Es sickerte in den letzten Wochen bereits an einigen Stellen durch, doch nun erst ist es offiziell: das Gnome-Projekt löst sich selbst auf, die Weiterentwicklung des Gnome-Desktops wird mit sofortiger Wirkung beendet.
Auf der eigens eingerichteten Abschiedsseite (derzeit überlastet) kann man lesen: „Wir haben uns zu diesem Schritt entschlossen, da wir im Gnome-Projekt keine Zukunft mehr sehen. Mit dem neuartigen Konzept der Gnome-Shell haben wir die Nutzer diesmal wirklich unterfordert. Der Versuch, die Abtraktionsebene von Windows 3.1 nachzubilden, ist misslungen. Die Gnome-Shell hat mit ihrer veralteten, rückwärtsgewandten Desktop-Metapher keine Chance mehr.“
Die Aufgabe von Gnome stelle dabei einen folgerichtigen evolutionären Schritt dar: das Ende des Projekts sei der Höhepunkt der eigenen Designphilosophie, das Entwicklungsziel sei erreicht. Eine stärkere Vereinfachung als mit der Auflösung könne nicht mehr umgesetzt werden.
Doch auch persönliche Gründe scheinen eine große Rolle gespielt zu haben, die nun zu diesem doch drastischen Schritt führten. Gnome-Oberflächenentwickler Brent D. Shell etwa schrieb auf der Gnome-Mailingliste:
„Wir haben’s so satt. Seit Jahren geben wir uns die größte Mühe, dass Linus (Torvalds, Anm. d. Red.) etwas zum Nörgeln findet, und dann findet der uns auf einmal gut. Was wäre als nächstes gekommen? Gnome wird wieder Standarddesktop bei Ubuntu? Suse wird die beste Gnome-Distri? So weit wollten wir es nicht kommen lassen.“
Obwohl zahlreiche Alternativen zur Verfügung stehen, wird die Einstellung von Gnome starke Auswirkungen auf die Linux-Community haben. Der Autor des Taucher-Blogs „Bitblök“, das erst kürzlich in den Ubuntuusers-Planeten aufgenommen wurde, wird mit folgenden Worten zitiert: „Mit dem Ende von Gnome werden mir die Themen wegbrechen, ich werde künftig nur noch 23 statt 24 Beiträge täglich über den Ubuntu-Mond, oder wie das hier heißt, schicken können“.
Die Mehrheit der nun ehemaligen Gnome-Entwickler hat bekanntgegeben, dass sie nun bei KDE mitarbeiten will. Zwar hätte man auch bei anderen Projekten Unterschlupf finden können, doch man glaube, dass KDE die bessere Ausgangsbasis sei: Drehbare Notizzettel, ein extra lange sichtbarer Startbildschirm und ein überquellendes Startmenü sind Dinge, die man bei Gnome bislang vermisst habe. Die Befürchtung, dass KDE für die ehemalige Gnome-Klientel zu kompliziert sei, teile man nicht, im Gegenteil: „Wir glauben, dass es zur Vereinfachung der Computererfahrung beiträgt, wenn Nutzer ihren Desktop nicht mehr verstellen bzw. kaputtkonfigurieren, da man beim unübersichtlichen KDE Einstellungen generell nicht findet.“
Erste Einflüsse der ehemaligen Gnomeler lassen sich beim KDE-Projekt bereits beobachten: Neues Standarddesign bei KDE SC wird Clearlooks werden, und auch die Simplifizierung hält nun auch bei KDE Einzug. Als erstes großes Projekt hat man sich den KDE-Dateimanager Dolphin vorgenommen: Dolphin wird künftig nur einen Ordner gleichzeitig anzeigen können (im Gegenzug wurde die Auffindbarkeit vereinfacht und die Ordner lassen sich besser mit der Maus auswählen), das Dateimenü wird auf einen erweiterten Hilfe-Punkt reduziert.
Auch will man sich dafür einsetzen, dass die Schaltflächen-Reihenfolge in Dialogen umgekehrt und die Titelleisten-Buttons abgeschafft werden. Langfristig soll KDE auf GTK portiert werden. Zudem will man darauf hinwirken, dass der Name von KDE in GDE geändert wird.
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Ob sich Freiwillige finden, die das alte Gnome 3 unter neuer Flagge fortführen werden, ist noch nicht abzusehen, bislang hat sich niemand dazu bereiterklärt. Eine Gruppe Entwickler, die vages Interesse an einer Fortführung bekundet hatte, will nun lieber einen Fork von E17 beginnen, um eine alternative Veröffentlichung noch vor dem Release des Originals zu ermöglichen.