Linux scheint keine Überraschungen mehr zu bieten. Droht jetzt die große Langeweile auf dem Desktop?
Seit einigen Tagen gibt es Ubuntu und Fedora in neuen Versionen. Auch Manjaro hat neue ISOs auf den Markt geworfen. Und welche Neuigkeiten gibt es hier und da? Offenbar keine. Die Rezensionen schwanken unterm Strich zwischen „unspektakulär“ bis „läuft wie erwartet“. Das wirkt einerseits ein wenig, als würde den Kommentatoren nicht mehr viel einfallen oder als hätten sie gar die Lust verloren, sich mit den neuen Versionen zu beschäftigen. Da passt es fast schon ins Bild, dass Pro-Linux.de nach über 20 Jahren zum Ende des Monats den Betrieb einstellt, wie ein Menetekel, als gebe es fortan keine Neuigkeiten mehr. In der Tat verschwindet damit im deutschsprachigen Raum wohl das letzte der freien Linuxjournale.
Das aktuelle Ubuntu 20.04 mit Gnome
Die Frage muss daher erlaubt sein: Ist „Linux“ nun wirklich erwachsen geworden? Brauchen wir keine „Fanseiten“ und Unterstützerschriften mehr, keine Berichte und News zum Pinguinbetriebssystem, weil alles business as usual ist? Ja, den Eindruck könnte man tatsächlich gewinnen. Längst vorbei sind die Zeiten, in denen man auch auf nicht-exotischer Hardware verschiedene Distributionen durchprobieren musste, bis eine davon mal wirklich rundlief. Sogar die Upgrades von den Vorversionen auf die aktuellen Releases laufen reibungslos durch. „Saubere“ Neuinstallation, um an eine neue Version zu kommen? Verzichtbar geworden. Rolling-Release-Distributionen sind produktiv als Arbeitsumgebung einsetzbar.
Auch bei den Desktops ist so etwas wie Konsolidierung eingetreten. Ob KDE, Gnome oder sonst etwas – man weiß inzwischen, was einen erwartet. Bei den Oberflächen der jüngst aktualisierten Distributionen sind nicht einmal keine Buttons dort, wo sie nicht hingehören. Im Gegenteil, bei Ubuntu ist sogar einer verschwunden, nämlich der Amazon-Button.
Das aktuelle Fedora 32 mit XFCE
Das ist einerseits gut, weil sich so der Eindruck ergibt, dass man bei Linux keine großen Überraschungen fürchten muss. Es funktioniert einfach. Andererseits könnte es auch auf abnehmendes Interesse hindeuten. Und das wiederum wäre schade, denn allein die bestehende Fülle an Vielfalt im Linuxuniversum bietet eigentlich immer etwas, worüber es sich zu berichten lohnt. So aber beißt man sich an Lappalien wie dem verschwundenen Amazon-Button bei Ubuntu oder dem neuen RAM/Swap-Volllaufschutz bei Fedora fest.
Vielleicht gibt es aber auch gerade Wichtigeres in der Welt als neue Farben und Spielereien beim jeweiligen Lieblingslinux. Außerdem kann man sich sicher sein: Sobald irgendwann die nächste Plasma-Hauptversion ansteht, Edge Standardbrowser bei Ubuntu geworden ist oder Gnome den Dateimanager in eine Extension ausgelagert hat, wird es wieder genügend Diskussionsstoff geben.