Ebay vollzieht einen weiteren Schritt zur Entmündigung des selbstständig handelnden Käufers und Verkäufers und wird durch die Einführung eines obligatorischen Treuhandservices für die Zahlungsabwicklung auf seiner Plattform dem Konkurrenten Amazon noch ähnlicher. Warum dies für Ebay im Desaster enden könnte und warum Ebay nicht das bessere Amazon werden kann.

Ebay will sein Flohmarkt-Image loswerden. Mit höheren Gebühren und zweifelhaften Entscheidungen wurde der Marktplatz für (Privat-)Verkäufer schrittweise unattraktiver gemacht, im Gegenzug wurde die kaufende Kundschaft zunehmend hofiert, die Plattform stärker als Verkaufsplattform denn als Handelsplattform vermarktet. Im Ergebnis stieg die Zahl der Verkaufsangebote zum Festpreis und das massenhaft Einstellen von ähnlichen Artikeln an. Angebote von Gebrauchtwaren von privaten Anbietern sind immer schwieriger in der Flut von kommerziellen Angeboten zu finden.

Mit zahlreichen Maßnahmen wurde zugleich darauf hingearbeitet, das „Einkaufserlebnis“ für Käufer zu optimieren – zulasten der Verkäufer. Stellenweise zwingende Paypal-Nutzung, anonymisierte Bieterlisten, Entfall der negativen Bewertungen durch Verkäufer. Im Endeffekt führte dies dazu, dass sich der Kosmos der Auktionsplattform nicht mehr viel von dem eines regulären Online-Shops unterscheidet. Verkäufer und Käufer sind nicht mehr gleichberechtigt wie auf einem privaten Flohmarkt, sondern die Verkäuferpflichten, die sonst nur gewerbliche Händler treffen, gelten nun de facto auch für privat anbietende Verkäufer auf Ebay. Ebay wurde immer weiter automatisiert, zu einem starren, unflexiblen Etwas umgebaut, in dem Verkäufer einfach nur zu funktionieren haben, aber kaum noch über Gestaltungsmöglichkeiten verfügen.

Ebay wird zum Treuhänder

Zum Sommer 2012 wird sich die Ebay-Welt mal wieder gravierend verändern: Ebay wird zum Treuhänder für die Zahlungsabwicklungen seiner Mitglieder – und zwar nicht-optional und für sämtliche Transaktionen, nicht nur für diejenigen, die wie bisher über Paypal abgewickelt wurden. De facto kommt es nun also zu einer Art Paypal-Zwang für alle: auch diejenigen, die bisher ohne Paypal auskamen, können nun nicht mehr ohne Mittler Zahlungen vornehmen oder empfangen. Paypal müssen sie dazu nicht mehr nutzen, es sind z.B. auch Überweisungen an und von Ebay möglich. Im Gegenzug verursachen Zahlungen über Paypal nun keine Kosten mehr, wenn die zugrundeliegende Transaktion über Ebay erfolgt. Teurer wird es dennoch für die Verkäufer: denn die Treuhändertätigkeit lässt Ebay sich natürlich bezahlen: 2% mehr Verkaufsprovision dürfen Verkäufer womöglich künftig an Ebay bezahlen – für jedes getätigte Geschäft wohlgemerkt, nicht nur für die über Paypal eingehenden Zahlungen. Die einstige Standardbezahlmethode, Überweisung direkt an den Verkäufer, wird damit völlig abgeschafft. Auch Nachnahmelieferungen werden so unterbunden.

Bezahlen direkt an Ebay im Testbetrieb
Bislang nur testweise bei ausgewählten Angeboten:
das neue Bezahlverfahren in einer Ebay-Autktion

Wie das neue System sich in der Praxis bewährt, wird sich erst noch herausstellen müssen. Wer jedoch schon einmal versucht hat, mit Ebay Kontakt aufzunehmen, ohne dabei mit einem unpassenden Textbaustein abgespeist zu werden, der dürfte von der Vorstellung nicht begeistert sein, demnächst bei Problemen mit der Zahlungsabwicklung direkt Ebay kontaktieren zu dürfen. Das Clevere an der ganzen Geschichte ist, dass Ebay die Zahlungen nicht direkt weiterleitet, sondern verzögert dem Verkäufer zukommen lässt. Erst, wenn dieser einen Artikel als „verschickt“ markiert, wird das Geld freigegeben. Ebay übernimmt damit also auch eine Bankfunktion, es verwahrt das Geld der Kunden. Doch statt Zinsen für die zwischengeparkten Summen zu zahlen, müssen die verkaufenden Ebay-Nutzer für diese Leistung selbst Geld bezahlen.

