Das Tolle an Linux ist die Vielfalt und Auswahl. Das gilt auch für die Desktops. Während man bei Windows oder Mac OS X aus genau einer Oberfläche wählen kann, gibt es für Linux ein gutes Dutzend. Der Vorteil dabei: Man kann sich seinen Desktop aussuchen. Der Nachteil: Man muss sich seinen Desktop aussuchen. Und das fällt immer schwerer bei den inzwischen vielen guten vorhandenen.
Linuxanfänger kommen fast zwangsläufig zuerst mit Gnome oder KDE in Kontakt, den beiden großen Arbeitsflächenumgebungen unter Linux. Dann gibt es noch XFCE und neuerdings LXDE, falls man mit KDE/Gnome irgendwann nicht mehr zufrieden sein sollte. Doch auch damit endet die Auswahl an möglichen Oberflächen noch lange nicht. Da gibt es doch noch die kleinen, schlanken Fenstermanager, die noch aus den Anfängen der Linuxzeit ihre Fans behalten oder neue hinzugewonnen haben – weil man mit ihnen gelegentlich effizienter oder einfach anders arbeiten kann als mit den Fenstermanagern, die bei KDE, Gnome & Co mit eingebaut sind. Ein kleiner Überblick über vier fünf der populärsten:
IceWM
Die Entwicklung bei IceWM scheint etwas eingeschlafen zu sein, dafür ist es sehr ausgereift: IceWM sieht bewusst aus wie Windows95/98/2000 und verhält sich auch so: Links der Startbutton, ein paar “Quicklaunch”-Buttons, Fensterliste, Tray und Uhr. Nur der Desktop fehlt. IceWM lässt sich allerdings wunderbar mit Themes verändern, es kann praktisch das Aussehen jedes anderen Desktops, egal ob Windows, Mac oder eine andere Linuxoberfläche, imitieren. Gewissermaßen ist IceWM damit das Chamäleon unter den Fenstermanagern. Trotzdem wirkt es dabei meist ein wenig retro und kantig, denn Retro ist hier das Prinzip: es gibt keine Überraschungen, die Oberfläche verhält sich ganz traditionell, wie man es von alten Windowsversionen kennt. Dazu kommen dann natürlich noch die linuxtypischen Raffinessen wie mehrere Desktops, Fensterliste, ausblendbare Taskleiste usw.
IceWM ist der perfekte Einstieg, wenn man zum ersten Mal einen Nur-Fenstermanager ausprobieren möchte. Das Standard-Erscheinungsbild schreckt zwar zunächst ab, mit zusätzlichen Themes kann aber schnell Abhilfe geschaffen werden. Wichtiger ist: die Bedienstruktur ist vertraut und das Anpassen fällt durch übersichtliche und selbsterklärende Konfigurationsdateien (/home/Benutzername/.icewm) relativ leicht. Mit nur wenig Aufwand und Einarbeitung kommt man schnell ans Ziel.
Bei IceWM steht die Bedienung mit der Tastatur im Vordergrund.
Fluxbox
Fluxbox wird aktiv weiterentwickelt und ist ebenso sehr stabil und ausgereift. Der erste Kontakt schockiert allerdings etwas, denn bei einem frischen Fluxbox sieht man nicht viel mehr als eine ungewohnte und recht leere Leiste am unteren Monitorrand. Man steht davor, und weiß nicht so recht, was man nun tun soll. Denn anders als bei IceWM ist das Fluxbox-Panel fast eine reine Taskleiste, es enthält keine Starter/Icons, sondern bleibt der Fensterliste, Benachrichtigungssymbolen (Tray) und der Uhr vorbehalten. Alles weitere, eben z.B. das Starten von Programmen, erledigt man über das Kontextmenü, also etwa mittels Rechtsklick auf den Desktop. Deshalb ist das Panel standardmäßig auch zentriert und lässt die unteren Ecken des Monitors frei, damit man trotz maximierter Fenster jederzeit auch mit der Maus das Startmenü erreicht. Anfangs ungewohnt, aber sehr ergonomisch, wenn man Fluxbox einmal richtig auf seine eigenen Anforderungen hin eingerichtet hat.
Fluxbox erfordert deutlich mehr Einarbeitung, erst nach eigenen Anpassungen offenbart Fluxbox seine Raffinessen. Dafür kann Fluxbox dann auch deutlich mehr als andere: Transparente Menüs/Leisten/Fenstertitel, Gruppierung von Fenstern, Dock-Apps-Integration und teilweise graphische Konfiguration über Kontextmenüs. Im Übrigen lässt sich Fluxbox ähnlich wie IceWM durch übersichtliche Textdateien (/home/Benutzername/.fluxbox) einstellen. Alternativ nutzt man dafür das Zusatzprogramm “fluxconf”.
