Opera ist tot – es lebe Opera!

17. Februar 2013

Da waren’s nur noch 3. Nachdem bislang der Internet Explorer, Mozilla, Opera und Safari/Chrome jeweils mit eigenen Rendering-Engines für die Diversität im Internet sorgten, wird es künftig nur noch drei nennenswerte Techniken zur Anzeige von Webseiten geben.

Natürlich ist die Überschrift falsch – nicht Opera stirbt, sondern seine Rendering-Engine Presto. Opera wird in Zukunft die von Apples Safari und Googles Chrome (oder auch KDEs Konqueror) bekannte Webkit-Engine nutzen. „Och nö“, das wird die erste Reaktion von Opera-Fans sein, die den flinken und innovativen Browser schätzen und nun schon sein tatsächliches Ende kommen sehen. Doch der Verzicht auf eine eigene Hintergrundtechnik könnte auch eine echte Chance für den Opera-Browser darstellen.

Och nö ...

Flurbereinigung könnte man das auch nennen. Einstmals gab es nur zwei große Webtechniken, die miteinander konkurrierten: Trident im Internet Explorer und Gecko in Netscape, später Mozilla und noch später Firefox. Operas Presto gab es seit 2003, davor war Opera jedoch auch schon mit einer eigenen Engine vertreten. Nennenswerten Einfluss hatte Presto jedoch nie erzielt in seiner 10-jährigen Existenz, erst mit Apples Umschwenken vom Internet Explorer auf den eigenen Browser Safari, und damit der starken Verbreitung der ursprünglich von KDE entwickelten KHTML-Technik, wurde eine starke dritte Plattform im Netz etabliert. Die Opera-Engine war das fünfte Rad am Wagen in der Webentwicklungswelt. Wenn Seitenanbieter ihre Webseiten in Browsern prüften, dann gehörte Opera meist nicht dazu. Damit auch Opera-Nutzer wenigstens auf die großen, populären Seiten ohne Darstellungsfehler zugreifen konnten, musste Opera tricksen und die Seiten beim Laden teils mit eigenen Korrekturen manipulieren.

Drei statt vier

Nun aber wird Webkit also endgültig den dritten Platz von Presto übernehmen, dieser inzwischen Vierte im Bunde wird eingestellt. Opera gibt damit ein Stück Identität auf, ein Stück Originalität und Unverwechselbarkeit. Opera verabschiedet sich damit als originärer Hersteller von Anzeige-Technik für Webinhalte. Opera wird künftig nur noch den Stellenwert einer Browservariante haben, also etwa wie sich Seamonkey zu Firefox verhält. Statt Opera wird man bald auch Chrome einsetzen können, ohne Unterschiede in der Darstellung zu bemerken.

Doch das ist keine Katastrophe, im Gegenteil. Denn der Opera-Marktanteil war seit jeher in der Regel maximal im niedrigen einstelligen Prozentbereich. Opera war und ist ein Browser für Liebhaber, für ambitionierte Power-User – und selbst die waren mit der Darstellungsleistung des Browsers oft alles andere als zufrieden. Was nun zunächst wie ein Ausverkauf des eigenen Tafelsilbers wirkt, das Verzichten auf den Kern seiner Existenz, kann auch eine Chance für Opera sein. Denn die Darstellungsfehler in Opera auf Feld-Wald-und-Wiesen-Webseiten kamen dadurch zustande, dass der Browser nicht weit genug verbreitet war.

Pragmatismus und Stärken

Opera krankte in der Vergangenheit immer daran, dass es Darstellungsfehler gab, weil Opera die Webseiten zwar vorbildlich äußerst standardkonform interpretierte, aber kaum ein Webentwickler seine Seiten auf Opera hin testete. Vor allem auch Operas Javascript-Interpreter sorgte für Abweichungen. Ein Verzicht auf die eigene Darstellungstechnik, die sich in knapp 20 Jahren nie wirklich hat durchsetzen können, erscheint daher als die pragmatischste Lösung. Wie sich das in Zukunft auch auf die Oberfläche und die Funktionen von Opera auswirken wird, wird sich noch zeigen müssen. Im Idealfall werden Opera-Nutzer von der Umstellung gar nichts bemerken – außer, dass die Schwierigkeiten mit der Anzeige von Webseiten schlagartig abnehmen.

