Auch wenn die Deutsche Welle in der Wahrnehmung der deutschen Öffentlichkeit seit der Aufgabe der Kurzwelle nun endgültig verschwunden sein sollte – es gibt sie noch immer. Im Internet lebt sie weiter, sowohl mit Fernseh- als auch Radiosendungen. Gastautor Dr. Harald Gabler gibt einen Überblick über die Aktivitäten der DW seit Einstellung des deutschsprachigen Kurzwellenprogramms und bezieht Position zur weiteren Existenzberechtigung des deutschen Auslandsrundfunks.

Jeder weiß, daß die Darstellung Deutschlands in der Welt Geld kostet. Jetzt werden die DW-Kurzwellensendungen mehr und mehr eingestellt, weil sie angeblich zu teuer sind. Aber es geht gar nicht ums Geld. Bei Schaffung der DW hat jeder gewußt, daß das Geld kostet und hat es gewollt. Das Medium damals war das Kurzwellen-Radio, später kam TV hinzu und heute ist Internet fast überall verfügbar. Daß TV weit teurer ist als Radio, ist allgemein bekannt. Die Erfahrung mit DW-TV aber hat über Jahre gezeigt, daß DW-TV und auch DW-Radio uninteressant und wenig aktuell ist. Deutsche Welle ist überholt, niemand braucht sie mehr.

Daß Online-Radio und Online-TV noch entschieden teurer sind, ist scheinbar nicht jedem bekannt. In beiden Fällen zahlt keineswegs nur der Hörer für den Download, sondern der Sender muß für jeden Hörer auch die notwendige Downloadkapazität bereitstellen. Das macht bei 50 Hörern keinen großen Betrag, steigt – im Gegenteil zur Kurzwellenausstrahlung – aber proportional mit der Hörerzahl. Und wenn die Hörerzahlen so riesig sind wie immer behauptet wird, sind die Kosten in derselben Größenordnung wie bei der Kurzwellenausstrahlung.


Sitz der Deutschen Welle im Bonner Schürmann-Bau


Es geht also gar nicht ums Geld

Offenbar ist die Zeit reif für das neue Medium Internet. Internet-Radios gibt es zehntausende und das seit vielen Jahren. Inzwischen ist fast jedes private oder öffentliche Radio im Internet. Alle großen TV-Sender sind auch im Internet live vertreten. Wenn aber die Sendungen der DW wenig interessant und aktuell sind, jedermann jedes deutsche private und öffentliche Radio und fast jeden deutschen TV-Sender im Internet hören oder sehen kann, wenn es also überall und jederzeit interessantere Radio-Sender und TV-Sender im Internet gibt, warum in aller Welt sollte irgendjemand die Deutsche Welle einschalten? Wenn sie aber niemand hören will, ist es rausgeschmissenes Geld. Dann kann sie auch abgeschaltet werden. Aus Kostengründen müßte die Deutsche Welle schon lange geschlossen werden.


Die Existenzbedingung der DW

Die Deutsche Welle soll Deutschland im Ausland präsentieren, aber sie ist überholt. Niemand braucht sie mehr. Früher ja, heute nein. Und das betrifft DW-Radio, DW-TV und DW-Internet. Wer Internet hat, kann jeden deutschen Radiosender und eine große Anzahl von TV-Sendern hören und sehen, hat hunderte deutscher Webseiten. Er bildet sich seine eigene Meinung und sucht sich aus dem großen Angebot aus, was er mag. Er braucht also die DW nicht mehr – weder Radio, noch TV, noch Internet. Das betrifft alle Industriestaaten, Amerika, Südafrika, Australien, Japan, Asien – eben überall, wo es Internet gibt.


DW-TV

Auch DW-TV wird nicht mehr benötigt. DW-TV wird nur noch in Hotels von Geschäftsreisenden genutzt, die mal im Ausland deutsche Nachrichten sehen wollen und die Ergebnisse der Bundesliga. Alle weiteren Sendungen sind in aller Regel uninteressant. Das ständige Zurückfahren der deutschen Sendungen und die dauernden Wiederholungen alle zwei Stunden hat die Deutsche Welle selbst zu verantworten. Die DW ist dadurch mehr und mehr inhaltlich uninteressant geworden.

Die Direktausstrahlung per Satellit ist gescheitert. Das Desaster mit dem deutschen Auslandsfernsehen in USA ist allgemein bekannt. Die Satellitenausstrahlung und der technische Aufwand beim Empfang ist überholt in einer Zeit, wo Filme und TV weltweit per Internet verbreitet werden, schnell und in bester Qualität – sofern man über eine gute Internetanbindung und Flatrate verfügt. In den Gebieten, wo viele Deutsche wohnen, gibt es schon seit langem Bezahlfernsehen in deutscher Sprache, z.B. Südafrika, Namibia (Deucom). Die Deutsche Welle braucht dort keiner.


