Über zu wenig Auswahl kann man sich unter Linux wirklich nicht beschweren – MacOS und Windows haben genau eine Oberfläche, Linuxer haben die Wahl unter einem guten Dutzend. Doch das bedeutet auch: während man woanders mit dem Gebotenen leben muss, hat man beim Pinguinbetriebssystem die Qual der Wahl, denn die Linux-Desktops und -Fenstermanager sind allesamt gut, aber keiner wirklich perfekt.
Einen XFCE-Test und einen LXDE-Test gab es auf diesen Seiten bereits, jedoch noch keinen direkten Vergleich dieser beiden Desktopumgebungen. Sehen wir uns daher diesmal in einem allgemeinen Vergleich diese beiden schlankeren Desktops an.
Die Unterschiede sind im Grunde genommen nicht sehr groß. Sowohl XFCE als auch LXDE bedienen im Kern dieselbe Zielgruppe: Anwender, die eine klassische Oberfläche mit Taskleiste, Startern sowie Symbolen auf dem Desktop bevorzugen, ohne weiteren Schnickschnack. Doch gerade weil sich die beiden Desktops so ähnlich sind, fällt die Entscheidung für einen von beiden umso schwerer. Schauen wir also einmal im Detail auf die tatsächlichen Gemeinsamkeiten und Unterschiede.
Fensterverwaltung
Das Wichtigste an einem Desktop bleibt der Fenstermanager. XFCE hat einen eigenen namens XFWM4 eingebaut, LXDE den beliebten „Openbox“ integriert. Beide lassen sich bis ins kleinste Detail konfigurieren und bieten einen großen Funktionsumfang. Geöffnete Fenster als Menü anzeigen, aktive Fenster per Mittelklick auf die Titelleiste in den Hintergrund schicken statt sie zu minimieren, Fenster zur Titelleiste einrollen, bequeme Größenänderung bzw. schnelles Verschieben von Fenstern per Mausklick und Alt-Taste, Fenster über den Bildschirmrand auf die nächste Arbeitsfläche ziehen, Arbeitsflächen per Mausrad wechseln – alles kein Problem. Bei den Tastenkürzeln bietet XFCE mehr Komfort: sie können bequem über einen graphischen Dialog angelegt und editiert werden; bei LXDE muss man dazu die unübersichtliche Openbox-XML-Konfigurationsdatei editieren. Beim Verschieben von Fenstern bietet LXDE zudem keine Möglichkeit des prozessorschonenden Verschiebens von Fenstern ohne ständiges Neuzeichnen des Fensterinhaltes. Bei XFCE hingegen kann man das fensterinhaltslose Verschieben aktivieren.
Panel und Startmenü
Beide Desktops verfügen über vergleichbare Panels samt Startmenü. Die Startmenüs sind beide traditionell aufgebaut, fast identisch und gleichermaßen ähnlich umständlich zu editieren. Die Panels verfügen beide über die notwendigen „Basics“ wie Uhr, Arbeitsflächenumschalter, Lautstärkeregler, Traybereich oder die Möglichkeit, eigene Menüs anzulegen. Die Taskleiste bei XFCE ist optionenreicher als die von LXDE, sie enthält mehr Funktionen, Plugins und Extras. Das Anlegen von individuellen Startern auf dem Panel ist bei XFCE leichter; bei LXDE benötigt man zunächst vorgefertigte Icon-Dateien zum Integrieren. Mehrere Leisten sind bei beiden Umgebungen problemlos möglich.
Die Arbeitsfläche
Die eigentlichen „Desktops“, die Arbeitsoberflächen, sind jeweils noch ziemliche Baustellen, sowohl bei XFCE als auch LXDE besteht durchaus Verbesserungsbedarf. Hauptunterschied ist, dass sich bei XFCE die Symbole individuell positionieren lassen – wenn auch nur grob –, beim LXDE-Desktop sind die Dateien stets aneinandergereiht und lassen sich nur nach vordefinierten Kriterien sortieren (Name, Änderungsdatum…). Dafür lassen sich hier auch Datei- oder Ordnergrößen anzeigen oder Dateirechte ändern, was bei XFCE nicht funktioniert. XFCE beherrscht keine Vorschaubilder auf dem Desktop, LXDE zeigt Bilddateien verkleinert an.
Ein technischer Unterschied besteht darin, dass bei XFCE die Arbeitsfläche aus einem eigenen Programm besteht, wohingegen bei LXDE der Dateimanager die Verwaltung des Desktops mitübernimmt.
Dateiverwaltung
Die fehlenden Vorschaubilder auf dem Desktop macht XFCE bei seinem Dateimanager „Thunar“ wieder wett, hier gibt es Vorschaubildchen auch in der Listenansicht. Beim LXDE-Pendant „PCManFM“ fehlt dies. PCManFM wird derzeit gerade neu entwickelt, die bisherige Version verfügte noch über keine Papierkorbfunktion. PCManFM beherrscht im Gegensatz zu Thunar Registerkarten. Ein doppelter Mittelklick auf einen Ordner in Thunar öffnet diesen in einem neuen Fenster, bei einem Doppelklick in PCManFM erhält man hingegen einen neuen Tab. Der LXDE-Dateimanager bietet mehr Funktionen als Thunar, dafür lässt sich dieser bequem und graphisch um viele weitere Befehle erweitern. Ein nettes Feature, das man nur bei Thunar findet, ist das Umschalten der Ordneransicht über Tastenkürzel. Ansonsten sind sich die beiden Programme – wie sollte es auch anders sein – sehr ähnlich.
