Als eine der Reaktionen auf die Veröffentlichung des Desktop Choosers kam der Hinweis, dass Window Maker fehlen würde. Window Maker? Gibt es den wirklich noch? Tatsächlich. Und er sieht immer noch so aus wie vor vielen Jahren. Und wie zum Hohn wird ausgerechnet der am traditionellsten wirkende Fenstermanager am aktivsten betreut. Während bei IceWM, Openbox oder Fluxbox nicht mehr viel los zu sein scheint, ist Window Maker gerade mal wieder in einer neuen Version erschienen.
Die Mac-OS-X-Bedienphilosophie erfreut sich auch unter Linuxanwendern einiger Beliebtheit, davon zeugt etwa die Nachfrage nach Dock-Nachbauten wie Docky, wbar oder GLX-Dock (vormals Cairo-Dock). Das bei opendesktop.org am häufigsten heruntergeladene Theme ist eine Aqua-Imitation. Mac-Stil ist auch bei Linux populär, spätestens seit Ubuntus Unity und die Gnome-Shell standardmäßig ebenfalls auf ein Dock als Panel setzen. Dabei schlummert die Mac-Philosophie schon länger in den Tiefen der Linux-Oberflächen: bei Window Maker.
Das Apple-Vorbild
Window Maker ist als Nachbau der Oberfläche von „NeXTStep“ konzipiert, ein System, das Apple kaufte und als Grundlage für die Entwicklung des späteren Mac OS X nahm. Aqua-Feeling kommt mit Window Maker daher nicht auf, da es älter ist als OS X, aber die typischen Bedienmuster, die man auch heute noch beim Mac findet, sind unübersehbar vorhanden. Das Dock, das laufende Anwendungen und Programmstarter vereint, und die Mac-artige Fensterverwaltung gibt es auch bei Window Maker.
Window Maker hat sich in den nunmehr 17 Jahren seines Bestehens nicht wesentlich verändert, aber es ist nach einer Durststrecke vor einigen Jahren wieder in aktiver Entwicklung. Die aktuelle Version ist gerade einmal vier Wochen alt. Auf die Windows-Welt übertragen wäre es ein Windows95, das immer noch gepflegt wird. Wie aus dieser Zeit gefallen sieht Window Maker in der Tat auch aus. Die Fensterelemente sind kastig, dunkelgrau und zeigen die übertrieben plastische Gestaltung der 90er Jahre, mit starken imitierten Schatten und Erhebungen. Die Fensterleiste kommt mit zwei Knöpfen aus, für Schließen und Minimieren, und wirkt ebenfalls schlicht-archaisch.
Window-Maker-Desktop mit Dock und geöffneten Einstellungen
Die Oberfläche strahlt etwas sehr Eigenes, Linux- bzw. Unix-Artiges aus, es ist einmal kein Abklatsch von Windows oder Mac, und auch kein CDE, die einst mit Unix oft verwendete Oberfläche, an der sich KDE oder XFCE orientiert haben. Als einziger der für Linux verfügbaren reinen Fenstermanager hat Window Maker ein eigenes Kontrollzentrum an Bord, mit dem sich nahezu alle Einstellungen auch graphisch mit der Maus erledigen lassen. Textkonfigurationsverwöhnte können die Einstellungen natürlich ebenso in Textdateien vornehmen.
Das Dock
Die Bedienung ist schnell erklärt: Jede gestartete Anwendung erzeugt ein Kästchen auf dem Desktop, das an den Rand an das Dock-Symbol geschoben werden und so im Dock verankert werden kann. Durch das Verankern bleiben sie auch nach dem Schließen dauerhaft sichtbar. Laufende Anwendungen erkennt man am Fehlen der 3 Pünktchen bzw. an vergrößerten Symbolen. Die gerade im Fokus befindliche Anwendung wird aufgehellt dargestellt. Das Dock erscheint zunächst nur als einzelnes Feld, nämlich das mit dem Treppenstufen-Symbol (das Logo von GNUstep). An dieses Icon lassen sich alle anderen “andocken”. Ein Doppelklick darauf öffnet zudem die Einstellungen. Ein Klick auf die Kästchen bringt alle Fenster einer laufenden Anwendungen in den Vordergrund. Klicken bei gedrückter Strg-Taste öffnet ein neues Fenster der bereits laufenden Anwendung. Minimierte Fenster werden als zusätzliche Kacheln auf dem Desktop abgelegt. Desktop-Icons für Dateien kennt Window Maker ansonsten nicht.
