Die schlechte Nachricht: Opera gibt es seit Version 15 nur noch für Windows und Mac. Die gute Nachricht: das erspart den Linuxern bis auf Weiteres den Schock, sich den arg gestutzten Browser anzutun.
Opera 15 markierte das Ende und den Neuanfang des traditionell bei ambitionierten Internetnutzern beliebten Browsers. Nach jahrelanger Eigenentwicklung von Browser und Browsertechnik hatte Opera kürzlich seinen bisherigen Desktop-Browser komplett aufgegeben. Beim aktuellen Opera handelt es sich nunmehr nur noch um einen Chrome-Klon.
Opera war der letzte echte Closed-Source-Browser für Linux, und einst auch der einzige, der kostenpflichtig angeboten wurde. Er war lange vor dem Auftauchen von Chrome, der jedoch im Wesentlichen auf freier Software basiert, der kommerzielle Browser für Linux schlechthin. Gleichzeitig war es unter Linux der einzige Browser, der wie der Internet Explorer mit MHT-Dateien (als eine Datei gespeicherte Webseite) umgehen konnte.
Nein.
Abgesehen davon, dass es sich um ein proprietäres Programm handelte, war die Linux-Unterstützung ausgezeichnet. Während vor einigen Jahren Linux zwar unterstützt, aber oft nicht mit Priorität behandelt wurde, war der Linux-Support zuletzt absolut mustergültig. Opera-Anwender konnten beim Herunterladen zwischen allen möglichen Paketformaten und Distris wählen, RPM, DEB und klassisches Archiv, und auch exotische Distributionen waren im Download-Dialog verfügbar. Auch stand ein Opera-eigenes Repositorium z.B. für die Verwendung mit Ubuntu zur Verfügung, über das das Programm installiert und aktuell gehalten werden konnte. Die Linux-Versionen erschienen gemeinsam mit den Veröffentlichungen für die anderen Plattformen. Opera integrierte sich nahezu perfekt in die großen Desktopumgebungen KDE und Gnome, z.B. mit Unterstützung der nativen Datei-Dialoge und der Verwendung der vom Nutzer eingestellten Themes. Gnome und KDE wurden gleichberechtigt unterstützt, unter Gnome wirkte Opera wie ein GTK-Programm, unter KDE wie für KDE gemacht.
Als Anfang des Jahres angekündigt wurde, dass Opera die Rendering-Engine wechselt, war noch nicht abzusehen, was das für Linux bedeuten würde. Manche hofften nur auf einen Austausch der Rendering-Engine unter Beibehaltung der bewährten Opera-Oberfläche, doch inzwischen ist klar, dass es sich bei künftigen Opera-Versionen um eine komplette Neuentwicklung handelt. Die Opera-Oberfläche war so verwoben mit der bisher genutzten Presto-Engine, dass man nicht einfach nur den Unterbau durch Webkit/Blink ersetzen konnte.
Was ist nun mit den Linux-Versionen? Opera 15 und 16 erschienen nicht für Linux, und auch Opera 17 wird nur für Windows und Mac bereitstehen. Da auch Chrome für Linux zur Verfügung steht, kann es doch nicht so schwierig sein, auch Opera für Linux bereitzustellen, könnte man meinen. Doch das stimmt nur teilweise: Chrome ist relativ wählerisch, auf welchen Distributionen es sich installieren lässt, die neuesten Versionen laufen auch nur auf aktuellen Distributionen. Da Opera auch ein eigenes Menü verwendet, das in den Fenstermanager integriert ist, entstehen auch hier Probleme, will man nicht nur eine Desktopumgebung unterstützen.
Die Ressourcen bei Opera scheinen gerade in Anbetracht der massiven Umstellung der technischen Basis begrenzt zu sein – und Linux wird dabei definitiv keine wichtige Rolle beigemessen. Im Mai betonte Opera-Mitarbeiter Daniel Aleksandersen zwar, dass Linux ein wichtiger Bereich sei und dass an einer Linuxversion gearbeitet werde,
It is an important market for us, and we are still working on it.
um im Juni noch einmal zu präzisieren, dass es Opera 15 nicht als Linuxversion geben werde, da man sich aktuell auf die Hauptplattformen konzentrieren müsse.
