Wir schreiben das Jahr 2012, digitales DAB-Radio sendet seit über einem Jahrzehnt, und auch das neue DAB+-Radio wird seit August vergangenen Jahres propagiert. Doch steht dann tatsächlich einmal ein Radiogerätekauf an, findet man die neue Technik darin nicht.

Themenschwerpunkt RadioWas tun, wenn der alte Radiorekorder das Zeitliche segnet? Ein neues Gerät muss her, mit Radio, CD und – im Computerzeitalter – USB-Anschluss. Obwohl man auf den CD-Part heutzutage eigentlich schon wieder verzichten könnte, der in Zeiten der allumfassenden Digitalisierung seinerseits wie aus einer vergangenen Zeit wirkt. Zwar sind auch die Daten auf einer CD digital, doch zugegriffen wird darauf mechanisch.

Kassettendecks gar findet man in den aktuellen Geräten eher selten (nicht einmal Kopfhöreranschlüsse, weil die Ausbuchtungen in den produktionsgenormten Gehäusen nun lieber für MP3-Line-in-Anschlüsse genutzt werden), dafür haben sie nun fast flächendeckend USB- und SD-Karten-Unterstützung. Alles ist also schön digital – nur eine Komponente leistet der Digitalisierungswelle erbittert Widerstand: der Radioempfänger. Der ist in 99% aller Rekorder nach wie vor analog mit UKW und Mittelwelle zu finden. Keine Spur vom digitalen Radio „DAB+“, obwohl doch gerade mal wieder ein breitangelegter Start des Digitalradios läuft. Radiorekorder mit DAB-Empfänger sind praktisch nicht zu bekommen, nur ganz wenige Exemplare unterstützen diesen Empfangsweg. Zum Ärgernis der geringen Auswahl kommt dann auch noch der dreimal so hohe Preis.

Doch der entscheidende Punkt ist, dass die Käufer von Neugeräten meist gar nicht wissen, dass es Digitalradio überhaupt gibt. Abseits von Fachpublikationen erfährt man kaum etwas davon. Wer sich nicht speziell für Radioempfang interessiert, weiß in der Regel nichts von der Existenz von DAB-Radio. Fragt man die Leute auf der Straße, wofür sie „DAB“ halten, bekommt man Antworten wie „Deutscher Arbeiter-Bund?“, „Deutsche Ausbildungsberufe?“ oder auch „Dämliche Abkürzungs-Buchstaben!“.

Screenshot Amazon-Suchergebnisse
Knapp 600 Ergebnisse bei Suche nach „Radiorekorder“ bei Amazon.de; beim Stichwort „Radiorecorder“ sind es über 1300.

Screenshot Amazon-Suchergebnisse
Die Suche nach „Radiorecorder DAB+“ bringt genau ein Ergebnis, welches dann auch noch eine Kompaktanlage statt einem Rekorder findet.

Andererseits ist die Notwendigkeit, DAB+ zu empfangen, auch gar nicht gegeben. Die Vorteile im stationären Empfang gegenüber dem klassischen Analogfunk sind für den Hörer marginal oder überhaupt nicht vorhanden. Wie soll sich digitales Radio da eigentlich verbreiten, wie soll da die Umstellung funktionieren, wenn die Hörer Digitalradio weder brauchen noch überhaupt davon wissen? Wer trotzdem DAB+-Radio hören möchte, muss derzeit fast gezwungenermaßen zu Stand-alone-Geräten greifen, zu Kofferradios in der Art wie vor 70 Jahren: mehrheitlich klobigen Kästen, die nichts anderes können, als Radiosender zu empfangen. Auch MP3-Player sind nicht mit Digitalradiokomponente erhältlich, sondern nur mit analogem UKW-Empfänger. Handys haben ebenso keine DAB-Plus-Fähigkeit, wenn Radio integriert ist.

Analoger Tuner-Knopf
Auch in nahezu allen aktuellen Geräten: die Radiofrequenzen bleiben im analogen Bereich.

Ein Erfolg gelänge nur mit politischen Lösungen, die Abschaltung von analogem Radio (was nicht geht, weil es beim derzeitigen Verbreitungsstand des Digitalradios einem Todesurteil für dieses Medium gleichkäme), Vorschriften zum Einbau von DAB-Empfängern in zu verkaufende Neugeräte (wogegen Händler und Hersteller Sturm laufen würden) – oder mit Marketing. Doch das Marketing für digitales Radio beschränkt sich derzeit quasi auf eine Internetseite der Digitalradioveranstalter. Im Radio selbst hört ein UKW-Hörer nichts vom neuen Radiostandard. Selbst beim Deutschlandradio Kultur etwa, das neben seiner Programmkennung regelmäßig seine Frequenzen ansagt („Überall in Deutschland, in [Stadt] auf [Frequenz]“) erfährt der Hörer nichts vom „Radio der Zukunft“ (Eigenbeschreibung). Natürlich ist die analoge Frequenz gemeint, nirgendwo ein Hinweis auf die parallel bereits stattfindende DAB+-Ausstrahlung, obwohl das Deutschlandradio selbst mit „DRadio Wissen“ einen Sender betreibt, der neben dem Internet nur über DAB+ zu empfangen ist. Man muss fast annehmen, dass das Deutschlandradio selbst kein wirkliches Interesse an der Verbreitung von DAB+ hat.

Wahlschalter für BetriebsmodusZurück zu den Radiorekordern. Ironie an der Geschichte ist, dass „recordern“, also aufnehmen, mit den neuen Radiorekordern nicht mehr funktioniert – allenfalls bei den höherpreisigen Geräten lassen sich CDs auf USB-Stift „rippen“. Radiomitschnitte sind – selbst wenn ein DAB-Tuner verbaut ist – de facto unmöglich geworden, wenn das analoge Kassettenteil fehlt. Ausgerechnet die alte analoge Kassette, die bereits in den 90er Jahren als verstaubt galt und der ein baldiges Ende vorhergesagt wurde, erfreut sich nach wie vor einiger Beliebtheit und manches Neugerät wird immer noch mit integriertem Kassettengerät verkauft. Kassettendecks werden durchaus seltener, sind aber weiter verfügbar. Von aussterbender Technik keine Spur. Ähnlich wird es sich mit analogem Radio verhalten: Neue Techniken kommen hinzu (und verschwinden zwischenzeitlich auch wieder mangels Erfolges), doch die bewährte Technik ist einfach nicht totzukriegen.

Die billigsten Radiorekorder haben CD und UKW-Radio, die etwas besseren auch USB-Anschluss oder Kassettenteil, die teureren Rekorder alles zusammen plus Radiosenderspeicher und digitaler Anzeige mit ID3-Unterstützung, Fernbedienung, Line-in- und Line-out-Buchsen (Kopfhöreranschluss). Nur digitales Radio, das hat nahezu keiner.

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Kommentare


  • Jennifer Rößler (jr) sagt:

    Den richtigen Radiorekorder bzw. die richtige Anlage zu finden, welche den eigenen Ansprüchen entspricht, vor allem, wenn man nicht zu tief in die Tasche greifen will, ist gar nicht so einfach. Hat man endlich eine Anlage gefunden, die alles kann, was man gerne hätte, gibt es nur eine Wurfantenne, ohne die Möglichkeit, eine andere Antenne anzuschließen oder es fehlt der Monoschalter.

    Da bleibt einem leider nur, Abstriche machen, entscheiden, was wichtiger ist oder sich mehrere Geräte nebeneinander stellen.

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