Opera wird sich auf das konzentrieren, womit sie wirklich punkten können: das Programm an sich, mit einem hochflexiblen User-Interface und allen Modulen, die es für eine Desktop-Internet-Suite braucht, inklusive E-Mailprogramm und RSS-Reader. Wenn Opera künftig neben Apple und Google auch in der Weiterentwicklung von Webkit mitmischt, dann stärkt das die Webkit-Sparte. Andererseits bleibt es eine Bankrotterklärung, es ist ein Bruch mit dem, was den Browser bislang ausmachte: Innovation und Eigenentwicklungen, Trendsetzer auch bei der Implementierung von Webentwicklungen. Aber für die Pleite der eigenen Anzeigetechnik ist nicht Opera verantwortlich – die beste, innovativste oder auch standardkonformste Webseitendarstellung ist nichts wert, wenn sie von niemandem genutzt wird.

Vertauschte Rollen

Opera wird es auch weiterhin geben, aber streng genommen nur als Oberfläche. Der eigentliche Browser, der Teil, der die Webseiten darstellt, wird künftig identisch mit dem von Safari oder Chrome sein. Es bleiben damit also nur noch drei unterschiedliche Wege über, wie Webseiten in Zukunft auf den Bildschirm kommen: Microsofts Trident, Mozillas Gecko – und eben Webkit in Opera, Safari, Chrome & Co.


heute unvorstellbar, damals normal: Opera 6 mit großflächigem Werbefenster für wechselnde Anzeigen.

Jedoch gerade für die glühenden Anhänger wird Opera künftig nur noch ein halber Browser sein, eine Hülle für eine woanders entwickelte Technik. Doch Opera hat man nicht wegen seiner HTML-Engine benutzt, sondern trotz dieser (die eben oft für Probleme sorgte); der Grund, Opera zu benutzen, lag vor allem in dessen pfiffigen Funktionen der Oberfläche. Die vielen Möglichkeiten der Konfiguration, und das alles ohne eine einzige Erweiterung dazuinstallieren zu müssen. Für die Anwender ist es also zunächst ein Gewinn, wenn künftig eine weiter verbreitete Engine die Anzeige der Webseiten in Opera übernimmt. Auch für Webentwickler wird es leichter, weil eine Engine zum Testen wegfällt. Aber für das Web als solches ist es ein herber Verlust, ein Stück technische Vielfalt verschwindet und das Internet wird wieder ein bisschen homogener, mit der Gefahr der Entwicklung zur Monokultur. Man stelle sich nur einmal das Szenario vor, Mozilla würde auch auf Webkit setzen: damit hätte man dann unversehens den alten Browserkrieg wieder, diesmal mit getauschten Rollen: Google/Apple gegen Microsoft.

Schönste Ironie an der Geschichte: Opera, der Kommerz-Browser schlechthin, Closed-Source-Software, der früher nur gegen Geld zu haben war bzw. später alternativ dauerhaft großflächige Werbung einblendete, dieser Browser wird im Kern in Zukunft aus Open-Source-Technik bestehen.


aus der Kategorie: / Tratsch / Browser

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Kommentare

Andererseits bleibt es eine Bankrotterklärung, es ist ein Bruch mit dem, was den Browser bislang ausmachte: Innovation und Eigenentwicklungen, Trendsetzer auch bei der Implementierung von Webentwicklungen.
Sehe ich nicht so. Innovation an der Benutzeroberfläche sind nach wie vor möglich, schließlich ist das nach wie vor Opera-Code. Aber auch Experimente in der HTML-Darstellung sind mit Webkit weiterhin möglich, gibt es dann halt einen eigenen proprietären Tag-Raum wie – moz – bei Mozilla, nur anders, – opera – oder so.

