Ebay stellt sich gerne als reiner Vermittler zwischen Käufern und Verkäufern dar, der nichts weiter mit den Geschäften der Vertragsparteien zu tun hat – vor allem, wenn Probleme auftauchen (und löscht bestenfalls die Zugänge betrügerischer Verkäufer). Andererseits greift Ebay stellenweise massiv in das Ausgestaltungsverhältnis zwischen den eigentlich Handelnden ein und versucht mit sanftem Druck oder gar zwingend, den Verkäufern die Verkaufsbedingungen zu diktieren: Paypal-„Zwang“ und partielle Versandkostendeckelung heißen die aktuellen Aufreger. Oft gehörtes Schlagwort ist dabei die „Kauferfahrung“. Was klingt, als bekäme jeder Ebaykäufer einen Blumenkranz um den Hals gehängt und schicke Hostessen würden kostenfrei Kaltgetränke reichen, bedeutet in Wirklichkeit: der Käufer soll sich nicht abgezockt fühlen – koste es, was es wolle. Daher verbietet man Verkäufern nun einfach, hohe Versandkosten zu verlangen. Das mag man ganz nach Standpunkt angemessen oder idiotisch finden – doch eines ist definitiver Unsinn: die Versandkostendeckelung mit der „negativen Kauferfahrung“ der Käufer zu begründen.

Gastautor Tom Rader setzt sich vor dem Hintergrund seiner eigenen privaten Verkaufstätigkeit bei Ebay mit der Regelung der Versandkosten durch Ebay auseinander und unternimmt den Versuch, zu erklären, weshalb die Einführung maximaler Versandkosten durch eBay nicht mit der Begründung negativer Kauferfahrung vollzogen werden darf.

Wie alles begann – erster Versandkostenkontakt

Als Student beschloss ich im Jahre 2001 meine finanzielle Situation durch den Verkauf von gebrauchten Dingen, für die ich selbst keine Verwertung mehr hatte, aufzubessern.
Einer meiner ersten Artikel bei Ebay ist mir besonders im Gedächtnis geblieben. Eine uralte AEG-Bohrmaschine aus Gusseisen, die ich von meinem Vater und der sie wiederum von seinem Vater bekommen hatte. Das Gerät war mordsschwer und von der Technik her natürlich veraltet. Aber ich versuchte mein Glück und ich glaube mich zu erinnern, damals noch knapp 40 Deutsche Mark für diesen Dinosaurier erhalten zu haben. Die Artikelbeschreibung, ganz ohne HTML, frei aus dem Bauch heraus mit verhältnismäßig winzigen Bildchen in mit heutzutage nicht zu vergleichender Qualität. Aus anderen Artikelbeschreibung erlernt, schloss ich stets mit dem Satz:
„ebay Gebühren trage ich, Versand der Käufer“. Wirklich Gedanken hatte ich mir damals über den Versand nicht gemacht, Hauptsache der Artikel kam unbeschädigt und in time beim Käufer an.

Die Bohrmaschine passte in keinen in meinem Haushalt vorhandenen Karton, also zerschnitt ich zwei alte Weinkartons und „wickelte“ das Gerät zunächst in den einen Karton und „umwickelte“ das Ganze dann mit dem zweiten Karton, um die Prozedur schließlich in wilden Bahnen mit Packband zu versiegeln. An Hässlichkeit nicht zu überbieten und von der Form her undefinierbar, ähnelte das Paket eher einem riesigen Klumpen gepresstem Papier als einer geeigneten und sicheren Verpackung. Umso erstaunter war ich, als ich meine Bewertung von dem Käufer erhielt, der sich freundlich und ernst gemeint dafür bedankte, dass ich die Bohrmaschine so sicher vor Beschädigungen verpackt hatte.

Hier wurde mir zum ersten Mal klar, dass der Versand eben doch nicht nur „reine Nebensache“, sondern wichtiges Glied in der Kette zwischen Verkäufer und Käufer war. Im Laufe der Jahre verfeinerte ich den Versand und mittlerweile erstehe ich für jeden meiner verkauften Artikel Versandkartons oder -taschen. CD-Versandtaschen für CDs, kleinere Kartons für kleine Artikel und größere Kartons für große Artikel. Darüber hinaus habe ich mir im letzten Jahr einen professionellen Aktenvernichter angeschafft. Natürlich in erster Linie, um meine persönlichen Dokumente zu shreddern. Jedoch war mir bereits beim Kauf klar, dass ich das geshredderte Material prima als sicheres Füllmaterial verwenden könnte. Damit die Sachen durch Papierstaub nicht verschmutzen, werden sie zusätzlich noch in Gefrierbeutel mit Zip-Verschluss verpackt. Das ganze wird – je nach Artikel – dann noch mit einer „Dankeschön-Karte“ versehen.

