Nun, da Harry Potter 7 auch auf deutsch erschienen ist, der echte Fan den Band mittlerweile verschlungen haben dürfte und die des Englischen Mächtigen sowieso schon seit Monaten wissen, wie das Abenteuer des britischen Waisenjungen endet, kann man einen Artikel dazu ruhigen Gewissens wagen. Wer Harry Potter (und insbesondere den letzten Band) noch nicht gelesen hat, sollte jetzt einfach nicht weiterlesen, es könnte ihm den Spaß verderben.

Denn Band 7 scheint im Großen und Ganzen eher eine Enttäuschung geworden zu sein. Die Erwartungen waren hochgesteckt: Die meisterhafte und faszinierende Potter-Saga musste zu einem fulminanten Ende kommen, soviel war sicher. Und fulminant ist das Ende, unbestritten. Der Weg zum großen Finale jedoch fühlte sich eigenartig an: oft befreit vom sonst üblichen Charme, technokratisch wirkend, wie ein Kreuzworträtsellösungsheft.

Das verwundert nicht, warfen die vorhergehenden Bände doch soviele Fragen auf, wurden soviele Fäden gezogen, die nun zwangsläufig beantwortet und zusammengeführt werden wollten. So hetzt Band 7 geradezu von einem Schauplatz zum anderen, um die letzten ungelösten Geheimnisse und Rätsel aufzudecken, bevor es zum erwartungsgemäßen großen Endkampf zwischen Harry und Voldemort kommen kann.

Harry-Potter-Bücher
von links: englische Erwachsenenausgaben, französische Ausgabe, englisches Taschenbuch, deutsche Normalausgabe

Die vielen Andeutungen, die vielen Fragen der Vergangenheit – nicht alle werden zufriedenstellend gelöst, doch insgesamt ist es die umfassende Auflösung, die den bisherigen Detailreichtum der Potterbücher verdrängt – die Suche nach den „Heiligtümern“ – das eigentliche Kernthema des siebten Bandes – leidet unter der Fülle an Erklärungen, die es zu geben gilt. Band 6 war schon nicht mehr so überzeugend wie die früheren Werke, man könnte gemeinerweise sagen, „Harry Potter und der Halbblutprinz“ war im Grunde nur eine unendlich langatmige Einleitung für das große Finale, das nun in „Harry Potter und die Heiligtümer des Todes“ stattfindet. Doch genauso, wie Teil 6 insgesamt zu wenig Aufregendes bot, kommt im Gegenzug Teil 7 nun mit viel Action – zuviel.

Der Spannnug tut das zwar keinen Abbruch, der Nervenkitzel, die Faszination und das Mitfiebern bleiben wie eh und je auch im siebten Potter erhalten, auch ist Band 7 ebenso emotional wie früher – die Passage, in der Harry erneut seinen Eltern begegnet, bewegt – wie schon bereits Harrys Bekanntschaft mit dem Spiegel Nerhegeb in Band 1 – tief und rührt abermals zu Tränen – aber das gesamte Flair (Flair, nicht Fleur!) ist diesmal ein anderes. Die Einbüßung des Zaubers liegt nicht zuletzt daran, dass Hogwarts im letzten Buch praktisch keine Rolle spielt. Das Finale, der Showdown, scheint nur zufällig in der Zaubererschule zu spielen und wirkt arg konstruiert – das letzte Duell hätte auch an jedem anderen Ort stattfinden können.

Nicht nur auf Hogwarts muss fast vollständig verzichtet werden, auch auf Romantik, die stillen Momente, das Besinnliche und Bedächtige. Ein Knall jagt den nächsten und ehe man sich versieht, ist schon wieder jemand gestorben. Eines steht fest: der kommende Film zu Teil 7 wird ein 1a-Actionfilm werden. War schon „Harry Potter und der Feuerkelch“ ein sehr actionlastiger Stoff, so wird dies von den Deathly Hallows noch einmal in den Schatten gestellt, was Tempo und Gewalttätigkeit angeht.