— Usul · 18. Februar 2013, 08:03

Tut mir leid, aber Opera mochte ich noch nie besonders. OK, Opera ist fix, flott und schnell – aber das war es dann auch schon. Ich konnte mit Opera noch nie “warm” werden….

— Torsten · 18. Februar 2013, 09:51

Der Netscape Mitte und Ende der 1990er nutzte nicht Gecko, sondern lizenzierte die Mosaic Rendering Engine. Als man dann Ende der 1990er bemerkte, dass diese zuviele Altlasten enthält, startete man unter dem Namen Gecko einen kompletten Rewrite, der sich aber als so umfangreich darstellen sollte, dass Netscape unter diesem naem nicht mehr auf die Beine kam. Erst als die Browser-only-Version der Mozilla Suite als Firefox ausgekoppelt wurde, ging es mit den Gecko-Browsern aufwärts.

Mattias Schlenker · 18. Februar 2013, 10:10

Ich mochte und mag Opera schon immer lieber als all die anderen. Egal ob FF und Co, alles nichts gegen Opera. Vor allem der FF wird aus meiner Sicht zu unrecht so in den Himmel gehoben. Proprietär hin oder her, auch der FF ist nicht frei. Wer einen wirklich guten Browser sucht, findet den in Opera.

— G-K · 18. Februar 2013, 10:26

Ich hatte Opera eine Zeit im Einsatz, sowohl unter Linux als auch WinXP. War immer langsamer als Firefox oder Chromium, auch der Seitenaufbau war des Öfteren fehlerhaft. Werde den Browser mit der neuen engine definitiv wieder testen.
Wenn das gut läuft, fliegt Chromium von der Platte. Nummer 1 bleibt nach wie vor Firefox, aber ich habe gerne Alternativen. Opera hat mir vom handling her besser gefallen als Chromium.

— Holger · 18. Februar 2013, 11:41

Operas Stärke ist schon lange nicht mehr seine Engine. Der Browser ist aber was die GUI angeht ein absolutes Poweruser Tool. Am Ende hat die Engine Resourcen gezogen, die auf GUI-Seite dringend gebraucht wurden. So ist es doch super. Eine gute Schnelle Engine UND eine gute GUI.

Was man auch nicht vergessen darf:
Opera hat viele Standards entscheident beeinflusst oder sogar erfunden/angeschoben. Darunter HTML5, CSS3, webfonts, html-video u. -audio.

Sie haben ihre eigene Engine irgendwann mal mangels Alternative gestartet. Jetzt fragen sie sich halt, warum sie Standards implementieren sollen, die in einer frei verfügbaren Engine schon implementiert sind.

Webkit wird von Operas Mitarbeit definitiv profitieren.

dakira · 18. Februar 2013, 18:08

Opera war schon ein guter Browser, als Firefox noch in den Kinderschuhen steckte. Gerade die Schnelligkeit und Konfigurationsmöglichkeiten plus die Integration von E-Mail waren damals Wahnsinn; Firefox hat aber nach und nach aufgeholt, und heute…Dennoch installiere ich Opera sowohl unter Linux als auch Windows immer nach, weil die Bedienung intuitiv ist und es einfach ein schöner Browser ist.

— system · 18. Februar 2013, 23:42

Webkit wird von Operas Mitarbeit definitiv profitieren.

Das ist fraglich. Webkit wird insofern profitieren, dass es noch etwas mehr Verbreitung erfährt, aber in Sachen Weiterentwicklung darf das bezweifelt werden. Die Mitarbeiter, die bislang an Presto geschraubt haben, und die von Opera gerade gefeuert werden, werden nun kaum an Webkit mitentwickeln. Opera setzt sich hier eher ins gemachte Nest.