die Ebay-Versandkostenoptionen

Während sich die Kosten für den Versand bei meinen ersten Artikeln lediglich auf das Porto beschränkte und ich auch meine ersten etwas fachgerechteren Verpackungen nicht in Rechnung stellte, merkte ich sehr bald, dass der finanzielle Aufwand für eine ordnungsgemäße Verpackung nicht selten beträchtliche Summen erreichte. Also fing ich an, den Preis für die Verpackung auf den Käufer umzulegen. Natürlich den Selbstkostenpreis. Sicherlich kann man an dieser Stelle anzweifeln, dass der hohe Verpackungsaufwand gerechtfertigt ist, aber 234 Bewertungen bis heute, davon 100 % positiv und unzählige Danksagungen und Lob für meine Verpackung reichen mir als Beweis dafür, dass ich mit meiner Vorgehensweise richtig liege.

Denn dass es auch anders geht, durfte ich am eigenen Leib – ebenfalls durch einen Kauf über Ebay – erfahren, als ich mir ein beinahe 1500,- Euro teures Nikon-Objektiv bei einem Händler mit Sitz in Hongkong bestellte. Trotz der in der Artikelbeschreibung hohen Verpackungskosten und den nachträglich entstandenen und auch in Aussicht gestellten Zollgebühren war das Gerät immer noch ein Schnäppchen. Und bei über 10.000 Bewertungen und einem Anteil von über 99 % an positiven Bewertungen wagte ich den Kauf. Allerdings frage ich mich heute noch, wie dieses Objektiv den Weg überhaupt unbeschädigt über den Ozean geschafft hatte. Die Verpackung bestand aus einem Karton, der mindestens 20x so groß wie das Objektiv war, der Größe nach einem kleineren Umzugskarton vergleichbar. In diesen wurde das Objektiv in der Originalverpackung ohne jegliche weitere Polsterung hineingelegt und ab ging die Post über Tausende von Kilometern durch unzählige Hände. Hier frage ich mich, ob man nicht vor dem Hintergrund der ohnehin schon hohen Versandkosten nicht noch in einen vernünftigen Karton in der richtigen Größe und etwas Füllmaterial hätte investieren sollen.

Die Regelung der Versandkosten durch eBay

Nun geht Ebay hin und legt fest, dass ab dem 15. Juni 2008 für Artikel aus bestimmten Kategorien nur noch Versandkosten in bestimmter Höhe angesetzt werden dürfen.
Als Begründung führt Ebay an, dass überhöhte Versandkosten besonders oft als Grund für eine negative Kauferfahrung angegeben werden und konstatiert des weiteren, dass besonders in den betroffenen 31 Kategorien Käufer sich bei eBay verstärkt über überhöhte Versandkosten beschwert hätten. Um solche schlechten Kauferfahrungen zu verhindern, führt ebay.de maximale Versandkosten ein, heißt es weiter.

Sinn und Zeck der Regelung ist also diesem Wortlaut zufolge, den Käufer vor schlechten Kauferfahrungen zu schützen. Ob diese Regelung zur Erreichung dieses Zweckes geeignet, erforderlich und angemessen ist, soll im Folgenden beleuchtet werden. Dazu wird zunächst der Versuch unternommen, zu verstehen, warum hohe Versandkosten für den Käufer eine negative Kauferfahrung bedeuten und ob diese Einschätzung durch den Käufer gerechtfertigt ist.

