DAB+ schwächelt weiterhin. Das Digitalradio macht auch im Jahre 2014 keine besonders gute Figur. Der Käufer eines Neugeräts hat bei UKW weiterhin das bessere Preis-Leistungs-Verhältnis und bei WLAN-Geräten die größere Vielfalt und Qualität. Ein Zwischenstand zur Verbreitung von DAB+ in Deutschland.
Nächstes Jahr wäre es so weit gewesen. Ende 2015 sollte das UKW-Radio in Deutschland nach den ursprünglichen Plänen Geschichte sein. Das Datum, das für die Abschaltung des analogen terrestrischen Rundfunks bereits im Gesetzentwurf stand, wurde 2011 wieder gestrichen – weil es sich als illusorisch entpuppte. Nun sind weitere 3 Jahre ins Land gegangen, und wir werfen einen Blick darauf, wie sich das Digitalradio weiterentwickelt hat.
Zweieinhalb Jahre DAB+
Ab August 2011 ging der Neustart des Digitalradios unter dem Namen DAB+ auf Sendung, nachdem der Vorläufer, DAB (ohne Plus), praktisch unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattgefunden hatte. Etwa 10 Jahre hatte das alte DAB Zeit gehabt, sich in Deutschland zu etablieren – und war mangels Interesse der Hörerschaft, geringer Beteiligung der Sender und nicht existierendem Marketing still und leise versandet. Während Digitalradio in anderen europäischen Ländern längst zum Erfolg geworden ist, hören die Deutschen Radio über Antenne weiterhin wie vor 60 Jahren. Insofern hätte DAB+ durchaus noch eine Galgenfrist – doch die Zeit arbeitet gegen es. Die Radioverbreitung über Internet wird immer populärer, WLAN-Radios erfreuen sich wachsender Beliebtheit, und auch der mobile Internetempfang ist schon jetzt Normalität und wird weiter ausgebaut.
Gerätesituation
Die Lage in den Elektronikmärkten sieht für DAB+ gar nicht mal so schlecht aus. Die Auswahl ist ordentlich und die Preise werden erschwinglicher. Allerdings werden auch weiterhin reine UKW-Geräte verkauft – zu einem Spottpreis, vergleichbar mit den Beträgen, die der Kunde für DAB-+-fähige Geräte aufwenden muss. Außerdem rücken den DAB-Geräten die internetfähigen Radios auf die Pelle. Ein ganzes Regal ist für die netzwerkfähigen Rundfunkgeräte reserviert, ein weiteres teilen sich DAB- und UKW-Geräte, so sieht die Situation in vielen Geschäften aus. Das große Geld lockt bei den Internetradios, der preisbewusste Käufer wird mit UKW bedient – und DAB+ verliert sich irgendwo in der Mitte.
Fatal für die DAB-Geräte ist jedoch, dass in den großen fensterlosen Märkten praktisch kein DAB-Empfang möglich ist. Die Verkäufer behelfen sich mit einem Trick, indem sie die ausgestellten DAB-fähigen Radios einfach in den UKW-Modus schalten – auf die Gefahr hin, dass Opa Heinz denkt: „Na toll, das rauscht ja auch!“
Man muss konstatieren, dass sich Verbraucher ein DAB-Radio eher zufällig zu kaufen scheinen, geleitet von Form und Farbe, um erst hinterher festzustellen, dass es sich (auch) um ein Digitalradio handelt. Einen echten Anreiz, sich ein DAB-Radio zuzulegen, besteht weiterhin nicht. Die bekannten Umstände existieren nach wie vor, die Nachteile überwiegen oft die Vorteile.