Anders als beim Mac ist das Dock also zunächst „unsichtbar“, es wirkt optisch wie eine Ansammlung von Anwendungs-Quadraten. Neben- oder untereinander angeordnet bilden die vielen Kästchen schließlich das gemeinsame Dock. Im Gegensatz zu anderen bekannten Docks kann ein Quadrat nicht nur Programmstarter aufnehmen, sondern auch komplette Anwendungen. Somit können im Dock Programme ablaufen. Dazu zählen etwa Kalender, Uhren oder etwa Systemmonitore. Window Maker bot damit also bereits eine Art Widget- bzw. App-Container an, lange bevor diese Schlagworte allgemein bekannt wurden oder Desktops wie KDE sie zum festen Bestandteil der eigenen Oberfläche machten. Die ursprünglichen sogenannten „Dock-Apps“ sind unter Linux jedoch stark in Vergessenheit geraten, neben Window Maker werden sie z.B. auch von Fluxbox und Openbox noch unterstützt.
Beispiel für ein Dock-App: Der Systemmonitor Bubblemon, der die CPU-Auslastung als Wasserstand darstellt – plus Quietscheentchen.
Abseits des Docks verhält sich Window Maker wie ein typischer Fenstermanager auch. Das Hauptmenü liegt auf der rechten Maustaste, wird über den Desktop oder auch ein Tastenkürzel erreicht und kann beliebig editiert werden – auch graphisch, indem neue Elemente während geöffneter Einstellungen einfach hineingeschoben werden. Auch eine arbeitsflächenübergreifende Fensterliste gibt es selbstverständlich.
Die Fensterverwaltung ist ebenfalls Mac-artig: Maximieren führt in der Regel nicht zu einem bildschirmfüllenden Fenster, sondern das Programm vergrößert sich nur relativ entsprechend des freien Platzes in der Breite. Wer ein Fenster tatsächlich in Fast-Vollbild möchte, muss es sich selbst entsprechend zurechtziehen. Nur eine globale Menüleiste, die gibt es nicht, denn als reiner Fenstermanager überlässt Window Maker das Befüllen der Fenster den eigentlichen Anwendungen – die können in diesem Fall von KDE, Gnome oder sonstwoher stammen. Bei Verwendung eines Themes wie z.B. Qtcurve bekommen sie auf Wunsch auch ein einheitliches Erscheinungsbild.
Einige Besonderheiten gibt es jedoch auch bei Window Maker. So werden Programme im Dock standardmäßig mit Doppelklick ausgewählt, den Einfachklick wie ansonsten üblich kann man im letzen Reiter der Einstellungen aktivieren. Eigene Tastenkürzel erstellt man Windows-like im Bereich der Anwendungsmenükonfiguration, nicht in den Tastenkürzel-Einstellungen. In letzteren werden nur die vorgegebenen Kürzel zur Fensterverwaltung geändert.
Arbeiten mit Window Maker
Window Maker besticht durch die Simplizität der Bedienweise, ohne dabei Einstellungen zu verstecken. Die Gefahr, dass man sich zu viel mit der Oberfläche beschäftigt, besteht aufgrund des relativ starren Konzepts nicht, man kann relativ zügig durchstarten. Das Konzept ist durchdacht, intuitiv, simpel und übersichtlich, nicht ohne Grund wird es Apple zur Grundlage seines Desktop-Betriebssystems gemacht haben. Optisch ist Window Maker eine Mischung aus Retro- und zeitlosem Design. Verschiebt man das Dock vertikal auf die linke Seite, sieht Window Maker zudem frappierend nach Unity aus.
Trotz der spartanisch und kantig wirkenden Oberfläche gibt es eine Menge pfiffige Funktionen zu entdecken. Wer keine Desktop-Icons braucht, findet hier einen schnellen und stabilen Fenstermanager, der sich bei der Fensterverwaltung stark wie Mac anfühlt – und eine gehörige Portion Charme mitbringt. Mit Window Maker erhält man einen flinken Fenstermanager, der bei gefülltem Dock etwas bunter daherkommt als die schnörkellosere Konkurrenz, bei dem man auf die typischen Fenstermanagervorteile aber nicht verzichten muss. Window Maker versöhnt Fenstermanager-Minimalismus mit Mausbedienung.
Auf Neulinge wirkt Window Maker zunächst abschreckend und veraltet, ist aber auch für Fenstermanager-Einsteiger aufgrund der graphischen Einstellungen intuitiv zu konfigurieren. Als erfahrenerer Fenstermanager-Fan muss man sich wiederum zunächst daran gewöhnen, dass bei Window Maker sehr viel mit der Maus möglich ist, z.B. das Umbenennen der Menüeinträge durch simplen Doppelklick.
Mit einer moderneren Optik versehen hätte Window Maker die Chance gehabt, das Mac OS der Linuxwelt zu werden – was mit dem Étoilé-Projekt sogar versucht wurde, welches sich nun letztendlich aber für einen anderen Fenstermanager entschieden hat und etwas andere Ziele verfolgt. Window Maker wird daher das bleiben, was es ist: ein schneller, ressourcenschonender Fenstermanager für alle, die Geschwindigkeit, einen guten Schuss Retro und dabei komfortable Bedienung zu schätzen wissen und etwas Extravaganteres suchen, als es die Platzhirsche KDE, Gnome & Co. bieten.