Es geht gerade durch die Medien: Deutschland feierte 25 Jahre Mauerfall, und Firefox seinen 10. Geburtstag. In den letzten Jahren musste er zwar deutliche Marktanteile an den neuen Konkurrenten Chrome abgeben, doch gilt er immer noch als das meistbenutzte Produkt, um am Internet teilzuhaben. Doch weitgehend unbemerkt von den Feiernden ist der dritte Browserkrieg in vollem Gange.
In den letzten 10 Jahren hat Firefox eine Erfolgsstory sondergleichen hingelegt. Von der „Seamonkey“-Abspaltung zum führenden Browser weltweit. Auch auf unseren Seiten ist Firefox immer noch die Nummer 1. Knapp ein Drittel der Nutzer, genauer gesagt 31,4 Prozent, kamen im vergangenen Monat mit Firefox-Browsern bei uns vorbei:
Aktuelle Browserzahlen für knetfeder.de
… und zum Vergleich die Werte von 2011
Das ist für ein Produkt, das im Wesentlichen von Mundpropaganda und der Nutzerzufriedenheit lebt, keine Ressourcen in großangelegte Anzeigenkampagnen (wie Google und Microsoft sie etwa in Fernsehwerbung oder ganz klassisch auf Litfaßsäulen betreiben) steckt und außer bei Linux-Distributionen auch nicht als Vorauswahl auf dem System installiert ist, weiterhin ein beachtliches Ergebnis.
Abnehmender Erfolg
Trotzdem verliert Firefox weiterhin kontinuierlich Akzeptanz. Vor drei Jahren, als der Chrome-Hype gerade Früchte trug und der Google-Browser fleißig dabei war, dem Fuchs die Hölle heiß zu machen, sprich, konzentriert Marktanteile abzunehmen, stand Firefox noch ein wenig besser da als heute. Über die Hälfte Marktanteil wie noch vor 5 Jahren waren aber auch da bereits verloren, und es ist fraglich, ob Firefox die magischen 50% je wieder erreichen wird. Sogar unter Linux steht der Open-Source-Vorzeige-Browser schon lange nicht mehr unangefochten da.
Den Höhepunkt seines Erfolges hat Firefox längst überschritten, sein ursprüngliches Ziel, die Durchbrechung des faktischen Internet-Explorer-Monopols und die Öffnung des Webs hin zu modernen Technologien, längst erreicht. Die Notwendigkeit für Firefox scheint nicht mehr so dringend, auf den ersten Blick besteht die Browserlandschaft heute aus einem gesunden Ökosystem konkurrierender Browser, die auf moderner Technik aufbauen. Kaum mehr vorstellbar die Zeiten, als alle Welt nur den technisch im Dornröschenschlaf liegenden Internet Explorer nutzte – sogar auf dem Mac – und die unabhängige Webentwicklung damit auf Jahre nicht von der Stelle kam, weil für die Eigenheiten des Microsoft-Browsers Rücksicht genommen werden musste, statt moderne, plattformübergreifend funktionierende Seiten zu kreieren. Dass der IE heute wieder ein ernstzunehmendes Produkt ist, das ist Firefox zu verdanken, der Microsoft zum Reagieren zwang. Davon profitieren nicht nur Webentwickler, sondern alle Nutzer des Webs.
Browserkrieg neuladen
Doch der sogenannte Browserkrieg geht in die dritte Runde – nur dass die Parteien diesmal nicht Microsoft und Firefox-Vorläufer Netscape lauten, sondern Firefox und Google. Nachdem Microsoft einst den Pionier Netscape verdrängte und Firefox später Rache nahm, schickt sich bei zwei Streitenden nun der sich freuende Dritte an, die Weltherrschaft an sich zu reißen.
Schaut man nämlich nicht nur auf die Namen der Browser, sondern auch auf die Technik, auf denen sie basieren, dann ergibt sich schon ein ganz anderes Bild. Dann nämlich haben Google und Apple mit der Webkit/Blink-Basis die Nase vorn:
Browseranteile nach verwendeter Technik
Stellt man wie hier im Bild auf die Verteilung nach Browser-Engines ab, dann ist Microsoft keine Gefahr mehr, sondern Chrome. Gemeinsam mit den Apple-Browsern dominiert er heute das Web.
