Es sind keine guten Zeiten für Radioenthusiasten: Das Digitalradio DAB+ nimmt nicht richtig Fahrt auf, auf UKW herrscht Stillstand – und bei den übrigen Radioübertragungsarten wird nach und nach die Axt angesetzt. Ein Nachruf auf die Mittelwelle.

Themenschwerpunkt RadioDie Langwelle schweigt schon länger, auf der Kurzwelle hat sich der letzte große deutsche Sender, die Deutsche Welle, schon lange zurückgezogen – und nun erwischt es auch die Mittelwelle, auf der deutsche Sender in Zukunft nicht mehr zu hören sein werden. Die vorletzte noch aktiv genutzte analoge Radioübertragungstechnik wird mit Beginn des Jahres 2016 aufs Abstellgleis geschoben. Somit bleibt abseits der digitalen Radiotechnik nur noch UKW – das sich allerdings nach wie vor größter Beliebtheit erfreut, auch wenn das Digitalradio allmählich in die Hufe kommt.

Aber DAB-Radio wird vom Steuerzahler – parallel zum traditionellen UKW – langfristig nur dann weiterfinanziert werden, wenn dafür an anderer Stelle gespart wird. Und deshalb erwischt es nun die Mittelwelle – ein Radio-Wellenbereich, den viele ohnehin nur aus Versehen einschalteten, wenn sie am Radiogerät den falschen Knopf drückten. Denn Mittelwelle war zuletzt vor dem Zweiten Weltkrieg wirklich populär – seit es UKW gibt und sich die Übertragungsqualität damit bedeutend verbesserte, war Mittelwelle nichts weiter als eine Alternative für den Notfall, wenn der gewünschte Sender über UKW nicht empfangbar war. Denn die Reichweite ist die Stärke der Mittelwelle – sie deckt einen viel größeren Bereich ab, als es die Ultrakurzwelle vermag. Doch in Anbetracht der hohen Senderdichte bei UKW und der besseren Abstimmung der letzten Jahrzehnte gab es für Mittelwelle kaum noch Verwendung.

Frequenzwahlregler mit aufgedruckter Skala
Die AM-Skala (innen) für die Mittelwelle hat ausgedient

Vereinzelt versuchten noch Privatsender sich dort zu re-etablieren und versprachen sich eine höhere Reichweite und größere Hörerbasis – wie etwa RTL-Radio, „das Oldie-Radio“, das als Radio Luxemburg seit jeher über Mittelwelle gesendet hatte und die Mittelwelle weiter bewarb. Doch dem war kein großer Erfolg mehr beschieden. Für Musikempfang war die Mittelwelle eine denkbar schlechte Wahl. Allenfalls für Wortbeiträge war sie noch akzeptabel.

Musikprogramme waren im direkten Vergleich zu UKW eher eine Zumutung mit ihren andauernden Störgeräuschen – und so blieb die Mittelwelle vor allem eine Ausweichlösung für Programme wie den Deutschlandfunk oder Deutschlandradio Kultur, die über UKW lange Zeit noch nicht bundesweit gut erreichbar waren. Auf Mittelwelle waren sie noch wie selbstverständlich vertreten, ebenso wie manche Infosender der ARD-Anstalten. NDR Info beispielsweise war eine Institution auf der Mittelwelle, nicht nur für den Seewetterbericht für die Nord- und Ostsee, sondern auch für weitere Spezialübertragungen.

Das Rauschen und Knistern macht nostalgische Glanzäugelchen bei eingefleischten Radiofans, ist im Jahre 2016 aber keine akzeptable Übertragungsform mehr – in Zeiten, wo man glasklaren Klang über DAB+ und Internet als Selbstverständlichkeit betrachten muss. Ganz davon abgesehen, dass über Mittelwelle kein Stereoempfang möglich war. Auch aus diesem Grund war der Mittelwellenbereich schon lange kein Hort der Sendervielfalt mehr.


So klang die Mittelwelle: RTL-Radio über 1440 kHz

Neuere wortlastige Programme, wie einst etwa DRadio Wissen oder SWR Info schafften es erst gar nicht auf die Mittelwelle und wurden exklusiv über Internet und DAB+ verbreitet – und vor allem die Länderanstalten zogen sich immer mehr von der Mittelwelle zurück.

Viele ARD-Radios sendeten schon lange nicht mehr auf Mittelwelle, meist nur die großen Anstalten leisteten sich noch den teuren und stromkostenintensiven analogen Ausstrahlungsweg neben UKW. DRadio Kultur beendete schon 2013 die Mittelwellenausstrahlung, kurz darauf stiegen auch WDR, NDR und Bayerischer Rundfunk komplett aus, nachdem die KEF-Forderungen nach Einsparungen und Forcierung auf weniger Übertragungswege zugunsten des Digitalradios DAB+ konkret geworden waren. Der saarländische Rundfunk und das Deutschlandradio waren somit die letzten Sender, die Teile ihres Programmes noch über die Mittelwelle schickten.

Mit dem Abschalten der Mittelwellenausstrahlung des Deutschlandfunks und von Antenne Saar endet die Mittelwellen-Ära nun endgültig für das deutsche Radio. Auch diese beiden machen nun Platz im Äther – und überlassen das vertraute Rauschen den ausländischen Stationen, die man vor allem nachts mitunter gut empfangen kann, wobei auch im benachbarten Ausland Mittelwellensender aufgegeben werden. Die Spezialprogramme, die in Deutschland bislang oft der Mittelwelle vorbehalten blieben bzw. dort geradezu versteckt wurden (NDR-Seewetterbericht, Parlamentssendefenster „Dokumente und Debatten“, Veranstaltungsübertragungen), werden nun auf DAB+ und im Internet fortgeführt.

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Weiterführendes

Auch im benachbarten Ausland werden die Mittelwellensender abgeschaltet

Dossier des Deutschlandradios zur Abschaltung der Mittelwelle

Gemischte Gefühle bei den Radio-Enthusiasten

Ende des Saarländischen Rundfunks auf Mittelwelle

Kommentare


  • Radiorobbe sagt:

    Stereoempfang auf der Mittelwelle ist sehr wohl möglich und gab es auch, jedoch nicht hier in Deutschland. Europaweit gab es einige wenige Testausstrahlungen, doch mangels verfügbarer Empfänger blieben sie nur wenigen Hörern vorbehalten. In den USA ist Stereoempfang auf der Mittelwelle aber in einigen Regionen immer noch möglich.

    „Neuere wortlastige Programme, wie einst etwa DRadio Wissen oder SWR Info schafften es erst gar nicht auf die Mittelwelle und wurden exklusiv über Internet und DAB+ verbreitet“

    DRadio Wissen ist in der Tat ein reines Digitalprogramm, wurde aber zeitweise auf 855 kHz Berlin-Britz im digitalen DRM-Modus ausgestrahlt. SWR Info lief hingegen sogar analog, nämlich stundenweise über Antenne Saar auf 1179 kHz.

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