Die Geschichte von Nr. 7 beginnt schon mit wilder Kämpferei, sie endet mit wilder Kämpferei – und zwischendurch passiert eigentlich außer den vielen kleinen Geheimnislüftungen auch nicht viel mehr. Spannend bleibt es dennoch, großartig erzählt und mitreißend, aber stellenweise würde man am liebsten das ganze komplette Buch mit einem Entwaffnungszauber belegen, so dass sich die Charaktere allenfalls noch mit Kissen bewerfen könnten. Wenn man Band Sieben mit einem Wort beschreiben sollte, wäre es wohl das Wörtchen brutal: Hermine wird gefoltert, die linke Hand Malfoys verkokelt das halbe Schloss, Neville läuft vernarbt durch die Gegend und Harry hat visionäre Dauermigräne. Dumbledores Armee wird reaktiviert, der Phönixorden zieht wieder in den Krieg und überall fliegen die Funken und Flüche nur so durch die Gegend.

Das Düstere wird auf die Spitze getrieben, auch wenn es vielleicht nicht die Eindringlichkeit und Unterschwelligkeit wie die der Bände 4 oder 5 erreicht und eher dumpf und roh erscheint. Gestorben wird wie am Fließband. Neben einzelnen Körperteilen, die der Zaubererwelt verlorengehen, müssen auch beliebte Hauselfen, Schneeeulen und komplette Zauberer dran glauben.

Aus der Herkunft des Bösen macht J.K.Rowling keinen Hehl: das Böse ist für Rassentrennung („Schlammblüter“ haben in der reinrassigen, schwarzmagischen Zaubererwelt nichts verloren und gehören bekämpft) und wohnt in Deutschland. Nun ja, zumindest Gellert Grindelwald, der Zauberer, der Dumbledore beinahe zur dunklen Seite gezogen hätte, scheint hier einmal seine Zelte aufgeschlagen zu haben. Seine Zuflucht heißt Nurmengard (wie Nuremberg = Nürnberg), und Wikipedia weiß, dass der Brite Dumbledore den offensichtlichen Deutschen Grindelwald 1945 „im Duell“ besiegt hat. Na sowas. Ansonsten bleibt die Person Grindelwald im Nebel, eine Randfigur. Keine gute jedoch, soviel steht fest. Das übrige Bild von der Machtergreifung der übrigen Akteure im Dienste des dunklen Lords, der Gleichschaltung der Zaubererwelt und der Resistance von Harry und seinen Freunden ist nicht weniger offensichtlich.

Die Story um Grindelwald sorgt übrigens in der englischen Orignalausgabe für das Auftauchen einiger Sätze auf Deutsch, so dass der deutschsprachige Leser überrascht gewesen sein dürfte, neben üblichen „Einenglischungen“ wie Rucksack, Poltergeist oder Doppelganger auf einmal einen ganzen Dialog in Hochdeutsch zu lesen.

Der erste Teil der Harry-Potter-Reihe war noch am ehesten mit gutem Gewissen als Kinderbuch zu bezeichnen, danach stieg die Ausrichtung an die Erwachsenen parallel zum Alter Harrys; in Band 6 zeichnete es sich ab und nun in Band 7 potenziert sich das alles noch einmal: Todesnähe, Tod, philosophische Fragen, Psychologie, Geschichte und klassisches Drama. J.K. Rowling versteht es, ihre Leser nicht zu unterfordern, darin liegt wohl das Geheimnis ihres Erfolges: den kindlichen Standpunkt der erwachsenen Welt gleichzusetzen (weswegen z.B. auch Michael Endes Unendliche Geschichte als Erwachsenenliteratur funktioniert). Harry Potter war eigentlich nie ein alleinig für Kinder geschriebenes Buch, auch wenn es als solches verkauft wurde. Das macht es für ältere Leser lesbar – und für junge Leser so faszinierend. Harry Potter nimmt keine Rücksicht auf pädagogische Erwägungen, sondern erzählt seine anspruchsvolle, aber nicht abgehobene Geschichte ungefiltert und ohne Zurückhaltung – nicht ohne Grund erhielten die Filme teils eine Altersfreigabe erst ab 12 Jahren. Dass es auch ein Kinderbuch ist, merkt der erwachsene Leser nur, wenn er stellenweise bei sich denkt „Du dummer Bengel, wieso vertraust Du Dich nicht endlich Dumbledore oder sonst einem Erwachsenen an, sondern versuchst alles auf eigene Faust und rennst sehenden Auges in Dein Verderben?“ – ganz ausgeprägt in den ersten beiden Teilen. Denn nur so funktionieren spannende Kinderbücher: der Held muss es auch allein, ganz ohne die Erwachsenen, die ihn sowieso nicht ernst nehmen oder alles falsch verstehen würden, schaffen können.

