Linux ist ein unheimlich fortschrittliches System – die Entwicklung verläuft rasant, und die vielfältigen Neuerungen kommen meist auch recht schnell beim Anwender an. Doch genau das ist nicht immer gewünscht. Die Fortschrittlichkeit wird zum Nachteil, wenn sich zu oft zu viel ändert. Natürlich gibt es eine große Schar an Interessierten, die stets das Neueste vom Neuesten ausprobieren will. Doch es gibt auch die Gruppe, die ein Linux einmal installieren will – und dann möglichst lange ohne böse Überraschungen damit arbeiten. Die Gruppe, die sich nicht um des Systems willen mit selbigem beschäftigen will.
Die Verfügbarkeit von Sicherheitsupdates der Linuxdistributionen ist im Vergleich zu etwa Windowsversionen teils lächerlich gering – obwohl man auch dort sein System nicht ewig laufen lässt, sondern vielleicht aus anderen Gründen gezwungen ist, neuzuinstallieren – sei es, weil man es zerkonfiguriert, zerinstalliert hat, oder mal wieder der nächstbeste Trojaner unterwegs war.
Dem großen Vorteil von Linux – der Stabilität – wird somit der Wind aus den Segeln genommen, wenn man das theoretisch unbegrenzt lauffähige System trotzdem immer wieder neu installieren oder updaten muss, weil die Distributoren ihre Unterstützung mit Sicherheitsaktualisierungen einstellen. Natürlich kann man auch ein Linux problemlos nach Ende der offiziellen Unterstützung weiternutzen – doch wenn man keine großen Sicherheitslücken riskieren will, muss man sich selbst um Updates kümmern. Angesichts der Vielzahl von Paketen, aus denen sich eine Distribution zusammensetzt, ein Unterfangen, das den Normalanwender und auch den Fortgeschrittenen in der Regel deutlich überfordert. Einen Browser z.B. kann man problemlos noch eine Zeitlang selbst aktuell halten, doch sobald es tiefer ins System geht, hört der Spaß auf.
Doch das Ziel, einmal Linux zu installieren und dann möglichst lange damit glücklich zu sein, ist in der Tat gar nicht so einfach mit den gängigen Distributionen zu realisieren. Erst vor kurzer Zeit hat Ubuntu die Unterstützung halbiert – und wer denkt, bei den anderen Distributionen sähe es viel besser aus, ist leider auf dem falschen Dampfer. Gerade die Distris, die sich mit einsteigerfreundlicher Oberfläche und Konfiguration empfehlen, haben meist eine kurze Mindesthaltbarkeitszeit.
Ubuntu
Ubuntu erscheint knapp jedes halbe Jahr neu – und wird nicht einmal ein Jahr lang unterstützt. Lediglich 9 Monate Unterstützung sichert Canonical seinen Ubuntuversionen seit 2013 (im Gegensatz zu 18 Monaten zuvor) zu. Wer sich also einen Tag vor Erscheinen der nächsten Version ein Ubuntu installiert, muss es nach 3 Monaten schon wieder auf die nächste Version upgraden, um auf der sicheren Seite zu sein.
Ubuntu LTS
Aber da gibt es ja auch noch LTS. Alle 2 Jahre wird eine Ubuntu-Version zur LTS-Version, also langzeitunterstützten Version (long term support) erklärt. Für diese Versionen wird 5 Jahre lang Unterstützung geboten, damit letztlich sogar mehr als bei der Basis – Debian – selber. Das macht den Malus der 9-Monats-Unterstützung der regulären Versionen wieder mehr als wett. Wer sich einen Tag vor Erscheinen der Folgeversion ein Ubuntu installiert, sollte also darauf achten, dass er zur LTS-Variante greift – die dann allerdings auch schon mal ein Jahr älter sein kann als die gerade aktuelle Version.
Fedora
Fedora erscheint ca. jedes halbe Jahr, meist im Mai und November. Unterstützt wird eine Distribution mindestens bis zum Erscheinen der übernächsten, in der Praxis bedeutet das 13 Monate. Versionen mit Langzeitunterstützung gibt es bei Fedora nicht. Somit kann man eine Fedora-Installation ohne gravierende Änderungen maximal ein Jahr am Stück nutzen.
Linux Mint
Linux Mint orientiert sich bei seinen Veröffentlichungen stark am zugrundeliegenden Ubuntu und kopiert daher auch dessen Supportzyklen. Statt wie bisher anderthalb Jahre bekommt man auf die neuesten Linux-Mint-Versionen nur noch die Hälfte der Zeit Garantie. Und da Mint in der Regel einen Montat nach Ubuntu erscheint, verkürzt sich der Supportzeitraum auf magere 8 Monate. Von Ubuntu übernimmt Mint allerdings auch den LTS-Zweig – und bietet aktuell für Version 13 (von 2012) noch Support bis 2017.
