Die Einführung von verpflichtenden Signaturen für Firefox-Erweiterungen münzt die Verantwortung des einzelnen Nutzers in Mehrarbeit für Entwickler um – und lässt den Mozilla-Browser langfristig an Attraktivität verlieren. Ein Kommentar zur Aufgabe des bisherigen Alleinstellungsmerkmals.
Irgendwie war es klar, dass das so kommen musste, war die Funktion dafür doch schon seit Langem implementiert. Die Freiheit, beliebige Erweiterungen einfach in Firefox installieren zu können, wird eingeschränkt. Künftig werden nur noch signierte Add-ons oder direkt von der Mozilla-Seite geladene Erweiterungen in Firefox funktionieren. Das Fehlverhalten von Anbietern nutzerschädigender Erweiterungen müssen also nun auch die ehrlichen Erweiterungsanbieter ausbaden. Mozilla wälzt einen Teil der Arbeit des Anwenderschutzes auf die Erweiterungsanbieter ab.
Was zunächst wie eine Kleinigkeit wirkt, bedeutet in der Praxis eine weitere Verkomplizierung der Bedingungen für viele Erweiterungsautoren. Der Arbeitsaufwand steigt mitunter erheblich, der für die Zurverfügungstellung von Firefox-Erweiterungen betrieben werden muss. Erweiterungen können nicht mehr mit dem Endprodukt entwickelt und getestet werden, die Installation von Entwicklungsversionen wird notwendig, Review-Verfahren müssen initiiert und bestanden werden. Das ist unkritisch für Erweiterungen, die auch mit Nachfolgeversionen des Browsers problemlos laufen, aber fatal für Erweiterungen, die speziell für die jeweils aktuelle Firefoxversion gedacht sind.
Schon seit dem Wechsel auf den 6-wöchigen Veröffentlichungsrhythmus kommen manche Add-on-Autoren nicht mehr hinterher. Sie verlieren die Lust oder scheuen zunehmend den Aufwand. Das Erfordernis einer Signierung wird die Zeitspanne abermals strecken: bis Mozilla aktuell eine Erweiterung für die eigene Plattform autorisiert, vergehen durchaus auch schon mal Tage. Es ist zu befürchten, dass eine Signierung nicht bedeutend schneller ablaufen wird – gerade, weil diese zu Testzwecken häufiger erfolgen muss. Nach dem Erscheinen einer neuen Version wird Mozilla überrannt werden mit Autorisierungsanfragen. Das war bislang kein Problem, konnten die Erweiterungen parallel schnell auf den Seiten der Entwickler selbst veröffentlicht werden.
Spielt künftig keine Rolle mehr: der Nutzer muss sich keine Gedanken mehr machen, wem er vertraut
Was bislang nebenberuflich oder in der Freizeit erledigt werden konnte, erfordert demnächst bedeutend mehr Zeit. Die Kommerzialisierung wird daher zunehmen: nur die Erweiterungen, die auch Geld einbringen, werden sicher weiterbestehen – solche, bei denen die Entwickler die Zeit haben, sich ggf. jeden Monat mit der Neu-Signierung der Erweiterungen zu befassen – die vielen kleineren Helferlein, die Firefox ebenfalls attraktiv machen, könnten auf der Strecke bleiben. In Zukunft könnte es also weniger Erweiterungen oder weniger aktuelle Erweiterungen für Firefox geben – wenn die Autoren angesichts der Gängelung die Lust verlieren oder schlicht keine Zeit über haben für ausufernde Reviewprozesse. Für viele beliebte Erweiterungen könnte es schon in Kürze heißen: kann nicht mehr installiert werden. Oder sie werden stark verspätet zur Verfügung stehen. Das gilt vor allem für ältere Erweiterungen, die nicht mehr aktiv gepflegt werden. Diese können auch durch die Anwender selbst nicht mehr einfach so lauffähig gemacht werden.
Manche Autoren überlegen bereits, ob sie Erweiterungen nur noch für die ESR-Versionen von Firefox anbieten werden, um den Aufwand in Grenzen zu halten. Vielleicht werden einige daher künftig auch wieder verstärkt für Seamonkey entwickeln oder gar auf Alternativen wie Pale Moon aufmerksam werden. Der große Vorteil, den Firefox gegenüber anderen Browsern auch für Entwickler hatte, schmilzt nun dahin: künftig wird es bei Firefox nicht mehr bedeutend mehr Freiheit geben als auch bei anderen Browsermodellen. Immerhin: Firefox schafft die externen Erweiterungen – noch – nicht völlig ab. Es zwingt die Entwickler nun lediglich zur Registrierung bei Mozilla. Damit bekommt die Organisation letztlich mehr Kontrolle über das Produkt Firefox.
Das Ökosystem Firefox wird wieder ein Stückchen unattraktiver. Denn obwohl es scheinbar zunächst durch den Sicherheitsgewinn für Nutzer an Attraktivität gewinnt, verliert es letztendlich, wenn es dadurch weniger Erweiterungen für Firefox geben wird. Und noch einen Nebeneffekt wird es geben: Da die über die Mozilla-eigenen Seiten verteilten Add-ons automatisch signiert sein werden, wird das Selbst-Hosting von Erweiterungen zunehmend unattraktiv werden. Der Anreiz ist geschaffen, lieber gleich die Mozilla-Dienste zu nutzen. Die verpflichtende Einführung von Signaturen könnte daher nur ein erster Schritt sein und das externe Anbieten von Erweiterungen irgendwann gar nicht mehr möglich, wenn in Folge der nun geplanten Änderungen diese Möglichkeit in Zukunft kaum noch genutzt wird.
Mozilla verabschiedet sich somit ein gutes Stück vom Open-Source-Prinzip und von Firefox als offener Plattform: Wenn die Lauffähigkeit von Software davon abhängig gemacht wird, dass ein Dritter erst sein Okay dazu gibt, dann mag man formal noch von freier Software sprechen können. Faktisch jedoch hat es mit Freiheit nichts mehr zu tun. Vertrauen wird ersetzt durch Einschränkung.