Design
Nicht zuletzt spielt das Erscheinungsbild eine große Rolle, ob man sich mit einem Desktop wohlfühlt oder nicht. XFCE und LXDE bauen gleichermaßen auf das GTK-Toolkit auf, das auch GNOME zur Darstellung der Fensterinhalte verwendet, und sind damit genauso einfach durch (GTK-)Themes anpassbar. Dem Design und der Umsetzung persönlicher Vorlieben sind somit praktisch keine Grenzen gesetzt.
Doch die tatsächliche technische Umsetzung und das Standarddesign unterscheiden sich erheblich. Generell lässt sich sagen, dass sich XFCE um einen eigenen Stil bemüht: der „Mäusedesktop“ hat diverse funktionale Fensterdekorationen hervorgebracht und sogar seine eigene, schnelle GTK-Theme-Engine an Bord, die wiederum mit vielen verschiedenen Themes aufwartet. Das aktuelle XFCE-Standardtheme lehnt sich dabei etwas an das Erscheinungsbild von Windows Vista bzw. Windows 7 an. LXDE hingegen bedient sich bei anderen Projekten, schöpft etwa für die Fensterdekos aus dem jedoch auch nicht geringeren Fundus der Openbox-Themes. LXDE präsentiert als Fensterdekoration den schwarzglänzenden Openbox-Standard und als Standard-Theme den GTK-Stil von GNOME, Clearlooks. Der LXDE-Desktop sieht dadurch bisweilen etwas zusammengeschustert und sehr „bunt“ aus.
Dieser Mischmasch ist technisch bedingt, da LXDE modular aus ursprünglich unabhängigen Einzelprojekten aufgebaut ist, was in Sachen Design jedoch zu Nachteilen führt: während sich bei XFCE die Taskleisten und Fenstertitel bei einer Änderung des Themes gleich mitändern, müssen bei LXDE Panel, Fensterdekos und -inhalte separat eingestellt werden.
Insgesamt wirkt LXDE stellenweise etwas filigraner als XFCE, dafür punktet XFCE, wenn alles wie aus einem Guss wirken soll. Obwohl ebenfalls modular, greifen die einzelnen XFCE-Komponenten besser ineinander.
Nicht zuletzt hat XFCE einen Compositing-Manager (Transparenz-Effekte, Schatten) bereits eingebaut, bei LXDE kann man auf den „Xcompmgr“ zurückgreifen, um ähnliche Ergebnisse zu erzielen.
Die Programme
Zum XFCE-Desktop gehört eine kleine Palette von Programmen, XFCE beschränkt sich also nicht auf das Bereitstellen der Arbeitsoberfläche mit allen möglichen Helferlein und Raffinessen, sondern versucht wie auch KDE oder GNOME, für jeden Zweck das richtige Programm gleich mitzuliefern. Einen Kalender (Orage), Browser (Midori) oder auch ein Brennprogramm (Xfburn) findet man in der XFCE-Welt. LXDE hingegen beschränkt sich auf die Kernfunktionalität eines Desktops, außer z.B. einem Editor (Leafpad), einem Terminal (Lxterm) oder etwa einer Systemüberwachung wird nichts mitgeliefert. Programme muss man aus dem GNOME-, XFCE- oder KDE-Lager „hinzubuchen“.
Zusammenfassend
Auch mit dem Wissen um die Stärken und Schwächen der beiden Kandidaten fällt eine Wahl nicht leicht. Die merklichen Unterschiede sind gering oder gleichen sich aus. Allein die Zielsetzungen scheinen auseinanderzugehen: LXDE bemüht sich, den Desktop so schnell wie möglich zu bekommen, XFCE scheint inzwischen eher das Ideal des komfortabelsten Desktop anzupeilen – auch wenn das bedeutet, dass man etwas an Geschwindigkeit einbüßt. Damit ist auch der auffälligste Unterschied zwischen LXDE und XFCE beschrieben: LXDE ist ein ganzes Stückchen flotter als XFCE – was jedoch nur auf älteren Computern wirklich auffällt –, XFCE bietet dafür etwas mehr Komfort.
Wenn es auf jedes Bisschen Speicherplatz, RAM und Rechenleistung ankommt, weil der Computer klein oder alt ist, hat LXDE tatsächlich die Nase vorn. Kommt es auf die Geschwindigkeit nicht an, steht man weiterhin vor der Qual der Wahl, wenn man auf der Suche nach einer Alternative zu GNOME und KDE ist. Dann werden die oben genannten Kleinigkeiten ausschlaggebend.