Pinguinzubehör · 19. Februar 2013, 11:34

Innovation an der Benutzeroberfläche sind nach wie vor möglich, schließlich ist das nach wie vor Opera-Code.

Sicherlich sind sie nach wie vor möglich, aber eben auf das UI beschränkt. Bei der Engine ist die Einflussmöglichkeit nun eher eine theoretische. Das Tempo, das Opera in der Vergangenheit vorgelegt hat, wird nicht mehr möglich sein. Sie werden bestenfalls noch etwas Einfluss nehmen können auf die Webkit-Fortentwicklung, aber wirklich mitentwickeln und die Innovationsgeschwindigkeit vorgeben, das erscheint unwahrscheinlich.

Auch steht nun bei der Konzentration auf die Mobilsparte wieder im Raum, dass der Desktopbereich vernachlässigt werden könnte. Warum sollte Opera den Desktopzweig noch mit Innovationen ausstatten, wenn das Geld in erster Linie mit den Mobilbrowsern verdient wird – bei denen alles andere zählt als ein komplexes User Interface? Der klassische Opera-Desktop-Browser wird im Worst-Case zum Abfallprodukt verkommen.

gibt es dann halt einen eigenen proprietären Tag-Raum wie – moz – bei Mozilla, nur anders, – opera – oder so.

Ist es realistisch, dass Webentwickler für ein Nischenprodukt diese überhaupt auch nur in Erwägung ziehen würden? Für Webkit-spezifische Tags schon eher, aber für Opera allein? Eher nicht, würde ich meinen.

Pinguinzubehör · 19. Februar 2013, 11:45

Soooooo lange ists im hause Mozilla ger nicht her, als man sich dort ebenfalls Gedanken zum Wechsel auf WebKit machte.
Ein klasse Browser zeichnet sich durch gutes handling aus und nicht wie schnell der die E-Mails abholt. :-)

eddy · 19. Februar 2013, 12:13

Ich seh das völlig unproblematisch, solange man ein durchlässiges Duopol hat, ist die Konkurrenz die gleiche wie bei ganz vielen Anbietern.

Opera kann seine Ressourcen jetzt mehr auf die UI konzentrieren. Dann erhöhen sie evtl. auch die Marktanteil des Desktop-Browsers.

Eine Frage: Kann Opera auch die Chromium Add-Ons benutzen?

Marco · 19. Februar 2013, 14:00

Der Netscape Mitte und Ende der 1990er nutzte nicht Gecko, sondern lizenzierte die Mosaic Rendering Engine.

Das ist richtig, danke für die Klarstellung. Ganz früher war das so. Gecko wurde zum ersten Mal in Netscape 6 verwendet, einem umgelabelten Browser des Mozilla-Projekts. Bis Netscape 4.8 kam der Gecko-Vorläufer zum Einsatz, teilweise mit fremdlizenziertem Code. Habe ich hier der Einfachheit halber synonym verwendet, aber Gecko war in der Tat ein Neuanfang. Vergleichbar der Presto-Engine, die auch den alten Vorläufer-Opera-Code ersetzte.

Pinguinzubehör · 19. Februar 2013, 17:18

Ich fand Opera schon immer recht sympathisch.

Aber leider hat es dann doch nie zu meiner ersten Wahl gereicht. Er war bei mir immer DER “Alternativbrowser”.

Mal schauen wie es mit Opera jetzt weitergeht…

fluxxi01 · 6. März 2013, 00:51

Opera war bei mir immer der 2. Browser- wenn Firefox einer Verbindung nicht vertraute oder ich eine Lupe brauchte, weil ich gerade an einem kleinen Monitor saß. Das sind alles Funktionen, die sich mit einer anderen Engine auch machen lassen- ABER die Presto engine lief auch auf meinem alten P2 Laptop mit 300Mhz flüssig… (unter Macpup 5.28) Außerdem hatte Opera immer das Feeling des Besonderen…

David · 13. März 2013, 17:06

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