DW-Radio (Regional/FM)

Wer kein Internet hat und Radio oder TV nur regional und in den jeweiligen Landessprachen sehen oder hören (FM) kann, interessiert sich für die Sendungen der DW kaum, da sie wenig interessant und nicht aktuell genug sind und dazu nur sehr begrenzt regional verfügbar. Diese regionalen Sendungen – sowohl TV als auch Radio – sind zudem jederzeit durch die Regierung des Staates zu stoppen. Diese Ausstrahlungen werden mehr und mehr aus Kostengründen eingestellt.


DW-Radio (Kurzwelle)

Die Kurzwellensendungen werden ebenfalls aus Kostengründen mehr und mehr eingestellt. Erstaunlicherweise und völlig „überraschend“ stellte man in den letzten Jahren fest, daß Radio Geld kostet, daß die Darstellung Deutschlands in der Welt nicht kostenlos zu haben ist. Daß die DW keine zukunftsweisenden Lösungen zur Senkung der Stromkosten entwickelt hat, haben die politisch Verantwortlichen in der DW, im Bundestag, im Bundesrat und in der Bundesregierung zu verantworten. Ein weiterer Grund sind die stets ausgeweiteten unrealistischen Hörerzahlen, die allein auf Hochrechnungen und Schätzungen beruhen und irgendwann zusammenbrechen mußten. Diesen Irrealismus hat die DW selbst zu verantworten, wurden diese angeblichen Hörerzahlen doch jahrelang zur Rechtfertigung des Budgets herangezogen.


Historische QSL-Karte der Deutschen Welle zum 30-jährigen Jubiläum

Wer schlechte Sendungen macht, braucht sich nicht wundern, daß keiner sie hört. Wer die Sendungen alle zwei Stunden wortwörtlich wiederholt, langweilt den Hörer. Wer in Sprachen sendet, wo die angeblichen Hörer sich in diesen Ländern noch nicht mal die Batterien für ein Radio leisten können, kann sich das Geld sparen. Der ausschlaggebende Grund für die Einstellung der Kurzwellensendungen ist die Ziellosigkeit der Entscheidungsträger, das politische Herumeiern und Hin und Her. Heute glauben sie, daß sie durch das Internet mehr Menschen erreichen und daß das heutige Medium das Internet sei, gestern noch waren es Satellit und TV, Kurzwelle und regionales FM. Daß das alles ordentlich Geld kostet, war allen Beteiligten von vornherein klar, scheint aber erst jetzt aufzufallen. Die DW-Bürokratie gibt über 300 Mio Euro jährlich Steuerzahlergeld aus für etwas, was längst überholt ist, aber aufgrund seiner Eigengesetzlichkeit weiterlebt, sei sie noch so unsinnig.


Die mediale Präsenz Deutschlands

Die DW sendet nicht mehr in deutsch, aber z.B. in Amharic für Äthiopien und in Haussa für Niger. Das ist die neue strategische Ausrichtung der DW: Die Aussendung der DW in Fremdsprachen richtet sich ausschließlich an eine winzig kleine Elite in den jeweiligen Ländern, die zur absoluten Oberschicht gehören, Geld und Zeit haben, sich Empfänger zu kaufen und die DW zu hören – das sind die sogenannten „Multiplikatoren“. Da aber die wenigsten Staaten der Welt Demokratien sind, handelt es sich also um Herrscher, Diktatoren und ihre Führungselite, also im Falle Äthiopiens ca. 300-500 Menschen, im Falle Nigerias ca. 1000-3000. Da diese Eliten das Geld für Waffen haben (Nigeria), haben sie natürlich auch das Geld für Radio-Empfänger. Diese Eliten sind an Deutschland, an seiner Kultur und seinem Leben überhaupt nicht interessiert, wohl aber an den deutschen Waffen und am Geld, an der deutschen finanziellen Unterstützung in Form von Entwicklungshilfe und anderen Geldern. Die demokratische und religiöse Kultur in Deutschland hat diese Eliten noch nie interessiert. Das ist die neue Zielgruppe der Deutschen Welle.

Aber das ist eben der Knackpunkt: Wer hat diese „Multiplikatoren“ zur neuen Zielgruppe erklärt? Die Mitarbeiter der Deutschen Welle selbst? Von denen in diesen Ländern die allerwenigsten je gewesen sind? Wohl kaum, denn die Ausrichtung der Deutschen Welle ist eine politische Entscheidung, betrifft also ausschließlich den Intendanten als politischen Leiter sowie den 17-köpfigen Rundfunkrat, der die Einhaltung der Programmgrundsätze überwacht, den 7-köpfigen Verwaltungsrat (4 Rundfunkrat, 1 Bundestag, Bundesrat, Bundesregierung) der die Geschäftsführung des Intendanten überwacht. Alles in allem deutsche Politiker – welcher Partei auch immer –, die selbst noch nie in den genannten Ländern waren. Aber natürlich wollen sie Kosten einsparen (warum eigentlich – es sollte doch jedem klar sein, daß die Präsentation Deutschlands in der Welt etwas kostet – und nicht zu knapp!).


