Der unterschätzte Fenstermanager – PekWM im Test

7. Juni 2012

Über mangelnde Alternativen kann man sich unter Linux bekanntermaßen nicht beklagen. Ist man mit einer Desktopumgebung nicht mehr zufrieden, nimmt man einfach eine andere. So gibt es neben zig Desktops auch unzählige Fenstermanager. Im Zuge der Smartphonisierung der Desktops und der damit einhergehenden konzeptionellen Verschlankung der Oberflächen erleben diese sogar eine Renaissance: sie kommen auf Subnotebooks und Netbooks zum Einsatz, aber man kann mit ihrer Hilfe auch liebgewonnene Desktops einfach nachbauen.

Aber warum eigentlich müssen da schon wieder ein paar Software-Egomanen den gefühlt dreihundertsten Fenstermanager programmieren? Haben wir nicht genug davon? Können die Entwickler sich nicht einfach mal zusammentun und bestehende Konzepte verbessern, statt ständig das Rad neu zu erfinden? Nein, können sie nicht – und das glücklicherweise. Denn dadurch entstehen prinzipiell zwar sehr verwandte Produkte, die sich jedoch in ihren Feinheiten stark unterscheiden – und somit jedes für sich zu einem unglaublich facettenreichen Ganzen beiträgt.


PekWM-Seite in PekWM

So auch der schnelle Windowmanager PekWM. In der Tat vereint PekWM Funktionen, die die anderen Fensterzeichner nicht haben oder nicht in dieser Kombination anbieten. PekWM ist weniger bekannt als Klassiker wie IceWM oder das weitverbreitete Openbox. Es ist ein Fenstermanager, der zur Abwechslung einmal nicht auf Blackbox zurückzuführen ist, auf den ersten Blick ist PekWM trotzdem am ehesten mit Openbox vergleichbar.


Das PekWM-Hauptmenü

Es gibt wie dort kein Panel, nur ein Menü bei Kontextklick auf den freien Desktop – PekWM ist ein reiner Fenstermanager. Bedienung und Erscheinungsbild sind nahezu identisch wie bei Flux- oder Openbox.

Einstellungen

Auch wenn er zunächst unscheinbar daherkommt – PekWM ist recht komplex aufgebaut und vielseitig. Das macht ihn unglaublich anpassbar, auch für Spezialanforderungen findet man eine Lösung, auf der anderen Seite verkompliziert es die Administration. So nutzt PekWM standardmäßig etwa ein mausfolgendes Fokusmodell. Fenster werden aktiviert, wenn sich der Mauszeiger über ihnen befindet – nicht erst, wenn auf das Fenster geklickt wird. Um dieses Verhalten zu ändern und das klassische Aktivieren-bei-Klick-Verhalten wiederherzustellen, müssen ein halbes Dutzend Zeilen in der Konfigurationsdatei auskommentiert werden, das simple Umlegen eines einzigen Schalters reicht nicht. Einstellungen werden generell über die Textdateien im Profilverzeichnis vorgenommen, wie bei z.B. Fluxbox getrennt nach Tastatur, Maus, Menüs oder allgemeinen Einstellungen. Eine rudimentäre Einstellungsverwaltung über Menüs wie bei Fluxbox oder gar ein Mini-Kontrollzentrum wie obconf für Openbox existieren jedoch nicht. Lediglich das Theme, d.h. die Fensterdekoration, lässt sich auch mit der Maus ändern.

Geteilter Platz ist doppelter Platz

PekWM bietet die Möglichkeit, dass sich mehrere Fenster oder Programme ein einzelnes Fenster teilen können, ein Feature, das vor allem von Fluxbox bekannt ist. KDE beherrscht es inzwischen auch. Man schnappt sich mit der mittleren Maustaste ein Fenster, lässt es auf eine andere Titelleiste fallen – und schon beherbergt die Titelleiste auf einmal beide Fenster.


Gruppierte Fenster, geteilte Titelleiste

Auf diese Weise kann man mit „Tabs“ arbeiten, auch wenn Programme dies eigentlich nicht unterstützen – und die normale Taskleiste aufgeräumt halten, sofern man eine hat. Dies lässt sich auch automatisieren.

Keine Wünsche offen

Auch bei den „Basics“ kann PekWM punkten und manche Ärgernisse bei der Konkurrenz vergessen machen. Wo Fluxbox nur ein nach Arbeitsflächen verschachteltes Fensterlistenmenü bietet, listet PekWM auf Wunsch auch alle geöffneten Programme aller Desktops gemeinsam auf – oder alle anderen außer dem aktiven, oder auch nur alle minimierten.