Auch hier wird also mal wieder zulasten der Verkäufer (die nun länger auf ihr Geld warten müssen) die „Kauferfahrung“ zugunsten der Käufer verbessert. Für diese stellt die Umstellung auf ein einheitliches Zahlungssystem indes tatsächlich eine Verbesserung dar – vorausgesetzt, alles funktioniert perfekt und reibungslos. Käufer müssen sich nicht mehr mit Kontonummern, Bankleitzahlen und Betreffzeilen herumplagen – sie zahlen künftig einfach an Ebay und können sich wohl in ihrem Onlinebanking eine Ebay-Zahlung als Vorlage speichern. Schneller erhalten sie ihre gekauften Artikel dadurch aber nicht, denn ob eine Überweisung nun direkt zum Verkäufer ihre Zeit braucht oder zu Ebay, macht keinen Unterschied. Komfortabler und schneller geht es dann tatsächlich wohl nur noch per Paypal – oder durch Barzahlung bei Übergabe. Zusätzlich sind mit dem neuen Verfahren nun alle Transaktionen vom Ebay-Käuferschutz erfasst, unabhängig von der Zahlart.

Das neue Verfahren könnte jedoch dafür sorgen, dass Ebay-Artikel nun noch länger brauchen, bis sie ihren Weg zum Käufer finden. Dann etwa, wenn Verkäufer sich dagegen sträuben, Artikel zu verschicken, ohne bereits Geld erhalten zu haben. Gewitzte Verkäufer werden vielleicht auf die Idee kommen, den Artikel bereits als verschickt zu kennzeichnen, ohne ihn tatsächlich abgeschickt zu haben – um dann einfach auf den Geldeingang zu warten. Die angestrebte positivere Kauferfahrung für den Käufer könnte also grandios nach hinten losgehen, wenn die Verkäufer nicht mitspielen und auf die Ankunft eines Pakets mit ersteigertem Inhalt länger gewartet werden muss als früher.

Aber auch für Verkäufer ergibt sich trotz allem ein Vorteil: sie müssen nicht mehr ständig ihre Kontoauszüge verfolgen, sondern werden nun einfach von Ebay informiert, wenn ein Käufer bezahlt hat und der verkaufte Artikel auf den Weg gebracht werden kann. Andererseits müssen sie nun penibel darauf achten, verkaufte Artikel als verschickt zu markieren – ansonsten können sie lange auf ihr Geld warten. Der gewonnene Komfort wird also sogleich wieder zunichte gemacht.

Vom Marktplatz zum Shop

Aus Käufersicht verschwimmen die Grenzen zwischen klassischem Online-Shop und Auktionsplattform zunehmend. Für den Käufer spielt der Kontakt zum einzelnen Verkäufer praktisch kaum noch eine Rolle. Wie in jedem anderen normalen Laden entscheidet er sich für den Kauf eines Artikels, bezahlt und erhält kurz darauf die Ware. Der einzige Unterschied ist, dass es auch noch eine Auktionsfunktion gibt. Ebay macht seine Verkäufer damit quasi zu Zulieferern, die den Versand gleich selbst übernehmen – und das Risiko tragen, wenn etwas nicht in Ordnung ist mit der Ware. Nur eine Art „Versand durch Amazon“, das gibt es bei Ebay bislang nicht. Mit einer neutralen Handelsplattform, die lediglich den Kontakt zwischen Käufer und Verkäufer herstellt, hat Ebay immer weniger zu tun.

Ebay- und Amazon-Startseiten übereinander
Bald noch ähnlicher: Die Grenzen zwischen Ebay und Amazon verwischen

Die Umbauten bei Ebay führen dazu, dass Ebay nun wie eine Kopie des Amazon Marketplace erscheint. Eine schlechtere Kopie, denn Ebay selbst übernimmt keine Logistikfunktionen und übernimmt bislang auch keine Garantien bei Zahlungsausfällen zugunsten von Verkäufern. Ebay nähert sich auch äußerlich dem Erscheinungsbild von Amazon immer weiter an, sogar typische Amazon-Elemente wie Rezensionen des angebotenen Artikels (und nicht mehr nur die Bewertung des Verkäufers) findet man neuerdings bei Ebay.

