Gnome Classic – die Gnome-Shell macht auf alt

2. Februar 2014

Vom Gnome-Projekt gibt es seit Kurzem auch wieder eine echte Alternative zur Gnome-Shell, die nicht nur ein Fallback für ältere Rechner darstellt. Der neue Modus ist nun z.B. in Fedora enthalten. Ein kleiner Blick auf das neue alte Gnome.

Nachdem auf Betreiben von Gnome-Sponsor Red Hat der Classic-Modus bei Gnome entwickelt wurde, um zwar auf moderne Gnome-Technik setzen zu können, gleichzeitig seiner Enterprise-Kundschaft aber eine traditionell zu bedienende Oberfläche zu offerieren, ist der bisherige Übergangsmodus, Gnome-Fallback, aufgegeben worden. Er lebt nun zwar unter der Bezeichnung „Flashback“ weiter, doch die Intention ist deutlich: Anwender, die mit der neuartigen Shell-Bedienung nicht zurechtkommen, sollen den Classic-Modus nutzen. Der neue Modus ist über den Anmeldebildschirm auswählbar (wenn nicht vorhanden, muss das Paket Gnome-classic nachinstalliert werden) und lässt sich parallel zur normalen Gnome-Shell ausprobieren.

Der bisherige Classic-Modus, die Fallback-Lösung, die es bislang bei Gnome gab, war die letzte Möglichkeit für Gnome-Anhänger, so etwas wie eine vertraute Gnome-2-Umgebung zu bekommen, ohne Gnome vollständig den Rücken zu kehren, etwa indem man auf Forks wie Mate setzte. Der Fallback-Modus war im Grunde das alte Gnome-2-Panel, portiert auf GTK3, das ein wenig wie die Gnome-Shell gestaltet wurde. Also gewissermaßen altes Gnome in den Farben und Formen der Shell.

Das ist nun auch passé, es wird offiziell der umgekehrte Weg gegangen: Einen Classic-Modus gibt es weiterhin, allerdings steckt dahinter nun die normale Gnome-Shell, die wiederum das Aussehen von Gnome 2 nachzuahmen versucht.

Das gelingt nur bedingt. Bereits an der Optik kommen erste Zweifel, ob man es hier mit einem vollwertigen Gnome-2-Nachfolger zu tun hat. Man sieht der Umgebung deutlich an, dass es die Gnome-Shell ist, die sich nur bemüht, traditionell daherzukommen. Auf den ersten Blick sieht es durchaus wie ein vertrautes, altes Gnome aus, eine untere und eine obere Leiste, Anwendungs- und Orte-Menü, Uhrzeit und Abmeldebutton oben rechts.

Doch bereits ein Klick auf die Hauptmenüs offenbart die Unterschiede: statt Standardmenüs erscheinen als Pop-up gestaltete Flächen, die die gewohnten Menüs nachzubilden scheinen.

Insbesondere das Anwendungsmenü erscheint stark aufgebohrt: Verzeichnisse und Einträge sind deutlich voneinander abgegrenzt, und am unteren Ende des Menüs prangt der Punkt „Aktivitäten-Übersicht“ – der direkt zum von der Gnome-Shell bekannten Übersichtsmodus führt. Mit dem Klick auf diesen Button landet man also vorübergehend 1:1 wieder in der dunkel gefärbten Gnome-Shell-Übersicht, es wirkt wie ein Türchen in eine andere Welt. Dabei reicht es auch, wenn man wie bei der Shell einfach mit der Maus in die obere linke Ecke fährt – das ruft den Shell-Übersichtsmodus ebenfalls auf.


Ein Klick auf Aktivitäten-Übersicht, …


… und schwupps ist man optisch wie funktional wieder in der neubekannten Gnome-Shell.

Und natürlich wird der Name und das Symbol der gerade aktuellen Anwendung im Shell-Stil oben links im Panel eingeblendet, obwohl es doch unten die Taskleiste gibt. Doch es gibt noch mehr Sonderbares. Den gewohnten Arbeitsflächenumschalter sucht man vergeblich, an seine Stelle ist ein rudimentärer Nachbau getreten: im unteren Panel rechts sitzt nun nur noch ein vereinzelter Button, erst beim Draufklicken öffnet sich ein Menü mit den verfügbaren Oberflächen – als reine Liste, ohne jede Vorschau oder Möglichkeit zum Verschieben.

