Wieviele Desktops gibt es für Linux? Bis vor einiger Zeit konnte man guten Gewissens sagen: zwei. Nämlich Gnome und KDE. Dann wurden in XFCE Arbeitsflächensymbole eingebaut – und voilà: aus dem Fenstermanager mit Startleiste wurde Linux-Desktop Nr. 3. Seit neuestem nun gibt es eine Nummer 4: LXDE.
LXDE hat auf den ersten Blick eine große Ähnlichkeit mit XFCE, bringt aber das Wunder fertig, noch schneller und leichtgewichtiger zu sein als XFCE. Was eigentlich kein Kunststück ist, denn auch XFCE, seit langem vor allem als leichtere Alternative zu Gnome empfohlen, ist mittlerweile ganz schön groß geworden. Die Unterschiede zwischen Gnome und XFCE fallen nicht mehr so gravierend aus, vor allem, seitdem der Gnome-Dateimanager Nautilus immer schneller wird.
Der LXDE-Desktop
Doch wie schafft LXDE es, einen derart schnellen Desktop zu bauen, der ein aktuelles Linux endlich mal so schnell werden lässt wie ein WindowsXP? Die Lösung ist einfach. Während die etablierten Desktopumgebungen das Rad immer neu erfinden, sämtliche Programme für die eigene Oberfläche neuprogrammieren, damit am Ende alles aus einem Guss wirkt, geht LXDE den umgekehrten Weg: es nimmt die besten, schnellsten und schon längst vorhandenen freien Programme, modifiziert sie womöglich noch leicht – und strickt daraus dann einfach einen vollwertigen Desktop. Damit verwirklicht LXDE ein typisches “Linuxprinzip”: LXDE könnte man daher auch als “Distribution in der Distribution” bezeichnen.
LXDE besteht in Wirklichkeit also aus vielen Einzelkomponenten, die auch einzeln in “freier Wildbahn” erhältlich sind, die für den LXDE-Desktop aber optimal kombiniert wurden:
Als zentralen Baustein nutzt LXDE den Dateimanager PCManFM, der schon lange vor Nautilus oder Dolphin Tabs beherrschte, und Thunar, Nautilus oder Dolphin in Sachen Geschwindigkeit trotzdem alt aussehen lässt. Die Symbole können sich sehen lassen: statt selbst an Icons herumzudoktern, bis etwas Gräuliches wie bei Gnome oder etwas Grelles wie bei KDE herauskommt, hat man sich einfach das geschnappt, was den derzeitigen Massengeschmack am ehesten treffen dürfte und zugleich sowohl frisch als auch elegant-dezent wirkt: die nuoveXT-Icons. Der Fenstermanger ist “Openbox”, ein Verwandter von Fluxbox und Blackbox, den Viele wegen seiner Vielfältigkeit sogar ganz ohne restlichen Desktop einsetzen. Als Start- und Fensterleiste kommt das flinke fbpanel zum Einsatz. Zum Standard-Texteditor wurde Leafpad gemacht. Zum Zippen nimmt man Xarchiver, ein Komprimier- und Entpack-Programm. Dazu packt LXDE z.B. noch einen eigenen Taskmanager, eine Programm-Ausführen-Dialog, ein Terminalprogramm und einen Theme-Konfigurator – und fertig ist der Desktop.
PCManFM mit nuoveXT-Icons und Openbox-Fensterrahmen
Im Übrigen verfolgt LXDE einen sympathisch-pragmatischen Ansatz. Es folgt z.B. dem Prinzip “Sei nicht anders als Gnome oder Windows, nur um anders zu sein als Gnome oder Windows.” Und dies funktioniert wunderbar: man erhält mit LXDE eine intuitiv zu bedienende Linuxoberfläche, mit der man ohne Weiteres gut zurechtkommt und die dazu auch noch wirklich gut aussieht. Für ein recht junges Desktop-Projekt wie LXDE sehr überzeugend.
übersichtliche LXDE-Systemüberwachung und Texteditor Leafpad
Vom Optimum ist LXDE trotzdem noch weit entfernt, es gibt derzeit noch einige Nachteile, die dem frühen Entwicklungsstand des Projekts zugeschrieben werden müssen. Vor allem beim Desktop-Komfort muss man Einschränkungen hinnehmen. Die Desktopsymbole können nicht frei bewegt werden, sondern positionieren sich stets statisch in einer Reihe. Das Panel – oder sein Startmenü – kann nicht leicht angepasst oder modifiziert werden (z.B. mit einem Kontextmenüklick), hierzu ist umständliche Handarbeit mit Systemdateien erforderlich. Um eigene Panel-Symbole zu generieren ist das Ablegen einer DESKTOP-Datei (.desktop) im Ordner
/home/BENUTZER/.local/share/applications
erforderlich. Auch für globale Tastenkürzel gibt es keinen Dialog; um diese anzulegen muss man die Datei
/home/BENUTZER/.config/openbox/lxde-rc.xml
editieren. Nicht weiter erwähnenswert, aber durchaus erwähnenswert: das Projekt-Logo, das sich auch auf den mitgelieferten Standard-Hintergründen wiederfindet, ist gruselig und erinnert an irgendein Spinnentier.
Ist das gefährlich? Oder nur gesponsert vom Kammerjägerbundesverband? – Ausschnitt des LXDE-Standardhintergrundbilds
Doch trotz der noch bestehenden kleinen Unannehmlichkeiten: LXDE ist ein guter Kompromiss zwischen den völlig spartanischen Fenstermanagern ganz ohne Desktop (IceWM, Fluxbox, …) und den Schwergewichten KDE oder GNOME, die allesamt Schnickschnack mitladen, den man kaum je komplett brauchen wird – und der in der Summe dafür sorgt, dass jeder mögliche Geschwindigkeitsgewinn schnell verpufft.
Fedora installiert LXDE seit Fedora 10 neben KDE und GNOME standardmäßig mit, bei Suse, Ubuntu (nein, ein “Lubuntu” existiert noch nicht) oder Mandriva lässt es sich über die regulären Paketquellen einfachst nachinstallieren.