Da waren’s nur noch 3. Nachdem bislang der Internet Explorer, Mozilla, Opera und Safari/Chrome jeweils mit eigenen Rendering-Engines für die Diversität im Internet sorgten, wird es künftig nur noch drei nennenswerte Techniken zur Anzeige von Webseiten geben.
Natürlich ist die Überschrift falsch – nicht Opera stirbt, sondern seine Rendering-Engine Presto. Opera wird in Zukunft die von Apples Safari und Googles Chrome (oder auch KDEs Konqueror) bekannte Webkit-Engine nutzen. „Och nö“, das wird die erste Reaktion von Opera-Fans sein, die den flinken und innovativen Browser schätzen und nun schon sein tatsächliches Ende kommen sehen. Doch der Verzicht auf eine eigene Hintergrundtechnik könnte auch eine echte Chance für den Opera-Browser darstellen.
Flurbereinigung könnte man das auch nennen. Einstmals gab es nur zwei große Webtechniken, die miteinander konkurrierten: Trident im Internet Explorer und Gecko in Netscape, später Mozilla und noch später Firefox. Operas Presto gab es seit 2003, davor war Opera jedoch auch schon mit einer eigenen Engine vertreten. Nennenswerten Einfluss hatte Presto jedoch nie erzielt in seiner 10-jährigen Existenz, erst mit Apples Umschwenken vom Internet Explorer auf den eigenen Browser Safari, und damit der starken Verbreitung der ursprünglich von KDE entwickelten KHTML-Technik, wurde eine starke dritte Plattform im Netz etabliert. Die Opera-Engine war das fünfte Rad am Wagen in der Webentwicklungswelt. Wenn Seitenanbieter ihre Webseiten in Browsern prüften, dann gehörte Opera meist nicht dazu. Damit auch Opera-Nutzer wenigstens auf die großen, populären Seiten ohne Darstellungsfehler zugreifen konnten, musste Opera tricksen und die Seiten beim Laden teils mit eigenen Korrekturen manipulieren.
Drei statt vier
Nun aber wird Webkit also endgültig den dritten Platz von Presto übernehmen, dieser inzwischen Vierte im Bunde wird eingestellt. Opera gibt damit ein Stück Identität auf, ein Stück Originalität und Unverwechselbarkeit. Opera verabschiedet sich damit als originärer Hersteller von Anzeige-Technik für Webinhalte. Opera wird künftig nur noch den Stellenwert einer Browservariante haben, also etwa wie sich Seamonkey zu Firefox verhält. Statt Opera wird man bald auch Chrome einsetzen können, ohne Unterschiede in der Darstellung zu bemerken.
Doch das ist keine Katastrophe, im Gegenteil. Denn der Opera-Marktanteil war seit jeher in der Regel maximal im niedrigen einstelligen Prozentbereich. Opera war und ist ein Browser für Liebhaber, für ambitionierte Power-User – und selbst die waren mit der Darstellungsleistung des Browsers oft alles andere als zufrieden. Was nun zunächst wie ein Ausverkauf des eigenen Tafelsilbers wirkt, das Verzichten auf den Kern seiner Existenz, kann auch eine Chance für Opera sein. Denn die Darstellungsfehler in Opera auf Feld-Wald-und-Wiesen-Webseiten kamen dadurch zustande, dass der Browser nicht weit genug verbreitet war.
Pragmatismus und Stärken
Opera krankte in der Vergangenheit immer daran, dass es Darstellungsfehler gab, weil Opera die Webseiten zwar vorbildlich äußerst standardkonform interpretierte, aber kaum ein Webentwickler seine Seiten auf Opera hin testete. Vor allem auch Operas Javascript-Interpreter sorgte für Abweichungen. Ein Verzicht auf die eigene Darstellungstechnik, die sich in knapp 20 Jahren nie wirklich hat durchsetzen können, erscheint daher als die pragmatischste Lösung. Wie sich das in Zukunft auch auf die Oberfläche und die Funktionen von Opera auswirken wird, wird sich noch zeigen müssen. Im Idealfall werden Opera-Nutzer von der Umstellung gar nichts bemerken – außer, dass die Schwierigkeiten mit der Anzeige von Webseiten schlagartig abnehmen.
Opera wird sich auf das konzentrieren, womit sie wirklich punkten können: das Programm an sich, mit einem hochflexiblen User-Interface und allen Modulen, die es für eine Desktop-Internet-Suite braucht, inklusive E-Mailprogramm und RSS-Reader. Wenn Opera künftig neben Apple und Google auch in der Weiterentwicklung von Webkit mitmischt, dann stärkt das die Webkit-Sparte. Andererseits bleibt es eine Bankrotterklärung, es ist ein Bruch mit dem, was den Browser bislang ausmachte: Innovation und Eigenentwicklungen, Trendsetzer auch bei der Implementierung von Webentwicklungen. Aber für die Pleite der eigenen Anzeigetechnik ist nicht Opera verantwortlich – die beste, innovativste oder auch standardkonformste Webseitendarstellung ist nichts wert, wenn sie von niemandem genutzt wird.
Vertauschte Rollen
Opera wird es auch weiterhin geben, aber streng genommen nur als Oberfläche. Der eigentliche Browser, der Teil, der die Webseiten darstellt, wird künftig identisch mit dem von Safari oder Chrome sein. Es bleiben damit also nur noch drei unterschiedliche Wege über, wie Webseiten in Zukunft auf den Bildschirm kommen: Microsofts Trident, Mozillas Gecko – und eben Webkit in Opera, Safari, Chrome & Co.
heute unvorstellbar, damals normal: Opera 6 mit großflächigem Werbefenster für wechselnde Anzeigen.
Jedoch gerade für die glühenden Anhänger wird Opera künftig nur noch ein halber Browser sein, eine Hülle für eine woanders entwickelte Technik. Doch Opera hat man nicht wegen seiner HTML-Engine benutzt, sondern trotz dieser (die eben oft für Probleme sorgte); der Grund, Opera zu benutzen, lag vor allem in dessen pfiffigen Funktionen der Oberfläche. Die vielen Möglichkeiten der Konfiguration, und das alles ohne eine einzige Erweiterung dazuinstallieren zu müssen. Für die Anwender ist es also zunächst ein Gewinn, wenn künftig eine weiter verbreitete Engine die Anzeige der Webseiten in Opera übernimmt. Auch für Webentwickler wird es leichter, weil eine Engine zum Testen wegfällt. Aber für das Web als solches ist es ein herber Verlust, ein Stück technische Vielfalt verschwindet und das Internet wird wieder ein bisschen homogener, mit der Gefahr der Entwicklung zur Monokultur. Man stelle sich nur einmal das Szenario vor, Mozilla würde auch auf Webkit setzen: damit hätte man dann unversehens den alten Browserkrieg wieder, diesmal mit getauschten Rollen: Google/Apple gegen Microsoft.
Schönste Ironie an der Geschichte: Opera, der Kommerz-Browser schlechthin, Closed-Source-Software, der früher nur gegen Geld zu haben war bzw. später alternativ dauerhaft großflächige Werbung einblendete, dieser Browser wird im Kern in Zukunft aus Open-Source-Technik bestehen.