Mageia
Mageia soll alle 9 Monate erscheinen, die Versionen werden jedoch bis zum Erscheinen der übernächsten Version unterstützt, also insgesamt 18 Monate. In der Praxis erschien Mageia aber bislang ziemlich genau im 1-Jahres-Abstand, sodass die übernächste Version noch nicht bereitsteht, wenn die Unterstützung der aktuellen Version endet. Somit ist man letztlich doch wieder gezwungen, die jeweils aktuelle Version zu installieren, jede neue Version mitzumachen, will man ohne Unterbrechung ein sicheres Mageia nutzen. Die jeweils anderthalbjährige Unterstützung einer Version wird jedoch eingehalten.
Opensuse
Die grüne Distribution soll alle 8 Monate in einer neuen Version erscheinen und tut es auch; die geplanten Veröffentlichungen werden bei Opensuse meist eingehalten. Wie bei Mageia werden die Versionen anderthalb Jahre unterstützt, das Überspringen einer Version ist bei Suse daher problemlos möglich. Langzeitversionen gibt es bei Opensuse eigentlich nicht, das bei Opensuse angesiedelte Community-Projekt Evergreen bemüht sich allerdings um die Verlängerung der Unterstützung: es springt ein, wenn der Support eigentlich endet, und übernimmt für weitere anderthalb Jahre die Versorgung mit Sicherheitsupdates. Mit Hilfe der Community kommen Opensuse-Installationen auf insgesamt 3 Jahre Unterstützung, wenn man die Evergreen-Repositorien einbindet. Jedoch wird nicht jede Opensuse-Version unterstützt, die letzten 3 etwa wurden ausgelassen.
Debian
Debian kennt keine festen Veröffentlichungszeiträume. Etwa alle 2 Jahre gibt es eine neue stabile Version – und der Support endet nicht mit dem Erscheinen der nächsten Version, sondern die Distri wird, als „oldstable“ deklariert, mindestens ein Jahr lang weiterhin mit Sicherheitsaktualisierungen versorgt. Somit kann man Debian etwa 3 Jahre am Stück nutzen.
CentOS
CentOS ist die nichtkommerzielle Variante von Red Hat Enterprise Linux, der Business-Distribution von Red Hat. Während RHEL nicht käuflich erworben werden kann, sondern nur im Rahmen von Supportverträgen zu beziehen ist, steht CentOS allen Interessierten unentgeltlich zur Verfügung. War CentOS bislang ein inoffizieller Klon von Red Hats Enterprise-Linux, so gehört CentOS seit Anfang dieses Jahres offiziell zu Red Hat. Wie auch RHEL wird CentOS 10 Jahre lang unterstützt. Man erhält hier für Linux-Verhältnisse also tatsächlich Uralt-Software. Wer z.B. jetzt CentOS 6 installiert, ist damit auf dem Software-Stand von 2011, erhält aber ein sicheres System bis 2020.
Übersicht
Die aktuellen Lebenszyklen gängiger Distributionen auf einen Blick:
8 Monate | Linux Mint |
9 Monate | Ubuntu |
13 Monate | Fedora |
1,5 Jahre | Opensuse |
1,5 Jahre | Mageia |
3 Jahre | Opensuse (Evergreen) |
ca. 3 Jahre | Debian |
5 Jahre | Ubuntu LTS |
5 Jahre | Linux Mint LTS |
10 Jahre | CentOS |
Fazit
Wer einmal Linux installieren und sich dann möglichst wenig um das System kümmern möchte, der kommt an den Unternehmens- und LTS-Versionen nicht vorbei. Ubuntu und Linux Mint in der LTS-Variante sind eine gute Wahl, auch Opensuse bietet dank des Evergreen-Projekts inoffizielle LTS-Unterstützung. Debian und Red-Hat-Abkömmlinge wie CentOS oder Scientific Linux bieten von Haus aus eine längere Unterstützung, wobei gerade letztere meist länger halten als die Festplatte. Fedora, Mageia und die regulären Versionen von Ubuntu, Opensuse und Linux Mint sind wegen der aktuellen Softwareauswahl zwar attraktiv, eignen sich hingegen kaum für das Aufsetzen von verlässlichen Rundum-sorglos-Systemen, an denen man länger als ein paar Monate Freude hat.