Sprachentwicklung und Störungen

Prüfungsfach: Kleinkindpädagogik

Prüfungsart: mündliche Diplomprüfung (2004)

Benotung: 1,0

Inhalte dieser Seite

  1. Gliederung
  2. Sprachentwicklung im Kontext der Gesamtentwicklung
  3. Übersicht Sprachentwicklung
  4. Sprachstörungen
  5. Literatur
  6. Prüfungsfragen

Meine mündliche Diplomprüfung im Fach Kleinkindpädagogik habe ich zum Thema Sprachentwicklung und Sprachstörungen im Kindesalter abgelegt.
Auf dieser Seite sind neben der Gliederung relative knappe Übersichten zur Sprachentwicklung in den ersten 6 Jahren eines Kindes und Stichworte zu einigen Sprachstörungenzu finden. Außerdem gibt es ein paar Literaturtips und natürlich die Prüfungsfragen (soweit ich mich noch an sie erinnern kann!) 

Bemerkungen zur Zielgruppe: Insgesamt ist diese Seite wohl eher für Studenten geeignet als für Eltern oder andere Kinderbetreuer, die etwas über die kindliche Sprachentwicklung erfahren wollen. Aber für diese habe ich eine weitere Seite  ins Leben gerufen, die sich in ansprechenderer, weniger wissenschaftlicher Weise mit der Sprachentwicklung beschäftigt und ein paar sprachentwicklungsförderliche Verhaltenshinweise gibt.

 

1. Gliederung

Zur Prüfung muss man eine Gliederung mitbringen, aus der hervorgeht, mit welchen Inhalten man sich beschäftigt hat und wie man das Gelernte strukturieren kann. Im Falle dieser Prüfung wurde sogar eine detailliertere Aufführung der Inhalte der einzelnen Gliederungspunkte gewünscht, die sich über ca. 2-3 Seiten erstrecken sollte. In der Prüfung richten sich die Prüfer beim Stellen der Fragen meiner Erfahrung nach weitgehend nach dem Aufbau der Gliederung, obwohl es natürlich immer mal die eine oder andere “überraschende” Frage zu einem anderen Themengebiet zur Einschätzung der Reflexionsfähigkeiten des Prüflings geben kann.

Letztendlich ist es aber schon sinnvoll, sich mit allen auf der Gliederung genannten Themenbereichen auch wirklich auszukennen, bzw. eben genau jene Punkte aufzuführen, mit denen man sich am intensivsten beschäftigt hat.
Aus diesem Grund ist es auch nicht ratsam, meine nachstehende Gliederung zum Thema Sprachstörungen einfach für die eigene Prüfung zu übernehmen!
Die unterstrichenen Gliederungspunkte sind Verweise zu weiter unten auf dieser Seite stehenden genaueren Ausführungen zum jeweiligen Thema.

1. DIE KINDLICHE SPRACHENTWICKLUNG 

  • Sprache und Gesamtentwicklung (der „Sprachbaum“): Umwelt, Gesellschaft, Kultur > sensomotorische Entwicklung, sozial-emotionale Entwicklung, geistige Entwicklung und Reifung > sensomotorische Integration > Sprachverständnis und Sprechfreude > Artikulation, Grammatik und Wortschatz (> Schriftsprache) + Kommunikation + Wärme, Liebe und Akzeptanz  –
  • Ablauf der Sprachentwicklung: Sprachverständnis, Wortschatz, Artikulation und Grammatik in den Phasen: vorsprachliche Entwicklung (bis ca. 1 J.) > Phase der Einwort-Äußerungen (1-1,5 J.) > Phase der Wortschatzexplosion,  Zweiwort-Äußerungen und das erste Fragealter (1,5 –2 J.) > Phase der ungeformten Mehrwortsätze (2-2,5 J.) > Phase der ersten korrekten Sätze und das zweite Fragealter (2,5-3 J.) > Phase der abschließenden Lautentwicklung (3-4 J.) > fehlerfreie Grammatik (ca. 4-6 J.)

