Wie Firefox seine Reputation gefährdet

18. August 2011

Firefox entwickelt sich langsam aber sicher zum Google-Chrome-Kopierverein. Diesen Eindruck erhält man, wenn man die derzeitige Entwicklung und die künftigen Pläne verfolgt. Schnellere, feste Release-Zyklen, Abschaffung der sichtbaren Versionsnummern, ähnliches Design. Der interessante Unterschied ist: bei Googles Browser scheint es „cool“ zu sein, bei Firefox zu nerven.

vergilbtes, zerbrochenes Firefoxlogo

Über den Verdacht, gegen seine eigenen Anwender zu entwickeln, war Firefox bislang erhaben, selbst wenn in der Vergangenheit und auch aktuell fragwürdige Dinge passierten und passieren. Doch so groß wie in diesen Tagen war der Aufschrei noch nie. „Unseriös“ oder „idiotisch“ sind noch die harmloseren Bezeichnungen, die hierbei fallen.

Worum geht es? Hauptkritikpunkt ist der neue Veröffentlichungsrythmus und die damit verbundene Abschaffung von Unterversionen. Jeder Firefox eine neue Hauptversion, so ist die aktuelle Situation. Obwohl seit Firefox 4 nun derart verfahren wird, sind die Medien bei der Veröffentlichung von Firefox 6 erneut regelrecht auf diesen „Trick“ hereingefallen. Die Mehrheit der Meldungen wunderte sich, dass es praktisch gar nichts Neues im neuen Firefox gebe. Kein Wunder, handelt es sich bei Firefox 6 nach traditioneller Zählweise doch eher um eine Art Firefox 4.0.3.

Exemplarisch sei hier „Bild Online“ genannt, die Mozilla mit gewohnt exzessiver Verwendung von Ausrufezeichen vorwirft, dass aufregende Neuerungen ausgeblieben wären, und sogar in die Irre führt, indem behauptet wird, Add-ons blieben bei einem Update erhalten. Das stimmt zwar – nur funktionieren sie nach einem Update eben meist nicht mehr. Genau hier liegt das Problem. Durch die neue rasante Versionierung und die damit einhergehende Abschaffung von „Service-Updates“, hat man jedes Mal nach nur 45 Tagen eine völlig neue Firefox-Version – mit jedes Mal wieder inkompatiblen Erweiterungen oder gar entfallenen Funktionen.

Die nunmehr aufgekommene Idee, künftig die Versionsnummern vor dem Nutzer zu verstecken, wird dabei als Versuch wahrgenommen, dieses Problem der Inkompatibilitäten durch zu häufige Major-Release-Veröffentlichungen zu kaschieren – und letztlich den Erstellern der Add-ons den Schwarzen Peter zuzuschieben. Doch vermeintlich unwichtige Informationen vor dem Benutzer zu verstecken, das kommt gar nicht gut an.


Vorbild Google-Browser: die Versionsnummer spielt hier keine Rolle, weder Downloadseite noch Installationsdatei verraten das Release


Bislang noch nicht versteckt: Versionsnummern bei Firefox sind erkennbar

Nun werden die Rufe insbesondere im Linuxlager nach einem Fork, nach Unabhängigkeit von Mozilla, nach einem „eigenen Linuxbrowser“ laut. Sicherlich wird Firefox als der Linuxbrowser wahrgenommen, doch „den“ Linuxbrowser kann es institutionell gesehen natürlich nicht geben, da es „das“ Linux nicht gibt. „Die“ Linuxbrowser hingegen existieren längst: Konqueror (KDE), Epiphany (Gnome) und Midori (XFCE). Die Situation ist damit lustigerweise fast dieselbe wie unter Windows: das System bringt einen Standardbrowser mit, aber niemand benutzt diesen freiwillig. Flugs werden entweder Firefox, Chrome/Chromium oder Opera nachinstalliert.

Und mit „Iceweasel“ gibt es zumindest bei Debian auch bereits einen Fork von Firefox, einen reinen „Linux-Firefox“, wenn man so will. Inzwischen muss man sagen, dass Debian damals in weiser Voraussicht gehandelt hat, denn nun ist man hier unabhängig von den Eskapaden Mozillas und kann für seine Anwender auch längere Supportzeiträume garantieren als lediglich lächerliche anderthalb Monate.

Ob sich Mozilla mit dem neuen Versionsschema viele neue Freunde macht, bleibt abzuwarten, derzeit sieht es eher so aus, als würde man die bereits gewonnene Anwenderschaft vergraulen.