Die Fensterliste in PekWM

Eine arbeitsflächenübergreifende Fensterliste hat auch Openbox, patzt dafür aber an anderer Stelle, nämlich z.B. beim Verschieben von Fenstern, ohne dabei den Inhalt anzuzeigen. Hier springt PekWM in die Bresche, CPU-schonendes Fensterjonglieren ist hier möglich.

Shortcuts für Fortgeschrittene

Ein Alleinstellungsmerkmal von PekWM sind hingegen die Tastenkürzelgruppen. Wer ein Freund der Tastatursteuerung ist und sich schon immer darüber geärgert hat, dass die Tastatur nur begrenzt Tasten für Tastenkürzel zur Verfügung stellt, findet bei PekWM das Paradies. Denn PekWM bietet die Möglichkeit, Tastenkürzel zu Bereichen zusammenzufassen, quasi zu Bouquets zu bündeln: Während man mit Strg + Alt + E woanders z.B. den Dateimanager aufrufen würde, den Befehl also normalerweise direkt ausführt, kann PekWM so eingestellt werden, dass ein Tastenkürzel seinerseits wiederum als Tastenkürzelbestandteil funktioniert: Beispielsweise Strg + Alt + E würde dann zunächst nichts bewirken – erst mit Drücken einer weiteren Einzeltaste kommt es zur Aktion. Auf diese Weise könnte man z.B. mit Strg+Alt+E plus E im Dateimanager den Home-Ordner aufrufen, mit Strg+Alt+E plus D den Desktop-Ordner, mit Strg+Alt+E plus L den Download-Ordner usw. Die normalen Shortcuts bekommen dadurch gewissermaßen „Untermenüs“. Natürlich lassen sich herkömmliche Tastenkombinationen auch mit der erweiterten Bedienweise mischen.

Schlicht und schnell

Da ein Panel oder Dock fehlt, darf sich der Nutzer bei Bedarf etwas Passendes selbst dazusuchen. GLX/Cairo-Dock, Wbar, Fbpanel, Tint2 – alle üblichen Verdächtigen arbeiten einwandfrei mit PekWM zusammen. PekWM selbst ist stabil und äußerst schnell. Gefühlt spielt es in derselben Liga wie IceWM. Im Gegensatz zu diesem kommt PekWM mit einer Auswahl an alltagstauglichen Fensterdekos, die nicht gleich an Sternenkampf Galactica erinnern. Als einziges Manko fallen die spartanischen Voreinstellungen auf. Bekannte Kürzel wie etwa Alt+F4 zum Fensterschließen, Alt+F2 für den Ausführen-Dialog oder das Legen des Hauptmenüs auf die Windowstaste muss man sich selbst einrichten, das ist jedoch schnell erledigt.

Kommandos („Actions“) für die keys-Datei:
ShowMenu Root = Hauptmenü anzeigen
ShowMenu goto = Fensterliste
ShowCmdDialog = Befehl-ausführen-Fenster aufrufen
Close = Fenster schließen
Exec Programmname = ein Programm starten

Um PekWM zusammenfassend zu beschreiben, könnte man sagen: es ist klein, schnell, mächtig – und wird aktiv weiterentwickelt. Ein Geheimtipp für alle, die sich die großen Desktops nicht (mehr) antun möchten, aber mit Openbox, IceWM & Co. noch nicht ganz das Richtige gefunden haben.


aus der Kategorie: / Tests /

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Kommentare

Smartphonisierung der Desktops und der damit einhergehenden konzeptionellen Verschlankung der Oberflächen

PekWM ist z.B offenbar sehr schlank, deswegen aber noch lange nicht für Smartphones geeignet. Abgesehen von der Oberfläche von Android fällt mir auch keine ein, die es ist und noch aktiv entwickelt wird.

FERNmann · 8. Juni 2012, 11:05

Ja, PekWM ist natürlich keine Smartphone-Oberfläche, um das noch mal deutlich klarzustellen. Mit “Smartphonisierung” ist der (optische, Design-) Trend gemeint, auch auf dem Desktop “leichtere” Konzepte ohne überladenes Erscheinungsbild auszuprobieren (Gnome-Shell oder Unity lassen diesen Ansatz erkennen). Im übertragenen Sinn, nicht im technischen.

Pinguinzubehör · 8. Juni 2012, 11:25

Ein wunderbarer WM, gerade dass er nicht ganz so einfach zu konfigurieren ist, erhöht den Reiz. Herzlichen Dank für den aufschlussreichen Beitrag!

— hk · 5. Oktober 2014, 19:29

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