Fluxbox ist ebenfalls auf optimale Tastaturbedienung ausgelegt, vernachlässigt darüber hinaus aber auch die Mausbedienung nicht, es bietet viel Nützliches für Mausschubser. Tastatur- und Mausbedienung sind etwa gleichberechtigt. Optisch ist Fluxbox nicht nur wegen seiner möglichen Transparenzen einer der eleganteren Fenstermanager, Fluxbox wirkt auch vom Design sehr leicht und kann zeitlos modern und schick wirken.
Window Maker
Window Maker verströmt den Computer-Charme der 80er Jahre, aber einige Linuxer schwören darauf: Eine Leiste gibt es nicht, nur große Quadrate (“das Dock”), über die man seine Programme und Fenster steuert. Vollbildfenster sind untypisch. Window Maker ist im Vergleich zu den “herkömmlichen” Desktops eine der andersartigsten Oberflächen (vielleicht auch deshalb, weil er konzeptionell über ein paar Ecken mit Mac OS verwandt ist) und hat gleichzeitig einen unverwechselbaren Stil, das macht auch seinen besonderen Reiz aus.
Konfiguriert wird Window Maker komfortabel über ein eigenes graphisches Kontrollzentrum, das sich hinter dem Schraubenzieher-Quadrat versteckt. Das klobig wirkende Grunddesign von Window Maker kann nicht geändert werden, jedoch sind Farben und Elementenstile ebenfalls anpassbar.
Openbox
Openbox wird vom LXDE-Desktop als Fenstermanager genutzt, man kann Openbox jedoch natürlich auch “ohne alles” starten. Openbox kann praktisch nur Fenster darstellen, das aber perfekt. Wie Fluxbox und IceWM ist es hochkonfigurierbar – und für Openbox gibt es viele und schöne Themes (vor allem kommen gleich ein paar gescheite Themes in der Grundinstallation mit).
Wer Openbox als Hauptoberfläche nutzt, muss sich um alle weiteren Bestandteile selbst kümmern, sogar ein Panel und Programmstarter fehlen hier. Es gibt ein Kontextmenü auf dem Desktop, sonst nichts. Auch Openbox wird über Textdateien konfiguriert (/home/Benutzername/.config/openbox), die jedoch unübersichtlich und eher schwer zu editieren (ein kleiner Buchstabendreher, und schon gibt’s Probleme…) im XML-Format vorliegen. Einfacher geht es mit dem Zusatzprogramm obconf.
FVWM
FVWM ist ein Urgestein unter den Fenstermanagern und sieht entsprechend archaisch aus. Das nostalgische Standardaussehen im CDE/Motif-Stil ist jedoch keine Pflicht, FVWM lässt sich mit Themes optisch beliebig verändern und kann sehr modern und elegant aussehen. Ein frisch gestarteter FVWM erscheint aber zunächst völlig leer. Nur ein Menü (hinter der regulären Maustaste) erwartet den Anfänger. Erst nachdem man über ebenjenes Menü bequem und graphisch eine Konfuguration erstellt hat, offenbart FVWM schließlich sein Potential: FVWM ist sehr modular aufgebaut und kann quasi im Baukastenprinzip perfekt an die eigenen Vorlieben und Bedürfnisse angepasst werden. Dadurch ist FVWM einer der flexibelsten Fenstermanager, sowohl was Bedienung als auch was die Optik anbelangt.
Je nach Geschmack lassen sich Desktop-Elemente hinzufügen oder entfernen, z.B. kann man den Überblick über seine Fenster wahlweise mit einer typischen Windows-Taskleiste, durch Fensterlisten-Menü, mit Pager, mit einer Iconbox, durch schlichte Minimierung oder via “Buttonbar” behalten – oder auch durch alle gemeinsam. Die Buttonbar (im Bild unten) ist zudem ein Container, der die anderen Elemente ebenso wie auch eine Uhr, Pager uvm. übersichtlich zusammenfassen kann.
Konfiguriert wird FVWM teils über das Hauptmenü oder umfassend in Konfigurations-Textdateien, die Hürde zur Einarbeitung ist durch die Vielzahl an Möglichkeiten allerdings recht hoch.