 2. SPRACHSTÖRUNGEN 

  • Definition Sprachstörungen: Kind erwirbt oder nutzt das Regelsystem und den Wortbestand seiner Muttersprache nicht altersgemäß; Auffälligkeiten der Sprache oder des Sprechens    
  • Anzeichen gestörter Sprachentwicklung:
    bis 10 Mon.: keine Lautbildung oder ab 7.Mon. keine mehr
    10-18 Mon.: ausbleibende Sprachentwicklung; brabbelt nur wenige Laute und Silbenfolgen; kein Sprachverständnis
    18-24 Mon.: spricht weniger als 10 sinnvolle Wörter
    2-3 Jahre: auffallend gestörte Lautbildung; stark gestörte Satzbildung; ausbleibende Sprachentwicklung außer wenigen stereotyp geäußerten Lautgebilden; näselndes oder heiseres Sprechen
    3-4 Jahre: gestörte Laut- oder Satzbildung; eingeschränkter Wortschatz oder Sprachverständnis; Babysprache; Eigensprache; Sprechverweigerung; Stottern; überhastetes, verwaschenes Sprechen 

2.1. STÖRUNGEN DES SPRECHENS UND DER SPRACHE

2.1.1. Sprachentwicklungsverzögerung (SEV) / Sprachentwicklungsstörung (SES) 

  • SEV: Sprachentwicklung verläuft in allen vier Bereichen zeitlich verzögert (Sprachverständnis, Wortschatz, Artikulation, Grammatik), aber strukturell regelhaft; organische Ursachen wurden ausgeschlossen; Verzögerungen sind in absehbarer Zeit aufholbar  
  • SES:  wie SEV, aber Abweichung von normaler Sprachentwicklung beträgt länger als ½ Jahr oder es besteht eine strukturelle Abweichung; bei organischen Ursachen lautet Diagnose SES
  • Störungsformen in den Bereichen der Sprachentwicklung: 
    • Wortschatzeinschränkung: Wortschatz ist nicht altersgemäß; Anzeichen: hinweisende Ausdrücke, undifferenzierte Wortwahl, Fehlbenennungen, Wortneuschöpfungen, Lautmalereien, Wortfindungsstörungen
    • Sprachverständniseinschränkung: trotz intaktem Gehör versteht Kind viele Äußerungen nicht altersgemäß
    • Dyslalie: Kind kann einzelne Laute oder Lautverbindungen nicht altersgemäß artikulieren; Partielle Dyslalie: 1-3 Laute betroffen; Multiple Dyslalie: 4-6 Laute betroffen; Universelle Dyslalie: nur wenige Laute werden korrekt artikuliert;
      Störungssymptome: Laute werden weggelassen, ersetzt, falsch gebildet oder alle Merkmale treten gemeinsam auf
      Einteilung nach Bedingungshintergrund: sensorische Dyslalie (mangelhafte auditive Wahrnehmung, Verarbeitung und Merkfähigkeit) und motorische Dyslalie (eingeschränkte kinästhetische und taktile Empfindung und Koordination der Zunge im Mundraum und der Lippen)
    • Dysgrammatismus: Kind kann Sätze nicht altersgemäß grammatikalisch gestalten; zeitliche oder qualitative Abweichung vom normalen Verlauf des Erwerbs des sprachlichen Regelsystems
      Störungssymptome: Auslassen von Wörtern, fehlende/ fehlerhafte Form, falsche Wortstellung im Satz
      Schweregrade: Leichter Dysgrammatismus, Mittelschwerer Dysgrammatismus, Schwerer Dysgrammatismus/ Agrammatismus

2.1.2. Alalie

  • Extremform der SES; Ausbleiben der Sprachentwicklung bis zum 3. Lebensjahr

2.2. STÖRUNGEN DES SPRECHABLAUFS

2.2.1. Poltern  

  • überhastetes unregelmäßiges Sprechtempo, verwaschene undeutliche Aussprache (Tachylalie, Repetitionen, Elisionen, Kontaminationen etc.)
  • den Schwierigkeiten, Handlungsabläufe in einer vorgegebenen Abfolge auszuführen liegt umfassende Störung der Wahrnehmung zeitlicher Abfolgen zugrunde 

2.2.2. Stottern

  • zeitweise auftretende, willensunabhängige, situationsabhängige Redeflussstörung
  • Wiederholungen (klonisch); Blockaden, Pressen, Stillstände (tonisch); Verspannungen; Kraftanstrengungen; Dehnungen
  • emotionale Begleiterscheinungen
  • Unterscheidung von physiologischem, beginnendem und chronischem Stottern
  • auch Kommunikationsstörung 

2.3. STÖRUNGEN DER KOMMUNIKATION

2.3.1. Mutismus  

  • Kinder, die Sprache erworben haben und hörfähig sind, sprechen nicht mehr
  • totaler Mutismus
  • elektiver Mutismus
  • Früh- und Spätmutismus
  • Hintergründe des Verhaltens (gelernte Hilflosigkeit, Bindungsunsicherheit, Minderwertigkeit) 

