Anwendungen nutzt. Gnome- und KDE-Anwendungen passen sich dem Design nicht an.
E 17 kopiert weder Gnome noch KDE noch XFCE/LXDE oder einen anderen Fenstermanager und hat nicht nur deshalb seine Existenzberechtigung zwischen den anderen verbreiteten Oberflächen. Enlightenment könnte für alle diejenigen etwas sein, die einen schnellen, aber graphisch anspruchsvollen, schicken Desktop mögen, das mitunter schnelle Entwicklungstempo bei der Konkurrenz aber scheuen und Stabilität den Vorzug geben. E 17 verspricht auf lange Sicht Kontinuität. Auch für ältere Rechner eignet es sich als Alternative zu den Desktop-Schwergewichten.
Die Installation von Enlightenment ist nicht ganz trivial, daher sollte man auf eine Distribution zurückgreifen, die es standardmäßig mitliefert oder es sogar als primären Desktop verwendet, wie z.B. Bodhi Linux, basierend auf Ubuntu. Wer E 17 ausprobieren möchte, ist aber auch bei Ubuntu selbst gut aufgehoben, hier befindet es sich in den Standard-Paketquellen (jedoch noch nicht die Finalversion). Auch bei Opensuse ist es dabei. Fedora hingegen liefert Enlightenment nicht aus, und auch Debian Stable hat nur das uralte E 16 mit an Bord, das mit dem heutigen E 17 aber nicht mehr viel gemein hat.