Unterm Strich ist DAB+ aktuell ein System unter mehreren – aber nicht eindeutig erkennbar als Nachfolger positioniert für UKW, und noch immer kein Grund, weswegen Käufer die Elektronikgeschäfte stürmen würden. Wer Radio hören will, bekommt bei UKW mehr Leistung und mit WLAN mehr Vielfalt und Qualität fürs Geld. Beim Neuwagenkauf sieht es ähnlich düster aus, manche Autohändler raten sogar vom – aufpreispflichtigen – Einbau eines DAB-Radios ab, da sich das System sowieso nicht durchsetzen würde.
Sendersituation
Schwache Sendeleistung, überschaubare Senderanzahl und keine bundesweite Verfügbarkeit, das sind die Knackpunkte auf Senderseite.
Die Vorstellung, dass mit DAB+ endlich viel mehr Sender ausgestrahlt werden als mit UKW, hat sich bislang nicht erfüllt. Es sind die üblichen Verdächtigen, die nur landesweit über DAB+ empfangbar sind, ergänzt um eine Handvoll bundesweit empfangbarer Sender. Die Vielfalt gerade in den Metropolen erhöht sich gegenüber UKW kaum. Ein Szenario, gar bundesweit alle öffentlich-rechtlichen Sender empfangen zu können, bleibt frommer Wunsch, Radio ist auch auf digital-terrestrischem Wege eine primär regionale Veranstaltung.
In manchen Regionen ist es zudem immer noch nicht verfügbar, vor allem im Nordosten und Nordwesten Deutschlands bestehen weiße Flecken auf der Landkarte. Im ländlichen Bereich ist DAB-Empfang Glückssache, auf Bundesautobahnen der Empfang nicht immer gewährleistet, und selbst in Ballungsgebieten muss man das Radio oft in Fensternähe stellen, um etwas zu hören.
Als Alarmsignal kann gelten, dass sich die ersten Privatsender bereits wieder von DAB+ verabschieden. Aktuell stellt KISS FM die DAB-Plus-Ausstrahlung zum April ein, gesendet wird nur noch lokal über UKW und übers Internet. Das Fußballradio 90elf ist schon länger eingestellt, derzeit gibt es Fußballübertragungen lediglich als Programmfenster von Radio Energy via DAB+.
DAB+ erweckt derzeit zu Recht den Eindruck eines künstlich am Leben erhaltenen, mit Gebührengeldern hochgepäppelten Systems, für das keine echte Nachfrage existiert, das ein Refugium der öffentlich-rechtlichen Sender bildet. DRadio Wissen und Evangeliumsrundfunk sind nicht die Zugpferde, die die Massen zum Kauf eines DAB-Radios motivieren.
Finanzierungssituation
Die KEF, die Kommission, die über die Verwendung der Rundfunkgebührengelder in Deutschland wacht, hat die Gelder bis 2016 freigegeben, fürs Erste ist die Zukunft von DAB+ damit gesichert. Die ARD-Anstalten haben z.B. für das Jahr 2014 33,7 Millionen Euro für die terrestrische Radioausstrahlung zur Verfügung, davon entfallen bislang jedoch lediglich 6.4 Millionen auf DAB+. Beim Deutschlandradio sieht das Verhältnis ähnlich aus.
Die Finanzierung nach 2016 ist allerdings an Bedingungen geknüpft. Die KEF hat den Öffentlich-Rechtlichen die Pistole auf die Brust gesetzt: Zur nächsten Anmeldung des Finanzbedarfs hat die ARD einen Abschalttermin für UKW zu nennen, sonst werden die beantragten Mittel für DAB+ nicht freigegeben. Dauerhafter Parallelbetrieb von UKW und Digitalradio ist dem Gebührenzahler nicht zuzumuten, da unwirtschaftlich. Es wird also alsbald ein neuer UKW-Abschalttermin für analogen Rundfunk kursieren. Dabei geht es jedoch nur darum, weitere Gelder bewilligt zu bekommen. Scheitern kann DAB+ trotzdem immer noch. Auch die Nennung eines UKW-Abschalttermins bedeutet nicht, dass dieser auch eingehalten werden kann. Haben die Radiohörer auch in den nächsten Jahren weiterhin keine DAB-Radios in den Küchen und KFZ-Konsolen, dann wird auch dieser Abschalttermin wieder Makulatur.