Warum die Deutsche Welle untergeht

Angetreten sind neoliberale Wirtschaftsstrategen und Ideologen aller Parteien: Uns wird erzählt, Kurzwelle höre niemand, man müsse mit der Zeit gehen, man müsse Internetradio machen, bei der DW stünden „Reformen“ an, eine „neue strategische Ausrichtung“, die DW koste zuviel Geld. Die Abschaltung der Kurzwelle und die Ablösung der Mitarbeiter und Redakteure der Deutschen Welle, die noch einen gewissen Grad an Unabhängigkeit haben und durch ihre Festanstellung gesichert schienen, ist eine langfristige Strategie zur Meinungsmanipulation. Im Gegenteil zu dem, was man uns weismachen will, spielt Geld bei der Abschaltung der Kurzwelle und der Abwicklung der Deutschen Welle keine wirkliche Rolle. Die „Reform“ der DW, der beschleunigte Aufbau der Internetpräsenz, des Internetradios und TV – und das ist allen Verantwortlichen bekannt – wird viel teurer als man uns erzählt. Aber der entscheidende Punkt ist, daß der Einfluß von Meinungsmachern von außen, von neoliberalen Gruppen, von sogenannten und spezialisierten Beratern entschieden größer wird und man so die Meinungen der Redakteure leichter manipulieren kann. Allein die Drohung mit der Schließung der Kurzwelle und dem Übergang zum Internet hat bei vielen Mitarbeitern seit Jahren Angst ausgelöst und damit kann man wunderbar erpressen.

Es wurde uns erzählt, daß die Kurzwellensendungen der Deutschen Welle zu teuer seien. Vergessen hat man dabei zu erwähnen, daß es unser Geld ist, unser aller Geld, was hier ausgegeben wird. Über die Abschaltung der Kurzwelle gab es keinerlei öffentliche Diskussion, was noch erstaunlicher ist, da die DW ausschließlich von öffentlichen Geldern, direkt aus dem Budget des Staatsministerium für Kultur und Medien bezahlt wird. In diesem Zusammenhang wird die fein und ausdauernd lancierte Meinungsmache gegen die digitale Kurzwelle verständlich. Mit DRM konnte Geld gespart werden bei gleichzeitiger weltweiter Kurzwellenausstrahlung und hätte so das Argument, die Kurzwelle ist zu teuer ad absurdum geführt. Die Entwicklung von DRM wurde den Meinungsmachern zu unbequem.

Seit Jahren wurde darauf hingewirkt, Digital Radio Mondiale zu verhindern. Diese Bestrebungen von Vertretern aller Parteien wurden unter dem Slogan „Modernisierung“, „Reform“ und „es gibt keine Alternative“ vorangetrieben. Um den Umbau der Deutschen Welle in der öffentlichen Meinung durchzusetzen war nicht viel nötig, niemand kannte sie, niemand interessierte sich dafür. Die Meinungsmacher hatten es leicht, standen doch in den Führungsgremien der DW, im Bundestag und im Bundesrat genügend neoliberale Parteigänger zur Verfügung, die den Untergang der Deutschen Welle noch bejubelten. Man mußte der Deutschen Welle nur ihr Alleinstellungsmerkmal nehmen, das, was keine andere Radiostation bieten kann, die Ausstrahlung deutscher Programme auf Kurzwelle.

Letztendlich entschieden kleine Gruppen außerhalb der Parlamente und Regierung über den Untergang der Deutschen Welle. 2001 Start des Vorrangs DW-TV vor KW (German-TV-Pleite), 2003 Umzug Schürmannbau (angebl. in Köln Asbest), 2004 neues DW-Gesetz, DW wird DW-Radio, DW-TV, DW-Online, 2011 neue Aufgabenplanung der DW durch den Bundestag mit Einstellung der KW und DW-Radio, Zusammenlegung DW-RV und DW-Online. So wurde aus der Hörerbetreuung der „Kundenservice/Customer Service“, „Besucherservice/Visitor Service“ (dabei ging der Kontakt zu den Hörern immer mehr verloren, man nahm die Hörer nicht ernst, sie waren im Grunde auch völlig überflüssig). Und so heißt es alsbald: Deutsche Welle via TV, Radio and Internet: News, Analysis and Service from Germany and Europe in 30 Languages. Die Deutsche Welle wird entsorgt, aber sie ist modern aufgestellt. Eine freie Stimme der freien Welt schweigt für immer.

Dieser Artikel erschien zuerst und ungekürzt als Fortsetzungsserie in RMRC Aktuell.

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Dossier „Radio“

Kommentare


  • wener sagt:

    Der BRiD ist die DW jährlich über 280.000.000€ wert…
    …wird schon seinen Grund haben.
    bundeshaushalt-info de

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