PS. Auf Knetfeder.de verzichten wir auf eine spezifische Firefox-6-Rezension, da die Veränderungen tatsächlich nur minimal ausfallen; der bisherige Artikel zu Firefox 4 ist weiterhin aktuell. Stattdessen ist ein ausführlicher Bericht zu den Problemen mit der neuen Mozilla-Releasepolitik erschienen.

Disclosure: Der Autor ist Initiator des alternativen deutschen Sprachpakets für Firefox.


aus der Kategorie: / Tratsch / Browser

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Kommentare

Es ist schon traurig, mit ansehen zu müssen, wie die Mozilla Foundation bei ihrem erfolgreichsten Projekt eine Selbst-Demontage ohnegleichen betreibt und dabei einen enormen Vertrauensverlust wie nie zuvor einfährt. Zufällig habe ich mich heute durch den zugehörigen Bugzilla-Eintrag ( https://bugzilla.mozilla.org/show_bug.cgi?id=678775 ) durchgewühlt und mir scheint, dass zumindest die (meisten) Entwickler die Strategie der schnellen “major releases” und der “silent updates” nicht wirklich befürworten. Man kann nur hoffen, dass die Marketing-Fuzzies bei Mozilla noch rechtzeitig zur Vernunft kommen.

— Helmut · 18. August 2011, 03:50

Statt sich mit Unfug wie Versionsnummern zu konzentrieren sollte die Mozilla Foundation lieber etwas an der Performance und Optimierung ihres Browsers arbeiten. Seit Version 3 hat sich eigentlich nichts bewegendes mehr beim Firefox getan während Google langsam aber sicher – vor allem in Sachen Plugins, der großen Stärke von Firefox – vorbeizieht…
Gute Software braucht kein Marketing.

ms · 18. August 2011, 07:46

Kann hier die ganze Kritik nicht ganz nachvollziehen. Die Beschleunigung des Release-Zyklus ist notwendig, wenn sich FF gegenüber Chrome behaupten will.

Das mit den Versionsnummern ist wie ich finde Geschmackssache, weil ob es FF 4.2 heißt oder FF 6 ist ja bei der Benutzung egal und macht den FF weder besser noch schlechter.

Die Argumente der Mozilla-Leute in diesem Punkt kann ich hier durchaus verstehen.

Manche Add-Ons mögen anfangs nicht mehr funktionieren, meistens ist hier vom Entwickler aber ohnehin nur eine Variable anzupassen. Mit Jetpack wird das Problem sowieso gelöst.

— nik · 18. August 2011, 08:59

Seit Version 3 hat sich sehr viel an der Performance und Optimierung ihres Browsers getan, daran liegt es sicher nicht.
Eher schwächelt hier Google-Chrome in seiner Parade- Disziplin bei den letzten Versionen, der immer mehr Funktionen bekommt und damit “Fetter” und Träger wird.
Das Entrümpeln des FF in den letzten Versionen hat ihm eigentlich in dieser Beziehung Gut getan.
Nicht Gut ist sind die schnellen Major-Release und damit die andauernde Inkompatibilität der Plugins.
Hier brauchte es wohl eine neue Schnittstelle für die Erweiterungen, damit diese auch mit neuen Major-Release Funktionieren, denn von den Plugins hängt die Beliebtheit des FF entscheidend ab.
Ein Problem ist auch das es unter Linux keine einheitliche Update Funktion gibt wie für Windows, was aber größtenteils ein Problem der Distributionen ist.
Zudem was sollte bitte ein Fork den Bringen? Die Entwicklung gibt dann auch Mozilla vor und der Fork könnte sich kaum davon trennen, schon in Hinblick auf der Plugin Kompatibilität und anderem.

— Mika B. · 18. August 2011, 09:07

Insgesamt scheinen in der Open-Source Welt momentan seltsame Dinge zu passieren. :-(
Ob nun Gnome3, Unity bei Cannonical oder eben die Versionierung von Firefox. Eigentlich ist mir das ja alles egal, denn ich will ja nur mit der Software arbeiten, aber scheinbar sind Marktanteile dann doch wichtiger als Produktivität und Stabilität.
Immer was neues… anpreisen als die Eierlegendewollmilchsau.
Die großen Projekte der Open-Source demontieren sich grad selbst.
Und es macht wenig Freude, dabei zusehen zu müssen.
Wen hätte es denn gestört, wäre Mozilla bei der alten bewährten Zählweise geblieben? Mich nicht und den anderen Anwendern wahrschl. auch nicht unbedingt.
Klar… Major-Releases passen besser auf ein T-Shirt. Sähe ja auch bescheuert aus mit einem 4.0.3 … das wäre dann nur in XL Größe möglich. :-)

— Dirk · 18. August 2011, 09:57

Entweder die Projekte werden aktuell von der Konkurrenz unterwandert oder die oberen Köpfe werden größenwahnsinnig.

