Das positive Lock-in: Weiterschwimmen mit Linux

17. Dezember 2024

Ein kleines Plädoyer pro Pinguin – obwohl Linux von allen Systemen den schlimmsten Lock-in-Effekt hat.

Gerade mit Erschrecken festgestellt, dass hier schon eine gefühlte Ewigkeit nichts mehr geschrieben wurde. Das erinnert frappierend an manche Kollegin oder manchen Kollegen im Linuxanwenderuniversum, die einst zu den bekannteren Linux-Bloggern gehörten, auf ihren eigenen Webseiten aber dann erst immer sparsamer in Erscheinung traten und letzten Endes irgendwann bekanntgaben, dass sie irgendwie die Nase voll gehabt hätten und wieder bei Windows gelandet seien. Oder dass sie auf MacOS gewechselt und dort nun glücklich wären. Vor allem nach den ersten großen Ubuntu-Jahren war das an vielen Stellen zu beobachten. Einstige Linux-Enthusiasten sagen dem Pinguin adieu und schienen im Proprietären auch glücklich zu werden.

Um es gleich klarzustellen: Nein, hier läuft immer noch rundherum das Pinguinbetriebssystem auf Desktops und Notebooks. Und es ist auch weiterhin nicht absehbar, dass sich das alsbald irgendwie ändern könnte. Auch nach inzwischen mehr als 20 Jahren mit Linux als Desktop-Hauptsystem sind hier keine Ermüdungserscheinungen festzustellen. Der Grund für die abnehmende Frequenz auf diesen Seiten: Es läuft bei Linux längst problemlos. Die Distributionen sind zuverlässig, die Oberflächen ausgereift, und bei den Desktopumgebungen tritt sogar ein Konsolidierungseffekt ein. Allenfalls die Umstellung von X.org zu Wayland sorgt für ein bisschen Spannung im Linuxalltag. Und wenn es doch irgendwann mal zu langweilig wird, probiert man eine neue Distribution oder andere Desktopoberflächen aus.

Linux hat sich bewährt

Auch ein Blick auf Windows und Mac wird immer mal wieder geworfen … und manchmal sogar damit gearbeitet. Aber letztlich führt es nur dazu, dass die persönliche Entscheidung, Linux den Vorzug zu geben, bestätigt wird. Es wäre gelogen, abzustreiten, dass in all den Jahren die Verlockung nicht auch bestanden hätte, in die vermeintliche Einfachheit der großen Konkurrenten einzutauchen, mal nicht der Außenseiter zu sein, sondern ganz banal mit dem Strom zu schwimmen. Aber es schwimmt sich eben unterm Strich leider nirgends so prima wie mit Linux. Vielleicht liegt’s am Pinguinlogo.

Ja, rückblickend war und ist der Aufwand wohl höher gewesen, sich in Linux zurechtzufinden, vor allem, wenn man mit anderen Konzepten und Systemen „sozialisiert“ wurde und von PCs keine Ahnung hatte. Aber das liegt lange zurück. Heute wäre es wahrscheinlich simpler, direkt mit Linux zu starten. Auch nervt mal hier und mal da was. Aber wenn man sich erstmal „seine“ Umgebung mit Linux zurechtgebaut und schätzen gelernt hat, die zahlreichen Möglichkeiten nutzt und sich dazu auch noch bewusst macht, wie viele Freiwillige daran mitarbeiten und welche Grundidee dahintersteckt, dann kommt man kaum noch davon los.

Strenges Lock-in

Man könnte es eine Art positiven Lock-in-Effekt nennen: Man kommt einfach nicht davon weg. Aber nicht, weil es zu schwer oder aufwändig wäre, woandershin zu wechseln. Sondern weil man dank der kennengelernten Freiheit, Flexibilität und Zuverlässigkeit gar nicht mehr wechseln möchte. Das mag nicht für alle Nutzer und alle Anwendungsszenarien gelten, das versteht sich von selbst. Aber manchmal passt es wohl einfach, so dass hier leider weiterhin gilt: Windows, Mac … ja, ganz nett. Aber nein.


aus der Kategorie: / Tratsch /

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Kommentare

Hallo,

für mich fühlt es sich so an, als hätte es vor einigen Jahren eine Abzweigung gegeben und je nachdem in welche Richtung man gegangen ist, empfindet man etwas anderes als „normal“.

