Die Veröffentlichung von Windows95 war einst eine Sensation, denn mit dieser Version des Microsoft-Betriebssystems wurde das Konzept der Fensterliste populär: Wechseln zwischen Fenstern mittels einer Taskleiste. Was uns heute selbstverständlich erscheint, war damals eine aufregende Neuerung.
Doch so genial die Idee auch war, geöffnete Fenster einfach als Balken in einer Leiste am unteren Bildschirmrand darzustellen, die den Fensternamen und das Programmsymbol anzeigten, so unpraktisch war das Konzept, wenn man zu viele Fenster öffnete: Die Balken schrumpften so sehr in der Breite zusammen, bis man die Beschriftungen nicht mehr lesen und sogar irgendwann die Symbole nicht mehr erkennen konnte.
WindowsXP-Taskleiste, Fensterleiste ungruppiert
In späteren Windowsversionen wurde diese Methode daher perfektioniert, man begegnete diesem Problem mit dem Gruppieren, dem Zusammenfassen von Fenstern, die zu einem Programm gehörten. Unter Windows gruppierten sich in späteren Versionen die Fenster automatisch zu einem einzigen Balken, wenn zu viele verschiedene Programme geöffnet wurden, erst nach einem weiteren Klick öffnete sich die komplette Liste.
Unter Linux gibt es z.B. mit dem Tint2-Panel den Versuch, dieses Grundkonzept auf die unter Linux typischen virtuellen Desktops anzupassen.
Apple machte für sein Dock gleich einen radikalen Schnitt, vereinigte Programmstarter und Fensterliste in nur einer Funktion und „gruppierte“ die Fenster quasi von Anfang an – eine Form, die nun auch Windows 7 übernommen hat. Doch im Kern geht alles auf das Windows95-Design zurück, im Prinzip sind sämtliche Docks, Taskleisten und Panels dasselbe, arbeiten nach demselben Schema. Alles was danach kam, waren nur Variationen dieser Idee. Das aktuelle Mac OS X genauso wie Windows 7, KDE 4 oder Ubuntus Unity.
Heute wirkt diese Methode der Fensterverwaltung beinahe schon antiquiert, erfreut sich aber nach wie vor großer Beliebtheit. Doch gerade in jüngster Zeit wird versucht, sich von dem bewährten Konzept zu lösen. Als Vorreiter versucht derzeit Gnome 3 mit seiner Gnome-Shell einen ganz anderen Ansatz – mit teils verheerenden Auswirkungen für die Benutzererfahrung.
Die Taskleiste bzw. das Panel dürfte die Funktion sein, mit der die Mehrheit der Nutzer auf sämtlichen Systemen heutzutage ihre Fenster verwaltet. Doch die Taskleiste ist nur eine von mehreren Möglichkeiten, es gibt Alternativen.
Tastenkürzel
Mit der Tastenkombination Alt+Tab kommt man sowohl unter Windows als auch den meisten Linux-Oberflächen reihum an seine Fenster, ohne mit der Maus auf das Panel fahren zu müssen. Beim Mac funktioniert es mit Command+Tab. Die Symbole werden in der Bildschirmmitte eingeblendet, dazu die Bezeichnung des gerade angewählten Programmes.
Dieser Fensterzugriff ist sehr praktisch, wenn man nur wenige Fenster geöffnet hat und schnell und oft zwischen nur zwei oder mehreren wechseln möchte, ohne jedes Mal zur Maus greifen zu müssen. Doch diese Methode wird unkomfortabel, wenn zu viele Fenster auf dem Monitor kleben.
Spielkartenmodus
Diese Form der Fensterwahl ist die modernste, aber im Grunde auch schon wieder ein alter Hut: Apple führte sie als erstes unter dem Namen „Exposé“ ein, unter Linux machte vor allem der Compiz-Fenstermanager dieses Feature nutzbar. Inzwischen ist es auch in KDE fest eingebaut und kann optional zum Panel genutzt werden – und Gnome setzt standardmäßig darauf.
Auch nicht mehr wirklich übersichtlich: viele Fenster im exposéartigen Modus, hier Gnome 3
Meist durch eine Bewegung mit der Maus werden alle vorhandenen Fenster animiert verkleinert und nebeneinander auf dem Desktop dargestellt – samt tatsächlichem Inhalt, nicht bloß mit Symbolik und Namen. Verfügbare Fenster werden wie eine Art Kartenlegen dargestellt. Dies ist unter Aspekten der Benutzerergonomie eine der intuitivsten Formen des Taskmanagements, da die Programmauswahl nicht „gelesen“, sondern bloß „betrachtet“ werden muss, der Nutzer erinnert sich eher daran, wie das Fenster samt Inhalt zuletzt ausgesehen hat, erst dann an den Namen des Programms. Doch auch diese Methode findet ihre Grenzen, nämlich dann, wenn sehr viele Fenster gleichzeitig vorhanden sind. Die Vorschau-Bildchen werden zu klein, um noch etwas erkennen zu können und untereinander verwechselt. Mit virtuellen Desktops wird versucht, diesem Effekt entgegenzuwirken, doch dann wiederum leidet die Gesamtübersicht.