Was bringt mir ein Firefox, mit den Eigenschaften von Chrome? Wenn ich einen Browser mit den Eigenschaften wie Chrome haben möchte, besorge ich mir Chrome. Ich nutze Firefox, weil er Eigenschaften hat, die Chrome nicht hat.

Mit den ständigen Major-Releases vergraulen wir uns alle Businessanwender.

Firefox ist das große Vorzeigeprojekt, was es auf die normalen Anwender-PCs geschafft hat. Wir sind gerade dabei, uns das alles zu zerstören.

— hax404 · 18. August 2011, 11:31

Das Firefox Problem zeigt auch ein Linux Problem wie sich auch bei Gnome3, Unity ect zur Zeit anzutreffen ist.

Hier werden in der Optik “potemkinsche Dörfer” aufgebaut um irgentwie Nutzer anzulocken. Damit werden aber nur die Schwachstellen in der Treiberproblematik, fehlende prof. Anwendungs-Programme / Spiele ect. Kaschiert.
Es wird allenthalben nur noch über die Linux Optik eines Gnome3, Unity oder Versionsnummern von Browsern Berichtet und Gestritten.
Wirklich wichtige Progamme / Projekte wie Treiber für aktuelle Hardware, “Open Office”, “Gimp” oder das “Btrfs Dateisystem” Dümpeln vor sich hin oder geraten immer mehr ins Abseits.
Wichtige Kommerzielle Software ist wegen dem Marktanteil an Linux nicht besonders Interessiert.
Ob sich die Nutzerzahlen durch dieses “Blendwerk” steigern lassen waage ich daher zu Bezweifeln. Eher wird die Stammkundschaft Vergrault.
Was nützt denn die beste Dektop Optik und Effekte wenn der Grafikkarten Treiber Lahmt oder nur bei 5 jahrer alter Hardware richtig Funktioniert?

— Mika B · 18. August 2011, 12:39

Warum muss man denn Chrome kopieren? Ja, Chrome ist gut, ich nutze ihn selbst, aber primär wegen den plattformübergreifenden Synchronisationsmöglichkeiten, die er onboard hat. Und ich nutze auch Firefox, weil er momentan neben Safari der einzige Browser mit echtem Farbmanagement ist. Aber das bedeutet doch nicht das jetzt alle Browser wie Chrome aussehen und funktionieren müssen?

Und warum man nicht in der Lage ist mal über einen längeren Zeitraum stabile APIs anzubieten ist mir auch schleierhaft. Wenn bestimmte Features API-Anpassungen erfordern, dann müssen diese Features halt bis zur nächsten API-Anpassung warten. Da kann man dann auch gleich mehrere Anpassungen zusammenfassen und macht es den Plugin-Entwicklern auch leichter.

Und das Theater mit den Versionsnummern hätte ich schon lange ganz anders gelöst: YYYYMMDD und fertig. Eindeutiger und informativer gehts doch wohl nicht. Wohin wollen wir denn in 10 Jahren sonst zählen?

Uwe · 18. August 2011, 13:07

Na und KOMMA Shuttolworth gefährdet vielleicht die Reputation von Ubuntu = “Unity Diktat”.
Bzgl Firefox benutze sowieso Googel Crome ( unter Windows ), weil er einfach agiler zu bedienen ist…

— Ubukus · 18. August 2011, 16:09

Ich finde es nicht schlimm, dass es keine Versinsnummern mehr geben soll. Welcher „Normalsterbliche“ schaut sich selbige an? Der 08/15-User weiß nicht mal, wo/wie er die Versionsnummer rausbekommt.

Nik sprach es weiter oben schon an: Jetpack wird die Kompatibilitätsprobleme lösen. Die Major-Extesnsions NoScript und Adblock Plus funktionierten bisher mit jeder Alpha. Als gestern die Alpha 9 erschien, funzten beide auf Anhieb.