Wer nach vielen Jahren Linux ein Proprietäres Produkt mit Spionage, Lizenzvertrag, Kosten, Bevormungung, Abomodell in die Finger bekommt, schüttelt nur den Kopf.

Zu Windows 7 hätte es vielleicht ein Zurück gegeben, aber zu Windows 11 will kein Linuxuser mehr zurück. Unterstützt wird das durch das „Neue Outlook“, Recall, KI usw., eben dem Abwandern von Windows in die Cloud.

Genauso bei /e/, Lineage und dem normalen Android (am Besten auf einem Chinesischen Smartphone voller Werbung und Bloatware).

Ich merke einfach, dass langsam immer mehr Menschen komplett auf Google, Apple, Meta oder Microsoft angewiesen sind, weil alles in die Cloud gewandert ist (Kontakte, Nachrichten, Messenger, soziale Medien usw.). Wer da nicht mit macht, sieht wie extrem das heutige Normal ist.

In Bezug auf deinen Artikel würde ich bestärken, dass es cool ist, die ganze Freie Software zu haben. ABER es kann auch hier und da ganz schön nerven. Ohne Whatsapp (und Element X ist einfach noch nicht fertig), ohne Facebook, Paypal usw.. Es gab auch bei mir schon häufiger das „Ich hab keinen Bock mehr auf Idealismus“. Dann muss ich mir einfach wieder anschauen, was Android, Microsoft, OsX so treiben, dann bin ich wieder glücklicher Linuxuser.

Schöne Feiertage

— Thoys · 17. Dezember 2024, 14:39

Schön hier noch einmal was zu lesen.
20 Jahre bewege ich mich nun auch in der Linuxwelt und bin glücklich damit.
Allerdings nutze ich nebenbei immer mal wieder Mac OS und das auch sehr gerne. Als Hauptsystem nutzen? Na, ich weiß nicht so recht.
iOS nutze ich täglich und bin seit ein paar Jahren von Android weg und auch glücklich damit.
Nach den Anfängen mit Ubuntu dann auf Manjaro gewechselt und war eigentlich damit auch gerne unterwegs. Dann bin ich allerdings den Arch Weg gegangen und damit bin ich glücklich.

Es hat sich viel getan in den letzten 20 Linux Jahren, hoffentlich geht es spannend weiter. Ich werde wohl dran bleiben :-)

— · 17. Dezember 2024, 15:56

Doch, doch, man kommt davon weg. Ich habe dank Linux Freiheit zu schätzen gelernt. Deswegen bin ich seit über zehn Jahren sehr zufrieden mit BSDs, den wirklich freien Systemen. Freiere Lizenz, freiere Philosophie.

— tux0r · 17. Dezember 2024, 17:02

Heyhey!

Schön, mal wieder von dir zu hören!

Ich stimme dir völlig zu. Inzwischen habe ich ein stinklangweiliges Debian am laufen. Und das tut es auch: laufen, laufen, laufen.
Schon ewig keine Probleme mehr gehabt. Außer auf dem Raspi, der mein Pulseaudio-Mixer ist. Sämtliche Geräte lassen ihr Audio darüber laufen. Beim Umstieg auf Pipewire hat es etwas gehakt. Pipewire-Pulseaudio Modul installiert: erledigt! Ich glaube das faßt alle meine Problemchen der letzten 2 Jahre zusammen!

Ich will auch nicht mehr zurück zu irgendwelchen Propris…

Jruß
chris

chris_blues · 17. Dezember 2024, 17:59

Es gibt natürlich unter Linux auch Lock-in, wenn man RedHat verwendet und von deren ABI Baseline abhängig wird. Deshalb gingen die ja massiv gegen Klone vor. Wenn man sich für eine Virtualisierungslösung entscheidet, kommt man danach auch schlecht davon weg. Mit den Cloud-Diensten ist es noch schlimmer. Jetzt von positivem Lock-in zu sprechen, weil es einem besser gefällt, ist schon sehr naiv.

— Matthias · 20. Dezember 2024, 13:34

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