Während Netscape in Firefox und Seamonkey weiterlebt und auch Microsoft seine Technik weiterentwickelt, hat es im dritten Browserkrieg bereits ein Opfer gegeben: Opera. Die neuen Browser des norwegischen Konzerns basieren nicht mehr auf eigener Technik, sondern nutzen dieselbe Basis wie Google Chrome. Opera ist damit faktisch eine Variation von Chrome. Das scheinen jedoch auch die Nutzer zu merken und greifen lieber gleich zum Original von Google, betrachtet man den Anteil von Opera im obersten Bild. Vor 3 Jahren gab es noch deutlich mehr Opera-Nutzer, die die Alleinstellungsmerkmale von Opera 12 zu schätzen wussten.
Für Firefox bedeutet es, dass sich der Mozilla-Browser nun wieder in der David-Rolle befindet. Er kämpft gegen die Übermacht der Blink/Webkit-Browser an, nur ist es diesmal fraglich, ob sich der Riese Google ebenso besiegen lässt wie damals Microsoft – denn anders als vor zehn Jahren ist Chrome ein attraktives Produkt und auf der Höhe der Zeit – schlimmer noch: Firefox hat dem außer seinem guten Ruf nicht mehr viel entgegenzusetzen. Firefox ist kein technisch überlegenes Produkt mehr, das den Nutzern gravierende Vorteile bringt. Tabs, Erweiterungen und auch (paradoxerweise) moderne Standards sind ein alter Hut. Stattdessen imitiert Firefox nun sogar seine Konkurrenten, er wurde optisch ähnlicher zum Explorer und zu Chrome und beraubte sich damit zu einem guten Stück seiner Unverwechselbar- und Verlässlichkeit.
Unter Kontrolle
Technisch hat Firefox die Führungsrolle damit längst eingebüßt, Chrome diktiert die Marschrichtung. Doch das ist noch immer nicht alles. Firefox ist formal unabhängig – aber dennoch abhängig von den Zahlungen der Werbekunden – und das ist aktuell insbesondere Google. Firefox baut finanziell nach wie vor ausgerechnet auf Google auf, hängt faktisch am Finanz-Tropf des Netzgiganten. Zwar warben z.B. auch Amazon oder Microsoft in Firefox, doch der Hauptanteil dürfte auf Google entfallen – mit der voreingestellten Suche und dem prominent platzierten Suchlogo auf Seiten neugeöffneter Tabs.
Rechnet man Firefox, monetär betrachtet, daher einmal der Einflusssphäre Googles zu, schaut sich also nur an, wer die Technik letztendlich finanziert, dann sehen die Zahlen noch dramatischer aus.
Wer faktisch finanziell hinter der Browsertechnik steht
Anders ausgedrückt: die aktuell verwendete Browsertechnik wird grob gerechnet zu drei Vierteln von Google/Apple und zu einem Viertel von Microsoft bezahlt. Die Dominanz von Microsoft wurde von Firefox gebrochen – und die Dominanz von Google (mit)ermöglicht. Einen wirklich unabhängigen Browserhersteller gibt es nicht, wenn man die Geldmittel nicht außer Acht lässt. Und Microsoft ist ironischerweise damit heute derjenige, der dafür sorgt, dass nicht eine Firmenallianz alleine den Browsermarkt kontrolliert.
Mit der Einführung von offensiverer Werbung hat Firefox den ersten zaghaften Schritt getan für mehr Unabhängigkeit von Google und eine breitere Finanzierungsbasis. Es wird nicht der letzte gewesen sein, wenn man auch zum 20. Geburtstag noch unabhängige Browsertechnik wird anbieten wollen.
Das ist zu hoffen, denn es sind heute immerhin nicht mehr nur 2 Firmen, die den Ton im Web angeben (Netscape/Microsoft), sondern aktuell 4 Mitspieler, die die Browsertechnik vorantreiben. Und 3 davon entwickeln Open-Source-Software. Das ist das eigentliche Verdienst des Browsers mit dem Katzenbär im Logo. Und nicht nur dazu kann man durchaus gratulieren. Happy Birthday, Firefox!