3. URSACHENHYPOTHESEN 

  • multifaktoriell:
    • organische Faktoren
    • genetische Faktoren
    • soziokulturelle Faktoren
    • psychische Faktoren 

4. PÄDAGOGISCHE INTERVENTIONSMÖGLICHKEITEN 

  • allgemeine sprachliche Förderung:
    • Sprachvorbild der Bezugspersonen
    • Spaß am Sprechen fördern
    • zuhören
    • spielerischesAufgreifen der Lautäußerungen trotz Fehlern annehmen
    • Kontakt zum Kind herstellen und halten
    • sich Zeit nehmen zum Spielen
    • Kontakt zu Gleichaltrigen ermöglichen
  • Förderung von Kindern mit Störungen derSprache und des Sprechablaufs:
    • alle zuvor genanntenPunkte
    • Versprachlichung von Handlungen und Gefühlen
    • sprachliches Angebot nachdem Muster “+1”
    • alle Äußerungen unbefangen annehmen
    • Corrective Feedback anwenden
    • kommunikationsförderliches aktives Zuhören mit Reformulierung
    • Entdeckungsdrang fördern
    • Verbündete im Umkreis des Kindes schaffen
  • Hinweisezum Umgang mit sprachgestörten Kindern:
    • nicht kritisieren, bestrafen oder korrigieren
    • nicht nachsprechen lassen
    • keine Anweisungen geben zur Sprachform
    • nicht abfragen
    • nicht unterbrechen
    • keine Babyspracheverwenden
    • Neugier undWissensdurst nicht hemmen
  • Vorstellung einer Übung für das erfahrungsgestützte Lernen von Fachwissen über Sprachentwicklung und Sprachstörungen für die Elterngruppenarbeit oder das Multiplikatorentraining (nach Wendlandt) 

5. LITERATURLISTE

2. Sprachentwicklung im Kontext der Gesamtentwicklung

Die Sprache des Kindes entwickelt sich auf der Grundlage bestimmter Fähigkeiten und kultureller Gegebenheiten. Den Rahmen für alle Spracherwerbsprozesse bilden familiäre Einflüsse und sprachliche Anregungen.

Die folgende Tabelle ist von oben nach unten quasi chronologisch zu lesen:
innerhalb der Gesellschaft, in die das Kind geboren wird, muss es sich sensorisch, emotional und geistig entwickeln, bevor es beginnen kann, Sprache zu erwerben. Voraussetzungen für die aktive Sprachproduktion in Artikulation, Wortschatz und Grammatik wiederum sind Sprachverständnis und Freude an Sprache. Auf einen gelungenen Erstspracherwerb kann dann das erfolgreiche Erlenern der Schriftsprache erfolgen.
Klick auf das folgede Bild öffnet die gesamte Tabelle in einem gesonderten Fenster:

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3. Übersicht Sprachentwicklung

In der folgenden Tabelle – die leider die Breite dieser Webseite sprengen würde und deshalb in eine Extraseite ausgelagert wurde – wird der Ablauf der normalen Sprachentwicklung zwischen der Geburt und 6 Jahren in den Bereichen Sprachverständnis, Wortschatz, Artikulation und Grammatik dargestellt. Die Altersangaben sind als Durchschnittswerte und nicht als starre Normen zu verstehen. Klick auf Bild öffnet neues Fenster!

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4. Sprachstörungen

Die Sprachentwicklungsverzögerung (SEV)

Eine Sprachentwicklungsverzögerung liegt vor, wenn die sprachliche Entwicklung des Kindes auf allen Ebenen verlangsamt verläuft, d.h. es sind sowohl der Wortschatz und das Sprachverständnis, als auch die Artikulation (phonetisch-phonologische Ebene) und die Grammatik (syntaktisch-morphologische Ebene) betroffen (vgl. WENDLANDT 1992, S. 41). Der Störungsgrad der vier Auffälligkeiten kann individuell sehr unterschiedlich ausgeprägt sein; in den meisten Fällen sind die Sprachverständnisleistungen jedoch besser entwickelt als die Sprachproduktionsleistungen (vgl. GRIMM 1998, S. 946).  Die Diagnose der Sprachentwicklungsverzögerung kann nur gestellt werden, wenn organische Ursachen (z.B. frühkindliche Hirnschädigung, Mißbildung der Sprechorgane, Taubheit u.a.) für die Abweichungen im Spracherwerb zuvor ausgeschlossen werden konnten. In allen anderen Fällen ist von einer Sprachentwicklungsstörung zu sprechen (SES), bei der die Sprachentwicklung nicht nur zeitlich, sondern auch strukturell und qualitativ anders verläuft.