Der blaue Kreis neben dem Arbeitsflächenumschalter unten ganz rechts zeigt nicht etwa den aktuellen Desktop an, sondern wie viele Anwendungen im „Traybereich“ liegen (die ansonsten nicht sichtbar werden, obwohl wie früher im Panel ausreichend Platz dafür wäre) – und öffnet beim Draufklicken den Infobereich. Automatisches Ausblenden oder Verstecken der Panels funktioniert nicht, und die Panels lassen sich genauso wenig konfigurieren wie in der normalen Gnome-Shell. Die alten Vorteile des Gnome-Panels, die vielfältigen Konfigurationsmöglichkeiten, kehren somit nicht zurück.

Der ganze Desktop sticht dafür mit Animationen wie bei der Gnome-Shell hervor. Fenster blenden sich sanft ein und aus, rollen sich ins Bild und wieder weg, die Nähe zur Shell und die Ferne zum klassischen Gnome ist unübersehbar. Es ist keine alte Gnome-Umgebung mehr, es ist durch und durch Gnome-Shell, die etwas traditioneller daherkommt, auf alt getrimmt, sich aber auch keine besondere Mühe macht, ihre Modernität zu verbergen bzw. den klassischen Workflow besser nachzubilden.


Interface-Bruch beim Einstecken eines USB-Mediums

Zusammenfassend lässt sich sagen: Gnome Classic ist Gnome-Shell mit standardmäßig aktivierten Symbolen auf dem Desktop und einer zusätzlichen Taskleiste. Es ist die Gnome-Shell, mit ein paar Erweiterungen. Das merkt man, wenn man „Gnome Classic“ auf einer Distribution nachinstalliert: es werden lediglich 3 zusätzliche Gnome-Shell-Erweiterungen nachgeladen. Es ist insgesamt weniger der halbherzige Versuch, das alte Gnome mit neuer Technik nachzubilden, als vielmehr der Versuch, die Nutzer doch noch irgendwie an die Gnome-Shell heranzuführen. Im Ergebnis führt es zum Zusammenmanschen zweier unterschiedlicher Bedienphilosophien mit einer Menge daraus resultierender logischer Inkonsistenzen.

Den bisherigen Fallback-Modus (ebenfalls unter Gnome Classic bekannt), gibt es unabhängig davon weiterhin: unter dem Namen Flashback wird er weiterentwickelt – und hat trotz moderner Optik immer noch mehr gemeinsam mit Gnome 2 als der neue Classic Mode.


Dieser Artikel ist Bestandteil der „Not my Desktop“-Reihe.
Bereits erschienen:

Wird GNOME wieder zum Zwerg?
Eine Woche Gnome 3: Der uniformierte Desktop
Strategien zur GNOME-3-Vermeidung
Gnome-Shell – es wird immer unübersichtlicher
Endlich: Gnome rudert zurück
Die Gnome-Shell macht auf alt
Die Tragik der Gnome-Shell
Der Gnome-Shell eine Chance


aus der Kategorie: / Tests / Gnome & KDE

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Kommentare

Was für ein Gefrickle!
Soll doch RedHat einfach Mate verwenden – aber bitte die Leichenfledderei lassen!

vinzv · 2. Februar 2014, 13:39

Gnome, die sind doch nur noch dafür bekannt, dass sie alles kaputtminimieren und ihr Ding knallhart durchziehen, egal was die Benutzer dazu sagen.
Sollen sie machen, was sie wollen. Für mich ist Gnome mit Version 3 gestorben, zum Glück gibts brauchbare Alternativen.

— Tim · 2. Februar 2014, 15:40

Gnome-Shell ist funktional kaputt. Das reißen die mit ein paar Shell-Extensions auch nicht mehr raus, diese “Interface-Nazis” (Vorsicht Ironie).

— Stefan · 2. Februar 2014, 15:42

Wenn etwas Leichenfledderei ist, dann Mate und die ganzen anderen Forks von toten Projekten, als ob z.B. Mate andere Ziele als Xfce hätte. Aber statt sich Xfce anzuschließen, wird lieber aufgegebene Gnome2-Technik geforkt. Folge: Beide Projekte stecken bei GTK2 fest. Den letzten Xfce-Release gab es Anfang 2012.