Doch Ebay bietet (aus Verkäufersicht) auch Vorteile gegenüber Amazon: z.B. herrscht bei Ebay keine vorgeschriebene Preisparität, d.h. eingestellte Artikel dürfen bei Ebay auch teurer sein als im eigenen Online-Shop des Verkäufers. Auch sind die Gestaltungsmöglichkeiten bei den Angebotstexten um ein Vielfaches höher, Angebote lassen sich besser und individueller darstellen. Auch das Bewertungssystem ist übersichtlicher als bei Amazon, was sich jedoch schnell zum Nachteil erwächst, wenn das eigene Bewertungsprofil nicht das beste ist.

Flohmarktgefühl unter dem Dach von Ebay gibt es entgegen erster Befürchtungen auch weiterhin, allerdings nicht mehr in Form von Versteigerungen. Über „Ebay Kleinanzeigen“ kann man ganz traditionell Gebrauchtes zum Festpreis erwerben – aushandelbar im direkten Kontakt mit dem Verkäufer, ohne die Pflicht zur Nutzung von Zahlungszwischendienstleistern. Mit dem klassischen Ebay hat das jedoch nichts mehr zu tun, es entspricht haargenau dem klassischen Flohmarkt oder Second-Hand-Handel. Selbstabholung ist eher die Regel als die Ausnahme und Bewertungen gibt es nicht. Alles wird wieder lokaler und individueller.

Bewertungen künftig kaum noch wichtig

Ironischerweise wird das Bewertungssystem – die absolute Stärke von Ebay – in Zukunft keine so wichtige Rolle mehr spielen wie in der Vergangenheit. Denn wenn die Käufer künftig über den Treuhandservice gleichzeitig auch einen umfassenden Schutz gegen Falsch- und Nichtlieferung genießen (bei Ebay Käuferschutz genannt) und darauf vertrauen könnnen, ihr Geld im Fall der Fälle problemlos wiederzubekommen, dann wird man auch ohne Bauchschmerzen bei einem Verkäufer mit einem Profil voller roter Bewertungen einkaufen können.

In der Vergangenheit hat Ebay seine eigene Bewertungsfunktion bereits entwertet, indem es für die Anzeige der Gesamtwertung („100 % positive Bewertungen“) nur noch die Bewertungen der letzten 12 Monate einfließen ließ. Länger zurückliegende schlechte Bewertungen werden vom Betrachter daher in der Regel gar nicht mehr wahrgenommen und wirkten sich auch nicht verkaufshemmend aus. Künftig wird sich ein Käufer dann den Blick in die Bewertungen womöglich völlig sparen können. Ähnlich wie bei Amazon, bei welchem die Bewertungsfunktion von Verkäufern seit jeher keine prominente Position einnimmt und nur schlecht überblickt werden kann: hier wird lediglich die Prozentangabe angezeigt sowie die letzten 5 Bewertungskommentare im Verkäuferprofil. Wer alle Bewertungen im Detail sehen will, muss sich seitenweise einzeln durchklicken. Für die Kaufentscheidung spielen die Bewertungen daher kaum eine Rolle.

Amazon-Bumerang

Alternativen gibt es reichlich, die mangels Akzeptanz bei Käufern aber keine echten Alternativen sind. Wie immer, bei jeder neuen Gängelung seitens Ebay, werden private Verkäufer massenhaft äußern, dass es nun genug sei und sie ihre Gebrauchtwaren in Zukunft lieber gleich auf dem Müll entsorgen werden – nur, um sie am Ende dann doch wieder bei Ebay einzustellen.

Doch Amazon Marketplace stellt inzwischen eine ernstzunehmende Konkurrenz für Ebay dar, denn auch hier tummeln sich die Käufermassen – und Amazon ist auch für private Verkäufer attraktiv, die zum Festpreis verkaufen wollen. Wurde der Marketplace in der Vergangenheit vor allem von großen kommerziellen Anbietern als zusätzlicher Vertriebskanal genutzt, finden sich in jüngster Zeit auch verstärkt Angebote von Privat- und Kleinanbietern auf der Plattform.