Als mitverursachende, bzw. aufrechterhaltende Faktoren einer SEV kommen konstitutionelle (psychomotorische Störungen, Beeinträchtigungen der sensomotorischen Reifeentwicklung hinsichtlich der Wahrnehmungsdifferenzierungsfähigkeit u.a.) und psychosoziale (schlechte sprachliche Vorbilder, Deprivation, ungünstige Familiensituationen, zweisprachige Umwelt, ungünstige räumliche und wirtschaftliche Verhältnisse u.a.) Aspekte in Betracht (vgl. GRUNWALD 1979, S. 16ff.).  

Die einzelnen Symptomkomponenten der SEV im Detail:

Eingeschränkter Wortschatz/Sprachverständnisstörung

Der Wortschatz des sprachentwicklungsverzögerten Kindes kann im Vergleich zu anderen Kindern seiner Altersgruppe zu klein sein. Es kann viele Dinge nicht benennen, die es bereits kennt. Zur Kommunikation verwendet es deshalb häufig hinweisende Ausdrücke („das da“) oder es benutzt für unterschiedliche Dinge denselben Begriff (z.B. „Happa“ sowohl für „Löffel“, als auch für „Kuchen“ und „Brot“) (vgl. WENDLANDT 1992, S. 40f.).

Eine Sprachverständnisstörung zeigt sich darin, dass das Kind die Bedeutung von vielen Wörtern oder Sätzen nicht versteht, die sprachlich unauffällige Kinder problemlos erfassen. Oft können sie sich jedoch im Alltag an der Mimik und Gestik des Gesprächspartners orientieren und finden so heraus, was gemeint ist (Bsp.: Das Kind hat die Tür beim Hereinkommen offen gelassen. Die Mutter sagt: „Mach bitte die Tür zu!“ und deutet dabei auf die Tür oder schaut zu ihr hin.). Aufgrund dieser Tatsache bemerken Eltern die Sprachverständnisschwierigkeiten ihres Kindes häufig nicht und geben bei Befragung durch die Logopädin an, ihr Kind habe ein altersgemäßes Sprachverständnis.  

In der logopädischen Therapie der SEV werden die Wortschatzerweiterung und die Förderung des Sprachverständnisses des Kindes in die übrigen Fördermaßnahmen eingebettet, d.h. es findet kein „Vokabeltrainig“ statt. Zu beachten ist, dass eine Integration der aktiven und passiven Wortschatzerweiterung in den situativen Kontext vorgenommen werden muss, indem ein Gegenstand oder ein emotional ansprechendes Erlebnis mit dem Begriff verbunden und im handelnden Umgang verinnerlicht wird. Des weiteren sollten Begriffe in syntaktisch-morphologische Strukturen eingebettet werden, d.h. neue Wörter sollten in ihrer „natürlichen Umgebung“, dem Satz, eingeführt und benutzt werden. Insgesamt steht also bei der expressiven und rezeptiven Wortschatzerweiterung nicht die echoartige Imitation des Vor- und Nachsprechens im Vordergrund, sondern das gemeinsame Handeln von Kind und Therapeut im kommunikativen Kontext (vgl. GROHNFELDT 1990, S. 87ff.).  

Dyslalie

Als Dyslalie wird eine Störung der Artikulation bezeichnet, bei der einzelne Laute oder Lautverbindungen entweder vom Kind ganz weggelassen werden (Ellision: Sonne > Onne), falsch gebildet werden (Distorsion: rot > chot) oder durch andere ersetzt werden (Substitution: Gabel > Dabel).

Die Dyslalie kann im Rahmen einer SEV auftreten, sie kann aber auch als isoliertes Symptom vorkommen (häufig z.B. in Form des „Lispelns“, dem Sigmatismus), wobei Lautbildungsfehler bis zum Ende des vierten Lebensjahres nicht als pathologisch angesehen werden. Der Therapiebeginn sollte daher zwischen dem vierten und 6. Lebensjahr des Kindes liegen, denn danach erlischt die spontane Rückbildungstendenz der Störung fast vollständig.  

Quantitativ kann die Dyslalie eingeteilt werden in die

  • partielle Dyslalie: einzelne bis wenige Laute (ca. ein bis 3) sind betroffen; die Sprache insgesamt ist gut verständlich,
  • multiple Dyslalie: eine größere Anzahl von Lauten (ca. vier bis 6) ist betroffen; die Verständlichkeit der Sprache ist stärker eingeschränkt,
  • universelle Dyslalie: nur wenige Laute werden korrekt artikuliert, wodurch die Sprache schwer verständlich ist.