Ähnliches macht Cinnamon: Statt Gnome Classic zu verbessern, wird lieber am Fork einer uralten Gnome-Shell-Version geschraubt. Selbst die „große“ 2.0-Version von Cinnamon enthielt praktisch keine Neuerungen, die über das Umbenennen alter, geforkter Gnome-Dateien hinausgingen…

Sich an vorhandenen Projekten zu beteiligen, würde ja aber Zusammenarbeit erfordern und wenn wir von der Gnome-Community etwas gelernt haben, dann dass man dort lieber dickköpfig ist.

Razor-qt und LXDE haben sich zusammengeschlossen und arbeiten an einer gemeinsamen Zukunft auf Basis von Qt (GTK2 ist ja tot).

Die KDE-Community wächst stetig und arbeitet daran, dass Abhängigkeiten unter den Paketen aufgelöst und verringert werden. In vielen Fällen wird die nächste Generation von KDE-Software nur noch von Qt5 abhängen und keinen Rattenschwanz untereinander verwobener kdelibs mitziehen; auch wird die Arbeit des KLyDE-Projekts integriert – man wird sich also noch freier entscheiden können, welche Komponenten man nutzt (bzw. werden Distributoren sicher ein „KDE Lightweight“-Profil anbieten). Damit auch dem letzten „Bloat!“-Schreihals wird der Wind aus den Segeln genommen.

Man kann echt Dinge erreichen, wenn man zusammen arbeitet…

— SuperBB · 2. Februar 2014, 16:04

Ich sag jetzt mal nicht, dass man das schon mit GNOME3.0 mit den gleichen extensions, die dafür jetzt verwendet werden, einstellen konnte.

Ist ja erst drei Jahre her, dann könnte man das ja nicht mehr als Neuigkeit verkaufen.

— isch · 2. Februar 2014, 17:43

Ich sag jetzt mal nicht, dass man das schon mit GNOME3.0 mit den gleichen extensions, die dafür jetzt verwendet werden, einstellen konnte.

Konnte man in etwa. Neu ist jetzt vor allem, dass es als Session vorkonfiguriert angeboten wird, also parallel zur regulären Shell direkt gestartet werden kann, ohne diese erst verbasteln zu müssen. Und man hat die Sicherheit, dass der Classic-Mode auch bei Updates weiterhin funktioniert, da diese Option nun von Gnome selbst bereitgestellt wird, nicht mehr von Dritten, die evtl. ihre Erweiterungen irgendwann nicht mehr pflegen.
Persönlich hätte ich wie gesagt nach der damaligen Ankündigung allerdings auch vermutet, dass da ein bisschen mehr kommt als nur das Voreinstellen von ein paar Extensions.

Pinguinzubehör · 2. Februar 2014, 18:13

Ist nur komisch, dass der Classic Modus “auf Betreiben von Red Hat entwickelt wurde”, obwohl praktisch alle Extensions, die dafür verwendet werden, aus der Community kommen, nicht wahr?

— isch · 3. Februar 2014, 00:13

Ich bin nie mit KDE warm geworden… als Programmierer schreckte mich früher das Lizenschaos ab und als Nutzer kann ich bis heute so gar nichts mit der KDE Ästhetik anfangen. Dennoch scheinen die ja in letzter Zeit einiges richtig zu machen.

Den Artikel finde ich eher lahm und überzogen, das Kommentar von SuperBB hingegen klasse. Besonders die ersten zwei Absätze fassen das, was mir beim Lesen dieses Artikels durch den Kopf ging, gut zusammen.

Leute wollen idR. bei den Sachen bleiben, die sie gewohnt sind. Und das ist auch in Ordnung. Anstatt zu Versuchen mit veralteter Technik und jeweils eigenem Projekt aus den Nostalgikern Profit zu schlagen, wäre’s aber doch besser, auf Basis von GTK 3 was gemeinsames zu schaffen, was dann individuell angepasst werden kann.

Die Gnome Shell bietet mit ihren Themes und Erweiterungen ganz okay’e Start-Möglichkeiten dazu. Mit mehr Leuten die nicht “gegeneinander” arbeiten, ließe sich das sicher noch deutlich ausbauen.