Für Ebay könnte es zum Bumerang werden, dass sie Amazon immer ähnlicher werden – denn wenn sich beide Plattformen nicht mehr wesentlich voneinander unterscheiden, werden die Verkäufer dorthin gehen, wo sie bei gleichen Absatzchancen weniger Gebühren zahlen müssen – und vor allem bei Problemen den besseren Support erhalten und sich nicht abgewimmelt vorkommen.

Schöne neue Welt

Es wird spannend werden, wie sich das neue System in der Praxis anfühlen wird. Dass das neue Bezahlverfahren von protestierenden Verkäufern noch verhindert werden kann, davon ist nicht auszugehen, zu viel Geld ist dabei im Spiel und zu verlockend erscheinen die Vorteile für den Umsatz. Doch gab es in der Vergangenheit bereits Beispiele, wo Ebay eingeführte Neuerungen nach kurzer Zeit wieder abgeschafft hat, so zum Beispiel bei dem verpflichtenden kostenlosen Versand. Die Verkäufer liefen dagegen Sturm und ließen die Neuerung zur Farce werden. Nach einem knappen halben Jahr beendete Ebay dieses Experiment.

Doch der Treuhänderservice scheint kein schnelles Experiment, sondern nur die Krönung eines lange vorbereiteten Prozesses zu sein. Bereits 2010 kam die faktische Paypal-Pflicht bei Ebay: Verkäufer mit weniger als 50 Bewertungspunkten konnten nicht mehr verkaufen, ohne Paypal als Zahlungsmöglichkeit anzubieten. Wer neu bei Ebay war und verkaufen wollte, wurde also vor die Wahl gestellt, ein Paypal-Konto einzurichten oder das Verkaufen eben seinzulassen. Gleichzeitig wurde von Ebay stets betont, dass Käuferschutz nur bei Paypal-Nutzung bestünde, die Käufer also dazu animiert, die Zahlungsoption Paypal zu wählen. Das verteuerte die Transaktion für den Verkäufer, die Kosten für den Käuferschutz wurden auf den Verkäufer abgewälzt, denn das Empfangen von Geldern via Paypal war selbstverständlich kostenpflichtig.

Bereits bei der Einführung der partiellen Paypal-Pflicht 2010 unkten einige Ebay-Nutzer, dies würde nur die Vorstufe zu einer generellen Paypalpflicht darstellen, womit sie nun quasi recht behalten haben. Ebay-Verkäufer müssen künftig für alle Transaktionen einen Zahlungsabwicklungsservice nutzen. Der einzige Unterschied ist, dass Ebay diesen nach außen hin nun unter eigenem Namen realisiert und nicht im Namen der Tochterfirma Paypal. Für renitente Verkäufer dürfte es schwierig werden, die Zahlungsdienstleistung zu umgehen. Denn das einzige Schlupfloch, „Barzahlung bei Abholung“, dürfte viele Käufer von vornherein abschrecken, auf den gefühlten oder tatsächlichen „Käuferschutz“ wird außerdem kein Käufer freiwillig verzichten wollen, schon gar nicht bei höherpreisigen Produkten. Wie dem auch sei – es stehen interessante Zeiten bevor bei Ebay.

Artikelende

Weiterführendes

Ebay kündigt das neue Verfahren an

Georg Schnurer hat 2 Einzelfälle während der Erprobungsphase herausgepickt, die gründlich schiefgingen

Axel Gronen sieht das neue Zahlungssystem schon scheitern

Dossier Ebay Mehr zum Thema Internetauktionen auch im
Dossier „Ebay“

Kommentare


  • Onlinehandel sagt:

    Ebay: Versandkosten bei Abholung…

    Jetzt übertreibt es Ebay aber. Nachdem das mit der Übernahme des kompletten Zahlungsverkehrs nicht so recht geklappt hat und Ebay nunmehr doch nicht als Zahlungsdienstleister auftritt, sträubt sich Ebay nun offenbar vollends, noch irgend…

  • […] Entwicklung hin zum Shop-Erlebnis war bereits unübersehbar, auch wenn es mit der Etablierung der verpflichtenden Zahlungsabwicklung durch Ebay selbst […]

  • […] übertreibt es Ebay aber. Nachdem das mit der Übernahme des kompletten Zahlungsverkehrs nicht so recht geklappt hat und Ebay nunmehr doch nicht als Zahlungsdienstleister auftritt, […]

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