In qualitativer Hinsicht wird die Mogilalie (der Laut fehlt, z.B. Asigmatismus: ein  Zischlaut wird nicht gebildet) von der Paralalie (der Laut wird durch einen anderen ersetzt) unterschieden. Bei der Paralalie werden gemäß der Jakobsonschen Regel entwicklungsphonetisch spätere Laute (z.B. /k/, /g/, /f/, /w/, /ch/, /s/, /sch/, /r/) durch frühere ersetzt (z.B. /p/, /b/, /t/, /m/, /n/, /l/, /d/). Parakappazismus bedeutet demnach, dass das Kind anstelle des /k/ einen anderen Laut artikuliert.

Am häufigsten sind die Zischlaute von der Sprachstörung betroffen (/s/, /sch/, /ch1/) sowie die Laute der dritten Artikulationszone (/g/, /k/, /j/, /ch2/, Gaumen-/r/); am seltensten sind die Laute der ersten Artikulationszone (/b/, /w/, /p/, /f/, /d/, /t/, /n/) gestört (Einteilungen und Häufigkeiten nach WIRTH 1983, S. 223ff.).    

Der Lautbildungsstörung liegt häufig eine ungenügende Wahrnehmungs- und Differenzierungsleistung zugrunde. Handelt es sich um eine kinästhetische Differenzierungsschwäche, so ist die Feinmotorik von Lippen und Zunge eingeschränkt und das taktile Empfinden im Mundraum (z.B. hinsichtlich der Position der Zunge) ist herabgesetzt ( motorische Dyslalie). Das Kind kann also seinen Aussprachefehler aus motorischen Gründen nicht selbständig korrigieren. Eine sensorische Dyslalie liegt vor, wenn das Kind eine mangelhafte auditive Wahrnehmung, Verarbeitung und Merkfähigkeit von sprachlichen Lauten aufweist. Das Kind kann in diesem Fall seinen eigenen Artikulationsfehler nicht wahrnehmen, obwohl seine Hörfähigkeit normal ausgeprägt ist. Beide Formen der Dyslalie können kombiniert auftreten und es ist nicht immer eindeutig feststellbar, welchem Dyslalietyp das Kind zuzuordnen ist (vgl. BECKER & BECKER 1993, S. 261f.). Daher wird in der Therapie viel Wert gelegt auf eine allgemeine Sensibilisierung der auditiven und kinästhetischen Perzeption. Zum einen wird die Aufmerksamkeit des Kindes auf Gehörtes gerichtet, die Unterscheidungsfähigkeit von Geräuschen und Sprachlauten geschult und die Merkfähigkeit trainiert. Dazu stehen verschiedenste Übungen und Materialien zur Verfügung. Zum anderen ist die Förderung der Bewegung und Wahrnehmung, insbesondere der Körperteile, die für das Sprechen benötigt werden, Bestandteil einer Sprachtherapie. Dies können unterschiedliche spielerische Bewegungsübungen im Gesichts-Mundbereich sowie allgemeine Schmeck-, Riech- und Tastspiele sein. Sie verbessern die Voraussetzungen für die korrekte Lautbildung, indem das Kind ein sichereres Gespür beispielsweise für die Zungenlage entwickelt und damit zielgerichtete Bewegungen ausführen lernt.

Zudem werden nach verschiedenen Kriterien die von der Dyslalie betroffenen Sprachlaute einzeln ausgewählt, die für eine Weile im Mittelpunkt der Sprachtherapie stehen werden. Je nach Schwerpunkt der Störung geht es dann um die gezielte Anbahnung dieser Laute, ein Training auf Laut-, Wort- und Satzebene, bis schließlich die Anwendung in der Spontansprache des Kindes geübt wird. Spielerisch wird dem Kind die bedeutungsunterscheidende Funktion der Laute vermittelt. Dies erfolgt über sogenannte Minimalpaare, d.h. Wortpaare wie z.B. Tasse – Kasse, die sich nur in einem Laut unterscheiden, dadurch aber bereits eine völlig andere Bedeutung erhalten. Auch die Erweiterung des Wortschatzes fließt in jeden sprachlichen Austausch mit dem Kind ein. Zu beachten ist, dass die konkrete Beschäftigung mit dem Sprachlaut für ein Kind eine abstrakte und langweilige Angelegenheit ist. Daher muss die Arbeit am einzelnen Laut stets in praktische Handlungen und Spiele eingebunden werden, die das Kind motivieren und ihm Freude bereiten (vgl. z.B. BECKER & BECKER 1993, S. 259ff.).  

