Durch die 2D-Version der künftigen Ubuntu-Oberfläche landet nun erstmals auch QT auf den Installations-CDs des Standard-Ubuntus, welches bislang mit reinem Gnome werkelte. Doch „Unitiy“ könnte nicht das einzige Nicht-Gnome-Projekt bleiben, wenn es nach dem Willen des Ubuntu-Chefs Shuttleworth geht. Die Tage scheinen gezählt, wo man Ubuntu guten Gewissens eine „Gnome-Distribution“ nennen konnte. Doch führt das alles auch zu einer Annäherung von KDE und Gnome?
Dass Ubuntu schon von Anfang an äußerst innovativ agierte und spielend mit Gewohnheiten brach, ist kein Geheimnis. Dachten Einige schon, die linksbündigen Fensterknöpfe wären die Spitze des Erträglichen, schwenkte Canonical kurz darauf in Richtung eines ganz eigenen Desktops – weg von der Oberfläche Gnomes – um. Nun kommt auch noch die Ankündigung, sich künftig QT-Programme im Standard-Ubuntu-Portfolio vorstellen zu können, verbunden mit dem Aufruf an QT-Entwickler, Canonical zuzuarbeiten, um QT-Technologie in Ubuntu integrieren zu können. Integriert in die weiterhin als Basis dienende Gnome-Umgebung, wohlgemerkt. Vom ehemals gerne als Aprilscherz genutzten „Ubuntu steigt auf KDE um“, ist man somit in Zukunft möglicherweise tatsächlich nicht mehr weit entfernt.
In den Überlegungen Shuttleworths zeigt sich wieder einmal, dass sich Ubuntu immer weiter vom klassischen Konzept einer Linuxdistribution, der Auswahl und dem Zusammenstellen vorhandener Projekte, entfernt und ein „eigenes Ding“ dreht. Unity statt Gnome-Shell – und nun auch noch das „beste aus beiden Welten“. Dass andere Distributionen einmal die Unity-Oberfläche übernehmen werden, liegt zwar im Bereich des Möglichen, doch KDE wird kaum sein Plasma für Unity in den Wind schießen, genauso wenig wie Gnome das bald vielleicht primär mit QT entwickelte Unity als Shell-Ersatz übernehmen wird.
Gnome ist für Ubuntu Mittel zum Zweck, nicht die Antwort auf alle Fragen. Dass sich Canonical nicht gleich komplett auf KDE stützt, obwohl es technische Vorteile bietet, dürfte an der Ausgereiftheit und Verlässlichkeit der Gnome-Software auch für den Unternehmenseinsatz liegen. Denn bei aller technischer Avantgarde neigt das KDE-Projekt aktuell dazu, sich zu verzetteln. Wäre dies anders, und würde KDE universeller einsetzbar sein (z.B. auch mit der „falschen“ Graphikkarte) – es könnte spekuliert werden, ob Ubuntu sich nicht schon längst von Gnome als Hauptdesktop verabschiedet hätte.
Ubuntu könnte damit die erste Distribution werden, die KDE/QT- und Gnome/GTK-Programme wirklich vereint und vor allem in sich konsistent unter dem eigenen Desktop „Unity“ für den Anwender zur Verfügung stellt. Denn bisher legten sich Distributionen stets auf eine Oberfläche fest – oder gar nicht. Damit könnte Ubuntu noch ein Stückchen weiter an die Bedürfnisse der Nutzer rücken, die bislang von sich aus trotz unterschiedlicher Bedienphilosophien, optischer Unterschiede und gar völliger Gegensätzlichkeiten KDE-Programme unter Gnome nutzten oder umgekehrt. Ubuntu könnte dadurch quasi zur Über-Distribution werden, die die gesamte Linuxprogrammwelt unter einer Schnittstelle bündelt. Da Ubuntu inzwischen sowieso seine eigene Optik entwickelt, die nicht mehr viel mit Original-Gnome gemein hat, fiele das umso leichter.
Eine erfolgreiche Umsetzung wäre Canonical durchaus zuzutrauen, denn dass Canonical etwas von Design und Nutzerfreundlichkeit versteht, hat der Erfolg der vergangenen Jahre gezeigt. Zwar versuchten in der Vergangenheit sowohl SuSE Linux (via Gtk-Qt-Engine) als auch Red Hat (via identischer „Bluecurve“-Themes), dem Nutzer die bequeme Bedienbarkeit auch von Programmen des jeweils anderen Desktops zu ermöglichen, beließen es ansonsten aber bei der Fokussierung auf eine einzelne Desktop-Umgebung. Der Anwender nahm KDE- oder Gnome-Programme dadurch zwar im gleichen Gewand wahr, arbeitete jedoch weiterhin entweder unter KDE oder Gnome – und vor allem an der Bedienbarkeit blieben die Unterschiede weiterhin spürbar. Inzwischen findet man diese rein optischen Vereinheitlichungen nur noch bei Open Suse, bei Fedora werden keine Schritte zur verbesserten gemeinsamen Nutzung von unterschiedlichen Desktopumgebungsbestandteilen mehr unternommen.
Der nächste große Knall wäre wohl, wenn Canonical die Unterteilung in Ubuntu, Kubuntu, Xubuntu etc. aufgäbe. Vorstellbar wäre es, denn wozu noch desktopspezifische Distrubtionsvarianten anbieten, wenn die Haupteigenentwicklung doch alle Komponenten ohnehin vereinen könnte? Unter betrieblichen Gesichtspunkten wäre dies der nächste logische Schritt. Doch dies alles ist natürlich reine Phantasie. Schließlich würde Ubuntu auch nie den Gnome-Desktop ganz aufgeben … nicht wahr?