Die Begeisterung für die Harry-Potter-Bücher liegt in der gelungenen Verbindung der verschiedenen Zutaten: J.K. Rowling versteht es, die ganz alte Geschichte, die heidnische Zaubererwelt mit Feen, Kobolden, verwunschenen Schlössern und rustikaler Inneneinrichtung zu verbinden mit der jüngeren Geschichte und der ganz modernen Welt. Dazu kommt die Art, wie Rowling erzählt: detailverliebt, mit einem besonderen Gespür für das Faszinierende, mit einer sicheren Hand für die Neuanordnung von Puzzleteilchen aus der magischen und okkulten Welt. Von der Kritik ob ihres literarischen Anspruches oft belächelt, schreibt J.K. Rowling erkennbar nicht für die Kritik, sondern für sich selbst, wovon der Leser eindeutig profitiert – der Erfolg, den Harry Potter in den letzten zehn Jahren erlebt hat, spricht für sich.

In dieser Tradition führt Band 7 alle Fäden zusammen: Harry behält die Entscheidungsgewalt und führt seine Freunde im Überlebenskampf gegen die Schwarzmagie an. Snape war nie wirklich böse, sondern ein von Eifersucht getriebener Gefangener seiner eigenen Sehnsucht. Dumbledore hatte stes und zu jeder Zeit, auch über den Tod hinaus, die volle Kontrolle. Voldemort wird besiegt – und der Held der Geschichte stirbt natürlich nicht, denn das nun wiederum würde Harry Potter als Auch-Kinderbuch disqualifizieren.

Die Spannung des letzten Buches endet genau genommen an der Stelle, als Harry definitiv erfährt, dass er sich selbst opfern muss, um den letzten Horkrux zu zerstören. Denn selbst wenn man insgeheim noch gezweifelt hat, ab hier weiß man es: Harry wird natürlich überleben, denn alles andere, eine derartige Gradlinigkeit und Vorhersehbarkeit, passt einfach nicht zum Stil Rowlings. Da muss einfach noch ein Hintertürchen, ein Rettungsanker, ein alternativer Weg kommen, der alles gut werden lässt. Und so geschieht es. Zu einer typischen Harry-Potter-Geschichte gehört eben, dass die Bösen die Bösen bleiben und das Gute am Ende gewinnt. Nur der Weg, wie dies geschieht, ist das eigentliche Meisterstück. Die Spannung kommt nicht aus der Frage, ob Harry überleben wird, sondern durch die Teilhabe, wie es ihm gelingt.

Das abschließende Kapitel, den Prolog nach dem eigentlichen Finale, empfanden viele Fans als kitschig. So sehr, dass sogar bereits privat alternative Schlussfassungnen geschrieben werden. Dabei könnte man das Ende als das beste am ganzen Buch betrachten: 19 Jahre nach dem von Düsternis und Tod überschatteten Ende kehrt konzentriert wieder Harmonie ein, Romantik, Frieden und Zuversicht. – Im Kontrast zum übrigen Buch, das muss man jedoch zugeben, wirkt dieses letzte Kapitel wie ein rosaroter, geblümter Fremdkörper. Dennoch: ein anderes Ende konnte es kaum geben (und es ermöglicht theoretisch die perfekte Fortsetzung). Heile Welt muss sein.
Artikelende

weitere Infos zu Harry Potter 7

Hilal Sezgin findet auch, dass das Zauberhafte fehlt – und bezweifelt, dass Band 7 wirklich der letzte ist:
Am Boden des Zauberkessels