Es bleiben zwei Szenarien: Alles bleibt beim Alten mit UKW, und die ARD setzt ebenso wie die Privaten verstärkt aufs Internet – und die Gelder für DAB+ werden früher oder später gestrichen. Oder die Öffentlich-Rechtlichen forcieren den Umstieg auf DAB+, was in Anbetracht des Mauerns der Privatsender und der geringen Nachfrage der Hörer ein gewagtes Unterfangen ist. Die ARD befindet sich damit in der Zwickmühle, denn sie muss sich festlegen: Festhalten an UKW oder ernsthafter Wechsel zum reinen Digitalradio.
Das Gros der Privatsender zieht ohnehin nicht mit und setzt voll und ganz auf die Ausstrahlung über UKW. Sie haben kaum eine Wahl, denn Wirtschaftlichkeit ist hier nicht nur Kriterium für die Zuteilung von Gebührengeldern, sondern wirkt sich unmittelbar aus. Da mit DAB+ im Moment weiterhin vergleichsweise wenig Hörer erreicht werden können, erscheinen UKW und Internet als der lukrativere Weg.
Ungewisses Radio der Zukunft
Die kommenden 3 Jahre sind entscheidend für DAB+, da die Weichen gestellt werden. Die schwache Marktdurchdringung und das „verbesserungswürdige Marketing“ wurde den Sendern sogar von der KEF quasi ins Stammbuch geschrieben. Gebührengelder werden nicht endlos in das Projekt DAB+ gepumpt werden, es entscheidet letztlich auch hier der Markterfolg, welcher das bestimmende Kriterium bei der Bewilligung von Finanzmitteln und somit für das weitere Bestehen und die Zukunft des Digitalradios ist.
Steigen noch mehr Privatsender aus oder erhöht sich die Marktdurchdringung mit DAB-fähigen Geräten nicht deutlich oder steht kein Abschalttermin fest, dann ist nicht davon auszugehen, dass weiterhin Geld in voller Höhe fließt für ein Projekt, das nicht in die Hufe kommt. Es wäre ein Abschied auf Raten, wie bereits jetzt beim DAB-Radio (ohne Plus) vollzogen. Damit wäre dann das nächste Digitalradioprojekt am Ende. Retten kann DAB+ letztlich nur eine verbindliche UKW-Abschaltung – und die erscheint auch im Jahre 2014 ferner denn je. Falls sich auf politischer Seite nichts tut, der Gesetzgeber sich nicht zu einem UKW-Ende durchringt oder entsprechende Impulse aus Brüssel kommen, dann wird man auch 2020 noch UKW-Radio hören.
DAB+ ist, entgegen der offiziellen Verlautbarungen, nicht der Nachfolger von UKW – zumindest derzeit noch nicht. Ob es das wird, entscheidet sich in unmittelbarer Zukunft. Will das Digitalradio UKW tatsächlich beerben, dann braucht es nichtsdestoweniger einen langen Atem. Immerhin ist die flächendeckende Versorgung in Deutschland bis 2015 anvisiert. Wenigstens die Kunden haben Zukunftssicherheit, wenn sie DAB-Geräte kaufen, auch ohne das „Radio der Zukunft“: die heutigen DAB-Radiogeräte empfangen auch UKW.
Weiterführendes
DAB Minus – schon wieder sendet das Digitalradio an den Hörern vorbei
Mehr zum Thema Hörfunk auch im
Dossier „Radio“
Solange für den Ausbau neuer Sendermöglichkeiten beim DAB-Radio kein Geld ausgegeben wird und ein Dabradio zu teuer ist und UKW noch in Betrieb ist wird kaum einer bereit nur weil man vom Digitalradio Texte abrufen kann dafür braucht man heute kein Radio!