Die Marketingkampagne, die ARD und ZDF derzeit zum Start der neuen Rundfunkgebühr fahren, läuft unter dem Stichwort „Einfachheit“. Einfach statt kompliziert. Doch einfacher heißt in diesem Falle wie so oft auch ungerechter. Die niedrigere Gebühr für reinen Radio- oder „Internetempfang“ wird für Privathaushalte abgeschafft, und auch wer weder Radio, Fernseher noch Internet in der Wohnung hat, muss künftig bezahlen. Die Rundfunkgebühr in Deutschland wird endgültig zur Zwangsabgabe.
Dieser Tage laufen Kampagnen zur Einführung der neuen Rundfunkabgabe, zum Beispiel im Radio. Hier hört man in einer Variante einen Schausteller auf dem Rummelplatz, der für sein Fahrgeschäft Dutzende von Preisen nennt: für Alte, Junge, Kleinwüchsige, usw. Diese Art von Spot wird variiert und existiert in verschiedenen Motiven, doch am Ende läuft es immer auf dieselbe eine Pointe hinaus: Einfacher ist besser, nur ein Rundfunkbeitrag für alle ist die bessere Lösung.
Das Marketing tut gut daran, nur auf die Einfachheit abzustellen und den Rest gar nicht erst zu thematisieren, denn dann müsste man von einem Jahrmarkt erzählen, auf dem die Fahrt mit dem Kettenkarussell nicht mehr 3, sondern 10 Euro kostet und außerdem auch alle bezahlen müssten, die gar nicht mit dem Karussell fahren, ja nicht einmal den Rummelplatz besuchen. Und auch das mit der Einfachheit hat so seinen Haken, denn so einfach und übersichtlich, wie man sich vielleicht vorstellen mag, wird das neue Rundfunkgebührenmodell keinesfalls. Es ändert sich lediglich der Anknüpfungspunkt für die Gebührenpflicht. Das hat zur Folge, dass es für Privathaushalte in der Regel übersichtlicher wird, für Firmen bleibt es aber kompliziert. Und auch die nun auf Haushalte statt auf Geräte abstellende Gebührenpflicht kennt weiterhin Ausnahmeregelungen. Im Ergebnis wird es damit vor allem für die Verwaltung einfacher, die Gebühren einzutreiben – für die Rundfunknutzer wird es dagegen meist nur teurer.
Das neue Gebührenmodell
Die Grundlagen für die Gebührenpflicht in Deutschland zur Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks ändern sich fundamental. War die Pflicht zur Entrichtung von Rundfunkgebühren bislang strikt an das Vorhandensein von Rundfunkgeräten gekoppelt, spielt der tatsächliche Besitz von Unterhaltungselektronik in Zukunft keine Rolle mehr. Auch wer keinen Fernseher und nicht einmal ein Radio besitzt, ist ab dem 1. Januar 2013 zur Zahlung der Rundfunkgebühr verpflichtet. Auch die Differenzierung zwischen Radio/Computer und Fernseher entfällt vollständig.
Noch unbeliebter als Rechnungen: Post von der GEZ zur Geräteanmeldung
Dass sich die Rundfunkgebühr einmal in diese Richtung entwickeln würde, konnte man bereits an den Anpassungen der letzten Jahre ablesen, als die Gerätegebundenheit aufgeweicht wurde, als man am 1. Januar 2007 internetfähige Geräte kurzerhand zu Rundfunkempfängern („neuartige Rundfunkempfangsgeräte“) deklarierte. Dass derlei Geräte den technischen Prinzipien entsprechend keinerlei Rundfunk empfingen, sondern allenfalls die über Rundfunk verbreiteten Inhalte ebenfalls abrufen konnten, spielte dabei keine Rolle. Bereits die Ausweitung der Gebührenpflicht auf „internetfähige PCs“ rief Proteste und Klagen hervor und hat so ziemlich alle Sympathien, die das Rundfunkgebührensystem vielleicht noch gehabt haben könnte, endgültig verspielt.
