Showideen und -importe aus den USA sind für das deutsche Fernsehen ein kalkulierbares Risiko. Die Sendungen laufen oder liefen bereits erfolgreich im US-Fernsehen und garniert mit einem bekannten Moderator und einem guten Sendeplatz kann eigentlich nichts mehr schiefgehen. Eigentlich.
Die Zeiten der großen Fernsehspielshows sind längst vorbei. Eine einzige große etablierte Spielshow im deutschen Fernsehen läuft derzeit im Privatsender Pro Sieben und nennt sich „Schlag den Raab“. Das Konzept dieser Sendung besteht aus der Symbiose verschiedener Einzelshowideen: Die Kombination von spektakulären Einfällen, Sportaufgaben, Kindergeburtstagsspielchen, Wissens- und Schätzfragen vermag zu begeistern, funktioniert letztendlich aber wohl nur deshalb, weil der sonst als Moderator auftretende Raab hier selbst den Dauerkandidaten gibt.
Beim Schwestersender Sat.1 hat man sich nun eines dieser Elemente herausgegriffen und drumherum eine eigene Show gebaut. Man ahnt es schon – ausgerechnet die Geburtstagsspielchen hat man genommen und das Ganze „Die perfekte Minute“ getauft.
Alberne Spielchen waren schon seit jeher Bestandteil von Spielshows im Fernsehen, doch dieses Format, dessen Titel auch für ein Mikrowellenfertiggericht durchgehen könnte, schießt den Vogel allein durch die epische Breite und Auswalzung solcher Spiele ab. Kindergeburtstagsspielchen sind indes toll – wenn mal als Kind selbst daran beteiligt ist. Doch diese neue Show läuft im Abendprogramm und scheint tatsächlich erwachsene Menschen unterhalten zu wollen. Mit Kandidaten, die Schokoladendoppelkekse auf der Stirn oder Pizzaschachteln zwischen Hütchen stapeln müssen, um eine Runde weiter zum nächsten vergleichbar anspruchsvollen Spiel zu gelangen.
Hat man sich das Wiederauferstehen von Ulla Kock am Brink in der Moderatorenrolle vor Kurzem sogar noch gewünscht, muss man nun erkennen, dass man vergeblich gewartet hat. Nicht der Moderatorin wegen, Ulla Kock am Brink ist ganz die alte geblieben, als hätte man sie 1:1 aus der 100.000-Mark-Show weggebeamt. Doch die Zeiten der großen Spielshows der 90er Jahre scheinen unwiederbringlich vorbei, da kann selbst eine von Kock am Brink nichts mehr retten.
Damals war es vor allem der Event-Charakter (den man noch nicht so nannte), das „große Ereignis“ Spielshow, das etwas Besonderes ausstrahlte. Eine Halle, gefüllt mit ehrlich mitfieberndem Publikum, Kandidaten und Kandidatenpärchen, denen noch wirklich etwas abverlangt wurde – und genug Zeit, um auch vor dem Bildschirm eine Beziehung zum Kandidaten aufzubauen. Wird sie/er es schaffen? Gewinnt das grüne Team oder das rote? Geht ihm/ihr vorher die Puste aus? Wer gibt die peinlichste Antwort auf die einfachste Frage?
Doch bei der „perfekten Minute“, in einem zwar futuristischen, arenenhaft aufgebauten, aber kleinen und fast heimelig wirkenden Studio verpufft der Effekt von Spannung und Ereignisstimmung. Ein paar dramaturgische Effekte zwar hat man aus den 90ern in die Neuzeit herübergerettet, doch Pseudo-Computerstimmen waren schon damals zum Fremdschämen albern – „Der Kandidat hat noch ein Leben“. Gut, dass alles nur Spiel ist.
Und so bleibt die perfekte Minute eher ein kurzer Retro-Ausflug in vergangene Zeiten. Jedoch nichts, womit man wirklich seinen Abend verbringen möchte. Prognose: Die perfekte Minute hat bald nur noch null Leben.
Hart, aber ehrlich! :) Dann habe ich ja nichts verpasst, denn eigentlich wollte ich mir die Show ansehen. Dann habe ich mich aber gefragt, ob Sat1 jemals eine gelungene Spielshow auf die Beine gestellt hat… und mir ist nichts eingefallen, was sich lange gehalten hat oder ich vermisst hätte. Was „Schlag den Raab“ betrifft: die Show ist doch in erster Linie deshalb reizvoll, weil Schadenfreude eben die schönste Freude ist. :)