There will not be one for the first release. Our efforts are focused on the majority platforms for the time being. (…) That requires hard decisions and focus.
Anfang Juli dann war im Opera-Entwickler-Blog zu lesen, dass eine auf Chromium basierende Opera-Version für Linux geplant sei.
We are planning to release a Chromium-based Opera for Linux, but it’s not ready yet.
Seitdem hat man bezüglich der Linuxunterstützung von Opera nichts mehr gehört. Opera 16 erschien abermals nur für Windows und Mac und auch für die kommende 17er-Version wurde kein Linux-Build bereitgestellt. Die Ergebnisse sprechen eine eindeutige Sprache. Es könnte durchaus passieren, dass Opera entscheidet, die Linuxunterstützung angesichts der geringen Verbreitung doch auslaufen zu lassen. Wenn es jedoch einmal wieder eine Linux-Version geben wird, dann hat Opera ein für allemal deutlich gemacht, für wie relevant man die Linuxnutzer hält. Ein deutlicheres Signal, sich lieber einen anderen Browser zu suchen, kann man den Linuxanwendern kaum geben.
Pawel Pawlaks Vorschlag für ein neues Opera-Logo
So etwas gab es bei Opera das letzte Mal, als Opera 7 aktuell war. Damals erschienen die Windows- und Mac-Versionen nach größeren Umbauten zuerst, die Linux-Variante wurde später nachgereicht. Dies hat sich seitdem nicht mehr wiederholt, Opera setzte den Fokus seitdem auch auf parallele Entwicklung für Linux. Bis heute. Opera schafft sich damit einen Wettbewerbsnachteil, denn sowohl Firefox als auch Chrome sind plattformübergreifender verfügbar. Es ist daher anzunehmen, dass es irgendwann auch wieder einmal eine Opera-Version für Linux geben wird – doch wann das sein wird, das steht in den Sternen. Nachdenklich macht dabei vor allem auch, dass auch „Opera Mail“, das im Grunde nur ein kastriertes Opera 12 ist, nur für Windows und Mac veröffentlicht wurde.
Wenn es dann doch wieder Opera für Linux geben sollte, dann werden sich viele ehemalige Opera-Nutzer wahrscheinlich schon längst einen neuen Browser gesucht haben – und wenig Verlangen verspüren, zu einem Produkt zurückzukehren, das mit dem ursprünglichen, altbekannten Opera sowieso nicht mehr viel zu tun hat. Mail und RSS sind nicht mehr Bestandteil des Produktes, MHT wird nicht mehr unterstützt und auch so ziemlich alles andere, was Opera 12 ausmachte, ist verschwunden. Die bisherigen Nutzer sind teils fassungslos. Vor allem die anpassbare und flexible Oberfläche, die Seitenleiste und Panels und all die kleinen Details, weswegen man Opera schätzen gelernt hatte und deretwegen man sogar Defizite bei der eigentlichen Aufgabe des Browsers, der Webseitendarstellung, hinnahm, sind Geschichte. Der Witz schlechthin ist, dass sogar die Lesezeichen dem Mainstream geopfert werden sollten, da sie angeblich kaum genutzt würden. Das haben nicht einmal Chrome und Gnome-Webbrowser Epiphany gewagt.
Opera hat die Zielgruppe gewechselt, weg vom informierten User, der seinen Browser selbst einstellt, hin zum Gnome-artigen Prinzip der Reduzierung aufs Wesentliche, und zielt wie die Konkurrenz nun auch auf den 0815-User. Opera will kein Nischenbrowser mehr sein – das bekommen Linuxnutzer gerade doppelt zu spüren. Diese haben einstweilen nur zwei Möglichkeiten, wenn sie weiterhin E-Mail und RSS applikationsgebunden im Browser integriert haben möchten: das alte Opera noch eine Weile weiternutzen, bis die Entwicklung endgültig eingestellt wird – oder auf Seamonkey umsteigen.