Selbst wer seinen PC nie zum Fernsehen oder Radiohören nutzte, war seit 2007 zum Adressaten der Gebührenpflicht geworden. Sogar das Vorhandensein eines internetfähigen Handys reichte nun, um Rundfunkteilnehmer zu sein. Spötter behaupteten damals, dass es ausreichen würde, wenn die Tagesschau auch am Telefon vorgelesen werden würde, um eine Gebührenpflicht für Festnetztelefone auszulösen – womit sie prinzipiell nicht ganz Unrecht hatten. Immerhin wurde für Computer und Telefone nur der geringe Beitrag für den Empfang von Radioprogrammen berechnet, nicht der TV-Tarif.
Mit dieser absurden Konstruktion ist nun Schluss. Künftig ist die Gebührenpflicht an das Bestehen eines Haushaltes oder einer Firma geknüpft. Für das Vorhandensein von Empfangsgeräten interessiert sich künftig niemand mehr. Einfacher (zu kontrollieren) ist dies mit Sicherheit, aber die Gerechtigkeit wird dafür gleich mitgeopfert. Denn mit dem neuen Gebührenmodell wird ausnahmslos jeder gebührenpflichtig, der irgendwo seine vier Wände unterhält. Ob in diesen dann tatsächlich Radio, Fernseher oder PC stehen, ist nicht mehr relevant. Auch Nichtnutzer des öffentlich-rechtlichen Rundfunks werden somit künftig zur Kasse gebeten.
Faktisch handelt es sich damit bei der neuen Rundfunkgebühr um eine Art Steuer, da nunmehr alle ohne Rücksicht auf tatsächliche Nachfrage oder Nutzung davon betroffen sind. Da hilft es auch nichts, wenn inhaltlich falsche, aber beschönigende Begriffe wie „Beitrag“ verwendet werden.
Künftig werden Beiträge geBAZt statt Gebühren GEZahlt
Dass damit auch das Bürokratiemonster GEZ abgeschafft wird, diese Hoffnung der Bundesbürger erfüllt sich nicht. Im Gegenteil, die Kapazitäten der Gebühreneinzugsstelle werden zunächst einmal ausgeweitet. Zwar müssen künftig GEZ-Fahnder nicht mehr einzeln nach unangemeldeten Geräten fahnden, aber wem welche Wohnung gehört und wie viele Mitarbeiter in welcher Firma arbeiten, das muss auch weiterhin überprüft werden. Die Umstellung auf das neue Gebührenmodell verschafft den Mitarbeitern also erst einmal eine Menge mehr Arbeit, erfordert neue Arbeitsplätze in der Verwaltung und kostet wiederum Millionen.
Bald Geschichte: die alte GEZ
Eingerechnet ein neues Firmenschild in Köln, denn geändert wird mit der Umstellung auch der Name der GEZ. Diese hatte zuletzt im verwendeten Logo einen markanten Punkt, wohl einen Schlusspunkt: aus der beamtendeutsch klingenden „Gebühreneinzugszentrale“ wird nun der noch bürokratischer klingende „Beitragsservice von ARD, ZDF und Deutschlandradio“. BAZ statt GEZ. Oder BtSvAZuD. Hinter den Kulissen der euphemistischen Umfirmierung ändert sich aufgabentechnisch jedoch nichts, der Beitragsservice bleibt inhaltlich die altbekannte GEZ. Das schlechte Image mit dem Namen gleich mitabzustreifen, das wird auch dem neuen Beitragsservice kaum gelingen, da hilft keine Aufwertung durch positiver klingendes Vokabular. Falls die Deutschen den Begriff überhaupt annehmen werden.
Mehr Geld bei abnehmender Bedeutung
Mit dem neuen Gebührenmodell wird der öffentlich-rechtliche Rundfunk zukunftssicher gemacht. Die Nutzer, die ARD und ZDF allenfalls noch über Mediatheken und Videochannels nutzen, rücken wieder in den Fokus der Finanzierung. Das Verständnis gerade der jungen Generation hierfür tendiert jedoch gegen Null. Für staatlichen Rundfunk, der im Radio oft nicht einmal werbefrei ist und auf Youtube nur ein Kanal unter Millionen, jeden Monat wieder Gebühren entrichten zu müssen, das stößt auf wenig Akzeptanz. Bislang hat sich diese Klientel ordnungswidrig der Zahlungspflicht oft einfach durch Ignoranz entzogen, doch der große Aufschrei wird 2013 kommen, wenn dies nun nicht mehr so einfach gelingt.