Auch das noch. Nicht nur okkulte Inhalte, auch der Chef ist homosexuell:
Dumbledore ist schwul

Eher skeptisch? Anke Gröner über HP 7:
Edit: 22.06.

Ulf Brossmann spekuliert, ob sich Rowling bei den Fans bedient hat:
LIT:KRIT

Eulenfeder.de betrachtet die Begriffe genauer:
Harry-Potter-Kiste

Kommentare


  • Phil sagt:

    Also ich habe mir gerade das Ende angesehen vom letzten Teil von Harry Potter und ich muss sagen,dass Ende war das schlechteste vom ganzem Film.Die Schlange wird getötet,nun ist Voldemord quasi nicht mehr geschützt und kann von Harry besiegt werden.Harry bemerkt dass Voldemord schwächer wird,was wohl das Zeichen dafür ist dass die Schlange Tod ist.Sie holen beide Ihre Zauberstäbe und Harry ist Stärker und der Zauberstab verliert seine Energie von Voldemord.Plötzlich ist er entwaffnet.Und Harry hört auf ihn zu beschießen.Und Urplötzlich löst Voldemord sich auf????Ja nanu was ist denn da loooos?????Ich weiß ja nicht ob es Euch aufgefallen ist,aber er kann sich garned auflösen??Wie denn??Harry hatte ihn gerade mal entwaffnet???Wo bleibt der Entstoß???Dann hätte er sich auflösen können von mir aus??Plötzlich löst der Freak sich einfach auf und es noch garnix los?Er wurde noch ned mal angekratz von Harrys Zauberstäbchen????Plötzlich löst er sich einfach auf ich fasse es nicht???Und dann als er aufgelöst ist!!Geht Harry an den ganzen Leuten vorbei und die unterhalten sich dass ist eigentlich noch der absolute Hammer,die Unterhalten sich als ob gar nichts gewesen ist nach langer langer Kriegsführung!!!Achja Harry hat den Voldemord umgebracht das ist ein echt klasse Typ aber wir widmen uns jetzt lieber dem alten Alltagstrott!!Ich werde verrückt was zum Geier haben die sich denn bei dem Fucking Ende gedacht wir müssen Sparmaßnahmen machen Produktion ist erschöpft??Für ein geiles Ende hat es leider ned mehr gelangt??!?!Junge Junge??!?!?Bin sowas von Stinksauer !!Harry kann sich den Zaubestab quer in den Arsch schieben was hat er denn Großartig gemacht ????Voldemord hat sich in die Hosen gepisst und hat sich gesagt Ach ich löse mich mal von alleine auf der Junge nervt mich ?!?!?Was war da denn los Junge Junge???Keiner Jubelt Hey Harry hat es geschafft Harry ist der größte Zauberer bla bla???!??Ne die sitzten da alle sind am Häckeln und Zeitung lesen !!Achja Harry das war doch der Zauberer warte mal wie hieß der noch mit Nachnamen pottschiss???E

  • […] als letzte Chance begriffen, den Magazin-Artikel zu den “Heiligtümern des Todes”, Harry Potter 7 – Das Ende der Welt von Hogwarts – und die Deutschen sind mal wieder die …, noch zu vertonen. Daher steht dieser Beitrag ab sofort auch als Podcast zur […]

  • […] hat das Buch neben elektronischen Medien weiterhin einen hohen Stellenwert, auch Abseits von Harry Potter. Nun, wer Hunderte von Büchern hat, weiß, wie viel Platz sie wegnehmen, und wer im Urlaub Bücher […]

  • Luisa sagt:

    Gggh

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