Negative Kauferfahrungen

Ausschlaggebend dafür dürfte in erster Linie natürlich das Bestreben des Käufers sein, die von ihm gewünschte Ware bei gleicher Qualität zum geringstmöglichen Kaufpreis zu erwerben. Ist der gewünschte Kaufgegenstand bei allen Anbietern in der gleichen Qualität vorhanden, wird der Käufer sich für den Verkäufer entscheiden, welcher die Ware zum günstigsten Kaufpreis anbietet, vorausgesetzt dieser hebt sich nicht durch ausgesprochen schlechte Bewertungen von den anderen Anbietern ab. Bieten alle Verkäufer – bei gleichem Bewertungstand – die Ware zum gleichen Preis an, tritt als zweites Kriterium neben den eigentlichen Kaufpreis – die Kosten für den Versand. Über dieses Kriterium werden entweder im Wege einer Negativselektion diejenigen Verkäufer ausgesondert, die durch unangemessen hohe Versandkosten auffallen oder aber im Wege einer Positivselektion diejenigen Verkäufer favorisiert, die sich hinsichtlich der Versandkosten in dem vom Käufer für sich als vertretbar angesehenen Rahmen bewegen. Dabei bleibt dem Käufer im Rahmen der Vertragsfreiheit als Ausfluss der Privatautonomie stets die Freiheit zu entscheiden ob, mit wem und unter welchen Bedingungen er einen Kaufvertrag schließen möchte. Trifft der Käufer im Rahmen seiner Abschluss- und Gestaltungsfreiheit nun seine Wahl und entscheidet sich für den Verkäufer X, so beruht diese Entscheidung demnach auf seinem freien Willen. Anders würde sich dieses nur dann beurteilen lassen, wenn der Verkäufer z.B. eine monopolartige Stellung innehaben würde, der dem Käufer, will dieser die Ware unbedingt käuflich erwerben, rein subjektiv betrachtet keine andere Wahl lässt, als in den sauren Apfel zu beißen und zu den Bedingungen des Verkäufers zu kaufen. Eine derartige monopolartige Stellung wird jedoch in den meisten Fällen nicht vorliegen, so dass dem Erwerbswilligen stets die Wahl bleibt.

Wie jedoch ist vor diesem Hintergrund eine negative Kauferfahrung aufgrund zu hoher Versandkosten überhaupt zu erklären? Was genau hat der Käufer erfahren und weshalb wird dieser Umstand von ihm negativ bewertet? Ist eine derartige Negativbewertung überhaupt zulässig? Die Rechtsfolge aus dem vom Käufer abgeschlossenen Kaufvertrag ist – und so steht es im Gesetz –, dass der Käufer die Ware übergeben (im Falle von Ebay normalerweise: geliefert) und übereignet bekommt und er dafür den vereinbarten Kaufpreis zahlt. Vereinbart wurde zwischen den Parteien aber auch, dass der Käufer die Kosten für den Versand in der angegebenen Höhe zahlt. Die Kauferfahrung besteht also darin, die bestellte Ware gegen Zahlung des vereinbarten Kaufpreises inklusive der vereinbarten Versandkosten zu erhalten. Wird nun die Kauferfahrung wegen hoher Versandkosten als negativ bewertet, stellt sich zunächst die Frage, warum der Käufer den Kaufvertrag überhaupt erst abgeschlossen hat. Denn er war sich der hohen Versandkosten doch bereits im Vorfeld bewusst und hat trotzdem gehandelt. Wie kann es zu einer Übereinkunft im Sinne eines Kaufvertrages zwischen Verkäufer und Käufer kommen, wenn doch die eine Partei mit den Bedingungen überhaupt nicht einverstanden ist, weil sie von ihr negativ bewertet werden?

Auch diese Antwort ergibt sich aus dem Gesetz. Denn werden sich Verkäufer und Käufer über einen wesentlichen Umstand, der zumindest nach dem Willen auch nur einer Partei Bestandteil des Kaufvertrages werden soll, nicht einig, so kommt ein Kaufvertrag überhaupt nicht erste zu Stande. Der Käufer verhält sich demnach in höchstem Maße widersprüchlich, wenn er auf der einen Seite einen Kaufvertrag abschließt und dabei die Bedingungen des Verkäufers akzeptiert, andererseits aber die Erfahrung mit dem Kaufvertrag als negativ bewertet, obwohl er es selbst in der Hand hatte, den Kaufvertrag gar nicht erst abzuschließen.Daraus folgt, dass, wenn man es zulassen würde, der Käufer seinen Kauf als negativ bewertet, weil ihm die von ihm akzeptierten und damit zum Bestandteil des Kaufvertrages gewordenen Versandkosten subjektiv als zu hoch erscheinen, sich die schwerwiegende Konsequenz ergäbe, dass der Käufer es im Umkehrschluss auch in der Hand hätte, den Kauf negativ zu bewerten, weil ihm der eigentliche Kaufpreis (hier also ohne die Versandkosten) zu hoch ist. Auf eine derart wahnwitzige Idee ist jedoch bis heute noch kein Käufer gekommen. Denn in diesem Fall wäre selbst der Kauf eines Brötchens als negativ zu bewerten, weil wohl niemand glücklich darüber ist, dass ein Brötchen heute mehr als das 10-fache des Preises kostet als noch vor zwanzig Jahren.