Für etwas zahlen zu müssen, was überhaupt nicht genutzt wird, war schon den ARD- und ZDF-Totalverweigerern verhasst, die es am liebsten gesehen hätten, wenn die Öffentlich-rechtlichen nur verschlüsselt zu empfangen gewesen wären. Mit der Einführung des Begriffes der „neuartigen Rundfunkgeräte“ wuchs diese Gruppe bereits deutlich an. In Zukunft wird es noch schwieriger sein, den Leuten zu erklären, für etwas zahlen zu müssen, was sie gar nicht bestellt haben. Für eine Dienstleistung, die gerade die junge Generation kaum noch nutzt. Klassisches Radio ist auf dem absteigenden Ast, und im Internet sind die Öffentlich-rechtlichen ein Tropfen im Ozean. Fernsehen verliert ebenfalls seit Jahren an Bedeutung für das Leben der Menschen. Vor einiger Zeit noch undenkbar, unterhalten heute die öffentlich-rechtlichen Sender „Kanäle“ bei Youtube, um überhaupt noch die jüngeren Zielgruppen zu erreichen.
Gerechter werden dürfte es trotz dieser Ungerechtigkeit im Gesamten betrachtet dennoch, denn die vielen GEZ-Ignorierer im Lande werden bald nur noch schwer um die Gebühr herumkommen können. Die Rundfunkanstalten der Länder können darauf hoffen, künftig wieder mehr finanzielle Mittel zur Verfügung zu haben als bisher, gerade Länder wie etwa Berlin, in denen die Zahlungsmoral für öffentlich-rechtlichen Rundfunk besonders drastisch leidet, wird es freuen. Es werden wieder alle gleichermaßen zahlen, auch wenn alle das öffentlich-rechtliche Angebot ganz unterschiedlich nutzen. Denn faktisch dürfte es in keinem normalen Haushalt überhaupt keine Rundfunkempfänger geben. Ein Uhrenradio hat jeder irgendwo herumstehen, selbst wenn es nicht als solches genutzt wird. Und das Internet ist ebenfalls inzwischen so gut wie überall.
Jeder hat normalerweise irgendwie Zugang zu Radio und Fernsehen. Alles andere wäre lebensfremd. Die Annahme, dass grundsätzlich auch jeder bezahlen muss, ist daher zunächst richtig. Aber es besteht nun nicht mehr die Möglichkeit, sich dem öffentlich-rechtlichen Medienkonsum zu verweigern – zumindest finanziell. Wer es darauf anlegte, konnte bisher alle seine Geräte abmelden oder darauf achten, sich keine anzuschaffen, auch wenn die GEZ es einem dabei nicht leicht machte. Diese Form der bewussten Nichtmediennutzung wird es künftig nicht mehr geben. Auch die konsequenten Nichtnutzer werden zur Kasse gebeten.
Der neue Beitragsservice: Abmelden nicht mehr möglich.
Immerhin fällt nun das Problem weg, dass die GEZ Abmeldungen nicht anerkennt – denn Abmeldungen sind schlicht nicht vorgesehen. Der einzige entsprechende Punkt auf der Serviceseite lautet schlicht „Anmelden und Ändern“.
AnGEZählt
Bleibt noch die Höhe der Rundfunkgebühren. Zum 1. Januar 2013 wird nicht mehr unterschieden zwischen Radio- und Fernsehempfang. Es gibt nur noch einen Beitrag für alle Privathaushalte – natürlich den höheren für den Fernsehempfang, derzeit knapp 18 Euro. Allein Firmenkunden zahlen noch einen gestaffelten Beitrag, bemessen nach der Mitarbeiter- und Fahrzeuganzahl. Bei bis zu 8 Mitarbeitern und ohne Fuhrpark etwa bleibt es beim „Radiotarif“ von knapp 6 Euro, auch wenn Fernseher vorhanden sind. Dafür zahlen nun auch diejenigen Firmen, in denen die Angestellten bislang konsequent arbeiteten und nicht fernsahen oder Radio hörten. Drastisch teurer wird es für größere Betriebe, hier können die Rundfunkbeiträge in die Tausende gehen. Gewerbetreibende in den eigenen vier Wänden ohne Büro- oder Geschäftsräume können dafür aufatmen: sie brauchen keinen zweiten Gebührenbeitrag zu bezahlen, wenn sie bereits die Haushaltsabgabe entrichten. Nur wer zusätzlich auch ein Fahrzeug gewerblich nutzt, greift nochmals in die Tasche und zahlt die Mindestgebühr für Firmen zusätzlich.