UbuntuFlo · 18. August 2011, 18:56

Oh man – anstelle immer nur über vermeintliche Fehler in den Entwicklungen von Gnome, Ubuntu und Firefox zu debattieren, sollte man lieber auch mal die Nachteile des Internets ansprechen. Jeder Spacko kann seinen geistlosen Senf dazu geben.
Es ist ja wirklich fürchterlich, dass Mozilla neue Funktion schneller an den Nutzer bringen will. Das wird ja hier relativ gegenstandslos (bis auf die Pluginproblematik – ist aber auch aus der Luft gegriffen und so nicht wahr) kritisiert. Muss so ein Grundaxiom des Guten und Richtigen in unserem Universum sein, dass es toll ist, auf neue Funktionen, welche schon längst fertig entwickelt sind, noch ewig warten zu müssen. Auch egal, ob diese schon längst fertig sind und nur gewartet werden muss, bis noch viele andere Funktionen, welche inhaltlich nichts miteinander zu tun haben, bereit stehen, damit es ein neues Release rechtfertigt.
Und für alle, die auf altbewährtes stehen – ich habe einen Geheimtipp für euch: DOS. Oder noch besser – eure Omas haben bestimmt noch alte Schreibmaschinen und einen Kerzenständer oben auf dem Dachboden stehen. Dann gibt’s auch keine Probleme mit den Plugins.

— Aki · 18. August 2011, 20:22

Ich bin mit Firefox 3.0 auf Opera umgestiegen, weil mir schon damals die Richtung nicht gepasst hat, die Mozilla eingeschlagen hatte. Darüber hinaus wurde Firefox 3 erst mit der Version 3.6 wirklich stabil und benutzbar.

Aber ehrlich gesagt, hat mit FF 4.0 dann wieder besser gefallen, aber da mir Opera alles bietet, was ich brauche, bleibe ich auch bei diesem.

Über die Versionsnummernpolitik von Mozilla für Firefox und Thunderbird kann man sich sicherlich streiten, aber wenn Mozilla erst mal das Addon-Problem in den Griff bekommen hat, dann spielt die Versionsnummer doch eh keine Rolle mehr. Sowieso denke ich, dass Versionsnummern einer viel zu große Roll zugeordnet werden. Wen interessiert die denn eigentlich? Aber darüber hinaus, sollte sich Mozilla wirklich ein Lösung für Firmen bzw. Business-Kunden ausdenken (z.B. in Form einer LTS-Version, wie es Canoncial macht).

Außerdem finde ich es schon sehr interessant, wie hier einige reagieren. Ich verstehe außerdem nicht den Zusammenhang zw. Mozillas Versionspolitik und Gnome3 sowie Unity.

Ich denke Canoncial hat mit Unity die richtige Richtung eingeschlagen. Aber auch die Gnome3-Shell finde ich sehr ansprechend auch wenn im Moment Unity bei mir die Nase vorn hat. Ich finde es jedenfalls gut und richtig, dass Gnome2 endlich der Todesstoß verpasst wurde. Ich fand es schon immer “altbacken”, hässlich und benutzerunfreundlich. Aus diesem Grund setze ich auch auf KDE, aber Unity hat das Zeug dazu, KDE auf meinem System abzulösen. Aber dazu muss auch unter Unity noch einiges geschehen, insbesondere hinsichtlich der Stabilität. Aber auf meinem Testsystem bin ich mit Unity unter Ubuntu 11.04 weitest gehend zufrieden, wenn man mal den relativ frühen Entwicklungsstand unter Ubuntu 11.04 von Unity berücksichtigt.

— seaman · 18. August 2011, 20:56

Benutze den beta-channel von firefox per ppa (1) plus den Compatibility Reporter 0.8.7 (2) unter Linux. Habe bislang keine Probleme damit, auch meine gut 30 Addons laufen alle…

(1) https://launchpad.net/~mozillateam/+archive/firefox-next
(2) https://addons.mozilla.org/de/firefox/addon/add-on-compatibility-reporter/?src=api

— uniquolol · 21. August 2011, 08:26

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iiycht · 30. November 2011, 01:06

Heute gibts schon Mozilla FF 26 und dort sind fast alle Einstellungstools verschwunden Artikel vom Dez 2013 Thema im Archiv Firefox schaft sein Downloadmanager ab dort habe ich auch ein Kommentar geschrieben und als Antwort den Download-Link ESR bekommen

— Ralle · 15. Januar 2014, 03:49

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