Dysgrammatismus

Als Dysgrammatismus wird eine zeitliche (Stehenbleiben auf einem früheren Entwicklungsstand) oder qualitative Abweichung (es treten grammatische Strukturen auf, die in der normalen Entwicklung des grammatischen Regelsystems nicht vorkommen) der grammatischen Satz- und Wortbildung bezeichnet. Die Sprache des dysgrammatischen Kindes ist gekennzeichnet durch

  • Auslassungen von Wörtern oder ganzen Satzteilen, die nicht mehr seinem Alter entsprechen, z.B. „Timo Hause“, „Mama Ball“,
  • falsche Stellung der Wörter im Satz, z.B. „Heute nach Hause gehen ich.“,
  • fehlende oder fehlerhafte Form von Worten, z.B. „der Mädchen“, „ich gehen, du machen“, „ich bin gegangt“ (vgl. WENDLANDT 1992, S. 41).

Dysgrammatische Beeinträchtigungen lassen sich in drei Schweregrade einteilen:

  • Leichter Dysgrammatismus: Das Kind kann kurze Sätze richtig nachsprechen. Seine Sprache ist noch gut verständlich, wirkt aber kleinkindhaft. Häufig werden Artikel vertauscht, die Deklination und die Konjugation können fehlerhaft sein. Längere Sätze mit Nebensätzen werden gar nicht oder regelwidrig gebildet (Bsp.: „Die Ball ist rot.“; „Ich essen eine Birne.“; „Wenn ich hause kommen, ich Puppe spielen.“). Im Rahmen einer SEV kommt hauptsächlich diese Form des Dysgrammatismus vor.
  • Mittelschwerer Dysgrammatismus: Auch das Nachsprechen von Sätzen ist dem betroffenen Kind nur begrenzt möglich. Gebildete Sätze überschreiten nur selten eine Länge von fünf Wörtern. Die Sprache des Kindes ist für Fremde schwer verständlich, da kaum grammatische Regeln beachtet werden können. Zu der falschen Satzbildung kommt die fehlerhafte Bildung von Wörtern hinzu (Bsp.: „Geter Bursag haben. Viele Schenke haben.“ >> „Gestern habe ich Geburtstag gehabt. Ich habe viele Geschenke bekommen.”)
  • Schwerer Dysgrammatismus: Das Nachsprechen von Sätzen ist dem betroffenen Kind gar nicht möglich. Es spricht ausschließlich in Ein- oder Zwei-Wort-Äußerungen. Auch einzelne Worte sind sehr verstümmelt, so dass die Sprache für Fremde sehr schwer verständlich ist (Bsp.: „Borta e. Feu auch.“ >> „Ich habe Geburtstag gehabt. Mein Freund war auch da.”) (vgl. GRUNWALD 1979, S. 32).

Wie in der Dyslalietherapie hat auch in der Therapie des Dysgrammatismus die Förderung der Wahrnehmung einen hohen Stellenwert, denn der Anstoß zur Weiterentwicklung der grammatischen Strukturen entsteht über das Feststellen einer Nichtübereinstimmung der eigenen Sprachproduktion mit jener der Umwelt. GROHNFELDT meint dazu, dass „[…] sich das therapeutische Vorgehen zum einen auf die impressiven Basisfunktionen der Sprache richten sollte und erst dann auf die Sprache selbst. Eine ausschließliche Arbeit am sprachpathologischen Symptom ist besonders in diesem Fall [dem Dysgrammatismus] wenig erfolgversprechend.“ (GROHNFELDT 1990, S. 94; Einfügung: M.L.)

In der Therapie sollen außerdem sprachanregende Situationen geschaffen werden, die bestimmte Äußerungen geradezu provozieren, z.B. Rollen- oder Handpuppenspiele, Dialoge am Telefon oder ein Reporterspiel. Spielerische Sprachverständnis- (z.B. in Form von Aufforderungen: „Leg den Löffel auf den Teller.“) und Sprachgedächtnisübungen sowie rhythmisch-melodische Übungen sollen das Kind für sprachliche Strukturen sensibilisieren. GROHNFELDT veranschaulicht in seinem Buch viele Möglichkeiten der therapeutischen Arbeit mit Bildkarten u.ä.(vgl. GROHNFELDT 1990, S. 96ff.).