Für all diejenigen, die bislang nur den Radiobeitrag gezahlt haben, weil sie schlicht kein Fernsehgerät mehr besaßen, sind nun also mit einer Verdreifachung der Gebühren konfrontiert. Einfach, aber ungerecht. Für Hartz-IV-Empfänger immerhin ändert sich nichts, Empfänger von staatlicher Unterstützung können sich auch weiterhin von der Gebühr befreien lassen. Das gilt auch für BAföG-Bezieher. Nicht mehr um die Gebühr herum kommen nun jedoch Behinderte; sie kommen aber bei Antrag in den Genuss einer Beitragsreduzierung. Blinde müssen künftig für Fernsehen zahlen, Gehörlose finanzieren das Radio. Weshalb allein taubblinde Menschen sich von der Gebühr komplett befreien lassen können, ist nicht logisch erklärbar.
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Ein Auslaufmodell?
Dazu kommt, dass öffentlich-rechtlicher Rundfunk in Deutschland schlicht als zu teuer empfunden wird, nicht nur von Geringverdienern, bei denen die monatliche Gebühr ein schmerzliches Loch in die Haushaltskasse reißt. Das Fernsehen hat in den letzten Jahren einen Bedeutungsverlust erfahren, es muss sich seinen Platz heute mit dem Internet teilen, das in Sachen Information und Unterhaltung einen vergleichbaren Stellenwert einnimmt oder sogar weit über den des Fernsehens hinausgeht. Dabei sind die Rundfunkgebühren nicht gesunken, im Gegenteil, die Öffentlich-rechtlichen versuchen mitzuhalten, bauen ihr Angebot immer weiter aus und versuchen auch im Internet mit Angeboten abseits von rein programmbegleitender Information zu einer eigenen Existenzberechtigung zu finden. Aus den einstigen beiden Hauptprogrammen samt dritten Programmen im Fernsehen ist ein umfassenderes Angebot mit einer Vielzahl von Spartenprogrammen geworden – ein Angebot, das bezahlt werden will. Die Wut dürfte wachsen, nun ausnahmslos zur Querfinanzierung des deutschen Profifußballes gezwungen zu sein und wahnwitzige Gehälter von Starmoderatoren zu ermöglichen.
Sieht man sich die oft als Vorbild für das deutsche Rundfunksystem zitierte BBC an, dann fällt auf, dass die BBC für ein vergleichbares Angebot (diverse Haupt- und Spartensender und Dutzende Radioprogramme) mit weniger Mitteln auszukommen scheint, und das sogar bei weniger Beitragszahlern. Umgerechnet knapp 13 Euro beträgt die Rundfunkgebühr in Großbritannien, die nicht nur weiterhin zwischen Radio und Fernsehen differenziert (und Radio dabei nicht gebührenpflichtig ist), sondern sogar als schöner Anachronismus zwischen Farb- und Schwarz/Weiß-Fernsehern. Werbefrei, versteht sich.
Wenn man es wirklich auf Einfachheit bei der Finanzierung anlegt, dann bleibt unverständlich, wieso unter Einsparung des GEZ-Verwaltungsapparates der staatliche Rundfunk nicht direkt aus Steuermitteln finanziert wird, wie es in anderen Ländern der Fall ist. Was sich historisch noch plausibel begründen lässt, ist in der Realität immer weniger nachvollziehbar, trotz föderaler Struktur. Den schwarzen Peter wird im Volksbewusstsein mal wieder „die Politik“ bekommen, für eine Rundfunkpolitik, die sich gegen die Geldbeutel und Interessen der Bürger richtet.
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