So wie es aussieht, wird das kommende Ubuntu 10.04 (Lucid) nun doch die Fensterknöpfe wie bei Apple auf der linken Seite haben, statt rechts wie von Microsoft (und bisher recht übereinstimmend Linux) gewohnt. Allerdings ist auch wieder ein wenig Windows-Kopie mit drin, da der Knopf zum Schließen eines Fenster nun anders als die übrigen Knöpfe eine rote Farbe erhält. Ubuntu wird also mit dem künftigen Aussehen sozusagen “das Beste aus beiden Welten” vereinen.
Es wird u.a. kritisiert, dass man dadurch den am häufigsten benutzen Knopf – ebenjener Schließen-Button – nun nicht mehr blind bzw. intuitiv mit der Maus treffen könne (rechte obere Ecke). Doch dies war bei Ubuntu und auch dem originalen Gnome sowieso nie vorgesehen, da man in der oberen Ecke das zweite Panel vorfindet bzw. es aktiviert, falls es automatisch ausgeblendet ist (anders als z.B. OpenSuse oder Linux Mint, die das obere Panel standardmäßig nicht verwenden). Eher trift schon zu, dass man ohne Not eine etablierte und gewohnte Reihenfolge der Knöpfe aufgibt.
Ist übrigens noch niemandem bei der ganzen “Hilfe-die-Buttons-sind-nun-links-Aufregung aufgefallen, dass es im neuen Design überhaupt keine Menüknöpfe mehr gibt? Also z.B. den Firefox-Fuchs im Firefoxfenster oder das Ordnersymbol im Nautilusfenster? Ein ganzes Stück Übersichtlichkeit geht hiermit verloren.
Die neue Anordnung der Fensterschaltflächen bei Ubuntu ist einerseits bemerkenswert, da man dadurch an dieser Stelle die Kompatibilität zum marktbeherrschenden Betriebssystem Windows aufgibt, andererseits war Ubuntu schon immer recht experimentierfreudig und schwamm nicht mit dem Strom: Statt auf KDE (zur Entstehungszeit Ubuntus sehr ausgereift, modern und vielseitig) zu setzen, wurde das minimalistischere und gerade im Umbruch befindliche Gnome zum Standard erkoren (und verhalf diesem dadurch erst so richtig zum Durchbruch in der Linuxwelt, führte es vorher doch eher ein Schattendasein als KDE-Alternative). Statt das ungeschriebene Gesetz der Betriebssysteme zu befolgen, dass Oberflächen in Blautönen gestaltet sein müssen, setzte Ubuntu von Anfang an auf ein sattes Braun (später auch auf Orange).
Doch auf einmal wird Ubuntu mainstreamiger, indem es nun mit dem neuen lilafarbenen Standardhintergrundbild ebenfalls mehr Blau auf den Bildschirm bringt. Das könnte man als langweilig bezeichnen, auf jeden Fall ist es von den bisherigen Hintergrundbildern eines der einfallslosesten. Während Ubuntu 6.06 (Dapper) rauchig-edel daherkam und spätere Version wie 8.04 (Hardy) künstlerisch aufwändige Versionen der namensgebenden Tierpaten als Hintergrund verwendeten, selbst der aktuell schlichte und grellorangene Farbverlauf von Ubuntu 9.10 (Karmic) noch adrett wirkt, sieht der kommende violette Lucid-Lynx-Desktop einfach billig aus: ein abstraktes Bild mit weichgezeichneten Farbklecksen und Linsenspiegelungseffekten, die jeder Anfänger nach etwas Gimp-Einarbeitung ähnlich realisieren könnte – vielleicht entfernt man ja deshalb Gimp aus der Standardinstallation.
Evolution der Ubuntu-Hintergrundbilder: Dapper, Hardy, Karmic – und nun Lucid in violett
Die Farbe ist da fast schon egal, doch auch hier ist der erste Eindruck der Ubuntugemeinschaft recht bestimmt: zu tuntig, zu feminin, zu sehr 80er Jahre. Persönlich erinnert mich die Mischung der bisherigen orangefarbigen Icons mit dem lilafarbenen Hintergrund an eine Sorte von quietschsüßen Weingummi-Schnullis, womit sich auch die Überschrift dieses Artikels erklärt.
Aber man soll sich ja nicht nur mit Oberfläch(lichkeit)en abgeben. Doch leider ist das neue Theme auch technisch ein Rückschritt, denn die Scrollbalken z.B. gehören nicht etwa zu einer neuen Theme-Engine, sondern sind schlicht kleine Extrabildchen, die im Theme-Ordner liegen.
Das wirklich Tragische am neuen Ubuntu-Design ist jedoch, dass alles wirklich sehr gut aussieht: Die neuen GTK-Stile – Menüs und Fenster – sind sehr dezent und elegant in angenehmem Beige, die Scollbalken sehen sehr gut aus (obwohl sie sich natürlich auch wieder an MacOS’ Aqua orientieren), die Symbolik ist bewährt und hervorragend und selbst das Hintergrundbild ist zwar simpel gestrickt, aber vorzeigbar. Erstmals nutzt Ubuntu nun sogar Graphiken hinter den Panels (einst hier kritisiert), die dadurch mehr Struktur erhalten.
Allein – alles zusammen sieht grausam aus, es scheint nichts zusammenzupassen.
Als hätten viele Köche den Brei verdorben. Die Symbole passen nicht zum Hintergrund, der Hintergrund nicht zum Fensterbeige und das Fensterbeige nicht zu den Fensterleisten. Bei “kbps” findet man noch treffendere Worte: der neue Schließenbutton und die orangenen Farbtupfer im Hintergrundbild sähen aus wie Pickel.
Das Beige des dunkleren der beiden Themes entspricht übrigens in etwa dem Farbton des bisherigen Human-Themes. Zusammen mit den orangefarbenen Icons ändert sich beim kommenden Ubuntu also in Wirklichkeit gar nicht so furchtbar viel, wenn man das Hintergrundbild wieder auf orange stellt.