Festzuhalten bleibt demnach, dass die Einführung maximaler Versandkosten nicht auf die negative Kauferfahrung des Käufers gestützt werden darf, wenn und weil der Käufer seine negative Kauferfahrung darauf stützt, dass er einen Gegenstand selbstautonom und zu den von ihm akzeptierten Bedingungen erwirbt. Dass selbst unser guter Gesetzgeber davon ausgeht, dass man sich hinterher nicht über einen Umstand beschweren darf, den man bereits bei Vertragsschluss kannte, macht er unzweifelhaft durch § 442 BGB deutlich, indem er dem Käufer einer Sache die Sachmängelrechte verweigert, wenn der Käufer den Mangel der Sache bei Vertragsschluss kannte.

Wird Ebay nun demnächst durch die Einführung einer „maximalen Beschädigungsregelung“ auch den Versuch unternehmen, denjenigen Käufer zu schützen, der eine als beschädigt und somit als mangelhaft ausgewiesene Sache kauft und seinen Kauf deshalb als negativ bewertet, weil die Sache beschädigt ist? Wir werden sehen…

[Der Artikel wird fortgesetzt.]
Artikelende

Kontaktieren Sie den Autor direkt: versandkosten@herr-tom.eu

siehe auch:
Die eine Hand weiß nicht, was die andere tut?
Axel Gronen sieht Widersprüche der neuen Regelungen zu den Paypal-Bedingungen

„Warum macht eBay das?“
Ebay erklärt sich selbst

Mehr zum Thema Internetauktionen auch im
Dossier „Ebay“

Kommentare


  • mspas sagt:

    Danke!
    Es war sehr interessant.
    Werde meine Leser auf das Artikel aufmerksam machen!

    grüße
    mspas

  • witchlett sagt:

    Hallo,
    wie Sie sicherlich verfolgt haben, sind in verschiedenen Kategorien bei eBay als erste Versandart nur noch kostenlose Versand möglich.
    Vielleicht möchten Sie dazu noch einen kleinen Artikel auf Ihre Seite stellen.
    Ich persönlich glaube ja, dass es eBay nicht um den Käuferschutz geht sondern viel mehr darum noch mehr Gebühren aus den Verkäufern heraus zu pressen.

    Fraglich ob es was bringen würde die Vorgehensweise von eBay beim Verbraucherschutz anzeigen?

    Gruß

  • […] http://www.knetfeder.de/magazin/2008/internet/die-rechtfertigung-der-einfuhrung-maximaler-versandkos… CD – Versandtaschen für CDs, kleinere Kartons für kleine Artikel und größere Kartons für große Artikel. Darüber hinaus habe ich mir im letzten Jahr einen professionellen Aktenvernichter angeschafft. Natürlich in erster Linie, … […]

  • […] Die Rechtfertigung der Einführung maximaler Versandkosten durch Ebay. Eine kritische Würdigung der… Mehr zum Thema Internetauktionen auch im Dossier „Ebay“ […]

  • Ebay Käuferin sagt:

    Ich bin regelmäßige Verkäuferin bei eBay und auf diesen Blog gestoßen um herauszufinden, warum ich immer wieder mit Verkäufern konfrontiert werde, die Versandkosten berechnen, die aus meiner Sicht überhöht sind.

    Warum ich dann überhaupt biete? 1. weil ich denke, der Versand der Ware kostet tatsächlich soviel. Die „Enttäuschung“ tritt dann ein, wenn etwas dann als Brief und nicht als Päckchen verschickt wird, obwohl ich 4 Euro Versandkosten gezahlt habe. 2. sind Versandkosten für mich – auch wenn ich als Verkäuferin agiere – verhandelbar. Ich frage oft beim Verkäufer nach, ob der diese oder jene günstigere Versandart wählen könnte, und die meisten gehen darauf ein. Ich musste erst aus Erfahrung lernen, dass es für viele andere Verkäufer eben nicht so ist und dann bin ich eben frustriert.

    Versand ist nun mal nicht Teil des Kaufpreises. Der sonstige Online-Handel, zB Amazon etc, berechnet auch nur das Porto. Jeder Kaufmann muss durch den Gewinn seiner Ware die Kosten decken.

    Käufer in der Online-Welt sind es nun mal gewohnt, nur das Porto berechnet zu bekommen, und ich glaube die negative Kauferfahrung könnte nur vermieden werden, wenn der Verkäufer in seiner Auktionsbeschreibung deutlich dazu schreibt, dass die Versandkosten fix sind und höher als das Porto, da er noch dieses oder jenes dazu berechnet.

  • just click the up coming internet page sagt:

    just click the up coming internet page…

    blog topic…

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