Literaturnachweis:
BECKER, K. & BECKER, R. (Hrsg.) (1993): Rehabilitative Spracherziehung. – Berlin.
GRIMM, H. (1998): Spezifische Störung der Sprachentwicklung, in: Oerter, Rolf & Montada, Leo: Entwicklungspsychologie. – Weinheim. 
GROHNFELDT, M. (1990): Grundlagen der Therapie bei sprachentwicklungsgestörten Kindern. – Berlin. 
GRUNWALD, A. (1979): Sprachtherapie. Praktische Anleitungen zur Diagnose und Therapie sprachgestörter und entwicklungsbehinderter Kinder. – Hamburg.
WENDLANDT, W. (1992): Sprachstörungen im Kindesalter. Materialien zur Früherkennung und Beratung. Stuttgart.
WIRTH, G. (1983): Sprachstörungen, Sprechstörungen, kindliche Hörstörungen. Lehrbuch für Ärzte, Logopäden und Sprachheilpädagogen. – Köln.

Alalie

Das Kind hört normal, ist kognitiv altersentsprechend entwickelt, hat keine motorischen oder sozialemotionalen Beeinträchtigungen – aber die Sprachentwicklung bleibt bis zum dritten Lebensjahr aus, das Kind spricht nur 2-3 Wörter oder gebraucht immer nur dieselben stereotypen Lautgebilde. Extremform der Sprachentwicklungsstörung.

Poltern

Poltern ist eine Störung des Sprechablaufs, die gekennzeichnet ist durch ein überhastetes, unregelmäßiges Sprechtempo sowie eine verwaschene, undeutliche Aussprache.
Die Symptome im einzelnen:

  • Kontaminationen (Verschmelzungen, Ineinanderziehen von Lauten und Wörtern)
  • Elisionen (Auslassungen von Wortendungen oder Lauten in Wörtern)
  • Tachylalie (Beschleunigung innerhalb längerer Wörter oder Sätze)
  • Umstellungen der Lautabfolge in Wörtern
  • Wiederholungen von Satzteilen oder Wörtern ohne krampfartige Erscheinungen oder Angst, Abbruch von Aussagen

Die Störung liegt nicht im Sprechvorgang wie beim Stottern, sondern in der gedanklichen Vorbereitung der Aussagen in Form eines fehlenden Satzkonzeptes. Eine sprachliche Gestaltungsschwäche liegt zugrunde, die eng mit Schwierigkeiten, Handlungsabläufe in einer bestimmten Reihenfolge auszuführen, verknüpft ist. Die Probleme mit der Wahrnehmung zeitlicher Abfolgen kann sich auf andere Bereiche neben der Sprache ausweiten. Oft liegen auch weitere Spachstörungen vor, wie Dysgrammatismus oder Dyslalie.

5. Literatur

Es folgt eine Liste der Texte, die ich zurPrüfungsvorbereitung nutze und bearbeite. Rechts findet sich jeweils ein kleiner Kommentar zu den Inhalten der Bücher und manchmal eine persönliche ”Nützlichkeitsbewertung”.

Literatur:
Becker, P. & R. (Hrsg.): Rehabilitative Spracherziehung. Berlin 1993. Sehr detaillierte Darstellung der Sprachförderung und Spracherziehung bei unterschiedlichen Störungsbildern (z.B. für hör- und sehgeschädigte Kinder, autistische, mutistische und geistig behinderte Kinder) sowie viele Einzelheiten über die normale Sprachentwicklung; zahlreiche Tabellen und Ausklappseiten; besonders geeignet für Studenten, Logopädieschüler etc.
Braun, O.: Sprachstörungen bei Kindern und Jugendlichen. Stuttgart 2002. sehr wissenschaftlich und ausführlich
Fendrich, B.: Sprachauffälligkeiten im Vorschulalter. München 2000.  
Schoor, U.: Mutismus – eine Kommunikationsbehinderung der Mädchen? in: Die Sprachheilarbeit 40, 4 (1995), S. 215-227.  
Wendlandt, W.: Sprachstörungen im Kindesalter. Stuttgart 2000. Ein Überblicksbuch zum Thema Kinder und Sprache; sehr kurz und knapp gehalten, auch für Eltern geeignet; mit vielen Vorschlägen zur Weitervermittlung des Wissens durch Fachleute an Eltern, Erzieher und Studenten. Wer genaueres über einzelne Sprachstörungen oder die Hintergründe der Sprachentwicklung wissen möchte, braucht auf jeden Fall weitere Literatur.
Wirth, W.: Sprachstörungen, Sprechstörungen, kindliche Hörstörungen. Köln 1983. Ein nicht-didaktisches Lehrbuch 😉 Alle denkbaren Informationen über Sprachstörungen und Co., aber in sehr gestrafftem, medizinischem Stil