Fensterlistenmenü
Wer wirklich regelmäßig mit sehr vielen Einzelfenstern und -programmen arbeitet und den Überblick über diverse virtuelle Desktops behalten will, kommt an der klassischsten aller Möglichkeiten der Fenstersortierung nicht vorbei: dem Fensterlistenmenü. Ein Konzept, das seit dem Siegeszug der Taskleiste etwas in Vergessenheit geraten ist, aber immer noch einige Vorteile bietet – gerade für die „Poweruser“.
Das Fensterlistenmenü des XFCE-Desktops
Unter Windows gibt es diese Funktion nicht, unter Linux gehört sie quasi nach wie vor zum Standard, auch wenn sie nicht im Fokus steht und man – je nach verwendeter Desktopoberfläche – etwas nach ihr suchen muss.
Der Vorteil von Fensterlisten liegt darin, dass sie in Sachen Übersichtlichkeit ab einer gewissen Fensteranzahl ungeschlagen ist: denn die Fenster werden untereinander mit vollem Namen aufgelistet, ebenso schön sortiert und mit einem Blick erfassbar sind die Programmsymbole. Während eine Exposé-Auswahl zwar stylisch aussieht und das Fenster samt tatsächlichem Inhalt verkleinert abbildet, aber man am Ende doch nach Einzelfenstern lange suchen muss, man bei Alt+Tab ziemlich lange tippen und im Panel oft nur noch anhand des Programmsymbols raten kann, gelingt mit der Fensterliste eine schnelle und gezielte Anwahl eines bestimmten Fensters – sogar über virtuelle Desktopgrenzen hinweg: man sieht auf einen Blick, welche Programme/Fenster zurzeit auf welcher Arbeitsfläche aktiv sind. Wer sich vor dem Herunterfahren des PCs schnell vergewissern möchte, ob keine Programme mehr laufen, greift zur Fensterliste.
Desktops mit Fensterlisten
Bei diversen Linuxoberflächen ist ein Fensterlistenmenü verfügbar, manchmal als Standardfunktion schon aktiv, jedoch weniger prominent platziert. In den meisten Fällen ist sie nur als optionale Komponente vorgesehen und muss erst eingerichtet werden.
Gnome
Das alte Gnome 2 bot im Panel eine optionale Fensterliste in Form eines Applets an. Die neue Gnome-Shell hat keine Fensterliste, sie ist die Fensterliste in Exposé-Form. Eine globale Fensterliste gibt es nicht mehr.
KDE
Für KDE 4 gibt es ein Fensterlistenmenü als Plasmoid für das Panel. Über die Einstellungen im Kontextmenü kann es konfiguriert werden.
XFCE
Bei XFCE ist die Fensterliste Teil des regulären Desktops: Ein Mittelklick auf den Desktop zaubert es hervor. Auch im Panel lässt sich ein entsprechendes Menü integrieren, indem man es aus der Liste der angebotenen Erweiterungen hinzufügt.
Fluxbox
Auch bei Fluxbox bringt ein Mittelklick auf den leeren Desktop das Fenstermenü zu Tage. Das Fenstermenü von Fluxbox ist anders als das seiner Konkurrenten bereits in Untermenüs aufgeteilt: jeder virtuelle Desktop sowie die minimierten Fenster haben ihr eigenes Menü. Das sorgt für Aufgeräumtheit, verschlechtert aber dennoch die Übersichtlichkeit, weil für einen schnellen Überblick erst die einzelnen Untermenüs durchsucht werden müssen.
Ein Fenstermenü, das alle offenen Fenster gemeinsam auflistet, existiert hier nicht.
LXDE/Openbox
Das Fenstermenü bei LXDE bzw. Openbox erreicht man ebenfalls über den Maus-Mittelklick auf den Desktop oder ein selbstgewähltes Tastenkürzel.
IceWM
Die Fensterliste bei IceWM versteckt sich gleich neben dem Start-Button in der Taskleiste, hier sind Taskleiste und Taskmenü also sogar quasi gleichberechtigt. Außerdem kann man mit der Tastenkombination Strg+Alt+Esc die Fensterliste in einem separaten Fenster aufrufen.
Die ideale Oberfläche bietet dem Nutzer die Wahl, welche Methode er nutzen möchte. Breite Taskleiste, kombiniert mit Dock-Funktion, ergänzende Exposé-Funktion oder eben Fensterlisten, Fensterlisten im Panel, auf dem Desktop, im eigenen Fenster oder separat – je nach Erfordernis bietet jede Möglichkeit ihre Vor- und Nachteile.