— Brutus · 3. Februar 2014, 16:29

Auch wenn ich mich unbeliebt mache, ich finde Gnome 3 wunderbar, man kann viel besser, schneller und effizienter arbeiten wenn man sich mal umgewöhnt hat und die Richtung mit eigenen Systemapps und Integration die in aktuellen Versionen passieren gefällt mir sehr gut.

— Benjamin · 4. Februar 2014, 15:42

Kommt drauf an bei wem, die Gnome-3-Anwender und Programierer mögens gerne wenn man sie lobt das kommt so an es ist bei einigen Anwendern gut angekommen, die meisten Anwender wollen die nicht spielen nur als EDV nutzen wollen ziehen das alte Classic-Gnome

— Ralf-Dieter · 9. Februar 2014, 19:49

Anderen Usern die nur Windows kennen und nur XP-Nutzen ist es völlig Schnuppe was für ein Desktop-Shell wir nutzen da macht man sich nicht unbeliebt weil man Gnome-Classic nuzt sie kennen vieleicht Linux nur vom Hören oder es ist einigen Win-User egal!

— Ralf-Dieter · 9. Februar 2014, 19:56

Nicht nur Gnome vergewaltigen die Programierer auch das ganze Debian-Projekt kriegt ein schlechten Ruf, auch bei den Dateimanager Nautilus haben sie die Suchfunktion eingeschränkt die Soundeinstellungen war vor 2010 bei Gnome auch besser gedrossel wird..

— Ralle · 9. Februar 2014, 20:36

Also in Ihren Beitrag Gnome wird wieder auf alt getrimmt das ist nur Fassade wie man bei Ihren Beitrag lesen kann und jenes jetzige Classic-Gnome ist genauso gut mit den alten Gnome zu vergleichen wie Apfel und Birne!

— Ralle · 19. Februar 2014, 19:33

… Und Pontimpkische Dörfer kennen wir aus der Zarenzeit noch heute kann man mehr manupolieren rein softwaretechnisch und wer kennt keine Scheinzypresse oder den Begriff Echt Leder, Pepsi und Coca Cola was ist original was finde ich gut??? Und,und,und…

— Ralle · 11. März 2014, 21:49

Der Artikel ist sofern interessant das ein Thema aufgegriffen wird wo man nicht so schnell drauf kommt ist gibt verschiedene Meinungen so vielschichtig wie die Linux-Family selbst es gibt kein System seit Linus Thorwald das soviel Desktopvielfalt hat wie?

— Ralle · 11. März 2014, 21:57

Und jene Vielfalt in Linux ist für jemand so verwirrend als wenn er den Wald vor lauter Bäume nicht sieht denn dann müßte er Förster sein aber was mich stört das ist Unityeinführung ungefragt in Ubu aufzubügeln die Vielfalt stört mich nicht!

— Ralle · 11. März 2014, 22:05

Kann mir von den mitlesenden Gnome3-Kennern jemand erklären wie ich im Classic-Mode die Schriftfarbe der Desktop-Icons ändern kann? Und die Tooltip-Farbe auch. Ich finde dazu nichts.

Probiert habe ich bisher das ‘Gnome-Tweak-Tool’, da kann man nur fertige Themes wechseln, geht also nicht und der ‘Gnome-Color-Chooser’ funktioniert auch nicht.

Ich habe ein dunkelgraues Hintergrundbild, die Iconbeschriftung ist auch dunkelgrau. Die Tooltips glänzen dagegen mit hellgelbem Untergrund und weisser Schrift.

So. Bitte, liebe Gnome3-Leute. In Windows (einschl. w7) kostet mich das 3-4 Mauseklicks und das Problem ist weg. Gelöst. Einfach nicht mehr existent!
Hier bei Gnome sitze ich nun schon netto ca. 2 Stunden und recherchiere. Für son bisschen Kack!

Aber Windows und Apple sind iih, die will ich nich. Ich fall vom Glauben ab, echt ma jetz ey…

LG an alle Linux-Fans und besonders an die Knetfeder.

— gonzo-la · 18. März 2014, 16:32

GNOME Classic braucht keiner. Dafür gibt es doch jetzt MATE, und wer an der klassischen Oberfläche entwickeln will, sollte seine Energien besser diesem Projekt zur Verfügung stellen.

— Bachsau · 15. April 2014, 14:14

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