6. Prüfungsfragen

Derfolgende Text basiertausschließlich auf meinen eigenen Erfahrungen, die ich in meiner Prüfung zum Thema der Sprachentwicklung und Sprachstörungen gemacht habe. Es werden also keine allgemeingültigen Aussagen über die Prüferin, ihre Notengebung oder ihre Prüfungsfragen getroffen! Prüfungen laufen bei jedem anders ab und werden unterschiedlich empfunden. Auch der Prüfer ist keine “feste Größe”, die in jeder Prüfung zu einem bestimmten Thema dieselben Fragen stellt oder sich gleich verhält.

Diese Prüfung lief sehr angenehm ab. Ich war gut vorbereitet, weil ich mich mit der Kindersprache zur Prüfung nicht das erste Mal beschäftigt habe, sondern mich schon länger etwas auskannte. Daher war es auch nicht so schlimm oder schockierend für mich, als dann doch einige Fragen kamen, die laut meiner Gliederung nicht zu erwarten gewesen wären. Insgesamt war der Schwierigkeitsgrad auf einem mittleren Niveau, d.h., es wurde nicht alles genau so oder in der Reihenfolge gefragt, wie es auf der Gliederung stand und es waren einige überraschendere Aspekte dabei, für deren Beantwortung ich erstmal ein bisschen überlegen musste, dafür aber genügten meistens relativ kurze, überblicksartige Antworten, es wurde also nicht in einzelnen Gebieten “herumgestochert”, sondern von jedem Gliederungspunkt etwas angesprochen. Die Atmosphäre war sehr positiv, was auf jeden Fall hilft ?

Fragen + Themen:

  • Ablauf der Sprachentwicklung relativ ausführlich darstellen – letztendlich wurde dann aber doch nach einigen Phasen quergefragt, weil ich allein darüber sonst stundenlang geredet hätte ? Bedeutsam: erste Wörter (=Substantive, konkret etc.) Wortschatzentwicklung, Ein- bis Mehrwortäußerungen bis zum Zeitpunkt der ersten kompletten Sätze…)
  • Aussage des Sprachbaumes, Verwendungsmöglichkeiten in der Fortbildungsarbeit (Symbol für Ablauf der Sprach- und Gesamtentwicklung, was kann man noch ablesen, geeignet zur Vermittlung von Grundkenntnissen über Zusammenhänge in der Entwicklung…)
  • kleiner (ungeplanter) Exkurs zum Thema Kinder und Schwerhörigkeit – was passiert, wenn Kinder nicht hören können, was kann man dagegen machen…
  • was kann passieren, wenn Kinder nicht auf allen Frequenzen richtig hören können, welche Störung tritt auf (= Dyslalie, Diskriminationsschwäche, Auswirkungen, Störungsbild beschreiben)
  • welche Auffälligkeiten können in Sprachentwicklung auftreten, die Eltern beunruhigen könnten (= altersgemäße Sprechunflüssigkeiten, die wie Stottern wirken, aber normal sind und sich vom Stottern anhand bestimmter Merkmale zuverlässig unterscheiden lassen; Unterscheidungsmöglichkeiten nennen; wahrscheinlich hätte man hier noch die physiologische Dyslalie und den physiologischen Dysgrammatismus nennen können, was mir aber in der Prüfungssituation nicht eingefallen ist 😉 )
  • Alalie
  • Ursachen
  • Störungen des Sprechablaufs (= Stottern und Poltern erklären, Unterschiede)
  • Kinder, die gar nicht sprechen: Unterschied Alalie und Mutismus (= Sprache nicht erlernen können/ nicht erlernt haben vs. psychische Blockade bei erhaltener Sprachfähigkeit), Häufigkeit Mutismus
  • pädagogische Interventionsmöglichkeiten (einige Vorschläge machen, wie sich Eltern, Lehrer, Erzieher im Umgang mit Kleinkindern, bzw. sprachentwicklungsgestörten oder stotternden Kindern sprachlich am besten verhalten können, Bedeutung der Sprechfreude ansprechen)
  • Vorstellung einer Übung aus dem “Wendlandt” zum erfahrungsgestützten Lernen von Fachwissen, was bringt das, wie finde ich das…