Der Browser ist mit das wichtigste Programm auf dem Computer. Das bedeutet, dass wenn sich der Browser wandelt, sich für den Nutzer quasi auch sein halber Computer verändert. Wer die Technik von Firefox mag, aber nicht alle 6 Wochen von Neuerungen überrascht werden will, der hat zahlreiche Alternativen. Ein Abschluss unseres kleinen Firefox-Schwerpunktes.
Australis ist kein Grund, auf Firefox zu verzichten, wenn man bisher mit dem Browser zufrieden war – außer, es sprechen handfestere Gründe gegen den Fuchs. Doch wenn Australis nur der letzte Tropfen im fast überlaufenden Fass war, dann lohnt anlässlich der Veröffentlichung von Firefox 29 ein Blick auf Alternativen. Denn Firefox verändert sich kontinuierlich – mal drastisch wie jüngst mit dem geänderten Australis-Design, mal schleichender mit kleinen, aber ebenso verwirrenden oder nervigen Änderungen.
Diese schnelle Veröffentlichungspolitik soll vor allem den Privatanwendern nützen, die damit schneller in den Genuß von neuen Funktionen kommen. Doch auch für Privatanwender ist es oft einfach nur unpraktisch, wenn wie aus dem Nichts ohne Vorwarnung Funktionen enfallen, weil sich Aktualisierungen automatisch im Hintergrund herunterladen und installieren. Die automatischen Updates abzuschalten, um sicher vor unangenehmen Überraschungen zu sein, wäre eine dumme Idee, denn dadurch entfielen auch die Sicherheitsaktualisierungen. Stattdessen bleibt nur, Alternativen zu Firefox zu nutzen.
Alternativen gibt es wie Sand am Meer, doch die meisten basieren technisch auf Webkit bzw. Blink, wie etwa Google Chrome, Midori, Qupzilla oder Opera. Arora hingegen ist schon wieder Geschichte, und Otter, der geplante Opera-12-Nachbau, steckt noch dermaßen in den Kinderschuhen, dass ihn ein Laie noch nicht einmal installieren kann. Außerdem legen gerade Opera und Chrome ein ebenso schnelles Entwicklungstempo vor wie Firefox, sodass man hier vom Regen in die Traufe käme.
Doch man muss Firefox gar nicht gleich komplett den Rücken kehren. Die Technik, die Firefox antreibt und für die eigentliche Darstellung der Webseiten sorgt, steckt auch in anderen Browsern. Genauer gesagt in Firefox-Derivaten, also im Grunde waschechten Firefox-Varianten, die lediglich ein anderes Aussehen oder eine andere Grundkonfiguration anbieten. Zwar hat die Zahl der mit Mozilla-Technik laufenden Browser in den letzten Jahren abgenommen, doch einige alte Bekannte gibt es weiterhin, und es kamen sogar neue hinzu:
Firefox ESR
Mozilla selbst bietet neben dem eigentlichen Firefox eine Version namens ESR an, die Langzeitunterstützung erhält. Ein ESR-Firefox ist bei seinem Erscheinen identisch mit der regulären Firefox-Version, wird danach jedoch nicht mehr alle sechs Wochen geändert, sondern behält sein Aussehen und seine Funktionen konstant für etwa ein Jahr. Nur Sicherheitsaktualisierungen werden eingespielt, die die Funktionalität jedoch nicht verändern. Das entspricht den Veröffentlichungszyklen, die Firefox früher, bis zur Version 3.6, einmal hatte.
Firefox ESR unterscheidet sich nicht von normalen Firefox-Versionen
Firefox ESR ist die ideale Alternative für diejenigen, die Firefox mögen, aber eben nicht alle paar Wochen die Bedienknöpfe an neuen Stellen vorfinden oder sich auf die Suche nach verschobenen oder entfernten Einstellungen machen möchten. Doch Australis kann man mit Firefox ESR nicht umgehen, die Neuerungen von Firefox landen zwangsläufig auch in Firefox ESR – nur eben später.
Seamonkey
Wer den Browser wirklich dauerhaft im klassischen Gewand möchte, sollte einen Blick auf Seamonkey werfen, denn Seamonkey ist konzeptionell die Fortführung der Firefox-Vorläufer. Bevor es Firefox gab, hieß der Mozilla-Browser schlicht Mozilla – und sah so aus wie der jetzige Seamonkey. Doch während früher Firefox aus Mozilla/Seamonkey entstand, ist es heute umgekehrt: Seamonkey ist technisch gesehen ein Firefox mit alternativer Oberfläche. Im Gegensatz zu Firefox wird diese jedoch äußerst konservativ gepflegt und praktisch kaum weiterentwickelt. Seamonkey sieht daher immer noch so aus wie seine Kollegen zu Beginn des Jahrtausends. Der Clou: unter der Haube bekommt man die neusten Funktionen, doch das Erscheinungsbild bleibt klassisch. Und ein Mailprogramm (im Grunde ein integrierter Thunderbird) sowie ein Webseiten-Editor sind auch noch mit dabei. Seamonkey erscheint dabei im gleichen Rhythmus wie Firefox.
Seamonkey kommt sogar mit 2 verschiedenen Oberflächen zur Auswahl: der Standardoberfläche, die sich wie Firefox ans jeweilige System anpasst – und einer in Grau-Blau namens “Modern”, die damals für Mozilla/Netscape geschaffen wurde und angesichts ihres Alters eigentlich längst Classic heißen müsste.
Nur einen Schnitzer hat man sich bei Seamonkey bislang geleistet: ausgerechnet das klassische Icon-Set, also die steinalte Netscape-Symbolik, hat man vor einiger Zeit gegen etwas Eigenes ausgetauscht. Ansonsten findet der Nutzer hier alle Elemente eines klassischen Browsers: die Statusleiste gehört wie eh und je zum Standardumfang, es gibt weiterhin ein separates Downloadmanager-Fenster und ein klassisches Menü am oberen Fensterrand.
Seamonkey hat, das darf nicht verschwiegen werden, im Vergleich zu Firefox jedoch zwei Nachteile. Der eine große Nachteil ist die Unübersichtlichkeit, der Grund, weshalb ursprünglich auch mit der Entwicklung von Firefox begonnen wurde: für Otto Normalsurfer ist das Programm sehr speziell, und die vielen Einstellungsmöglichkeiten machen das Programm schwierig zu überblicken. Auch mit Seamonkey lässt sich einfach lossurfen, doch wer Einstellungen vornehmen will, muss sich eine Zeitlang einarbeiten. Dieser Nachteil wird allerdings von manchen durchaus auch als Vorteil gewertet.
Die Einstellungen sind deutlich umfangreicher
Nachteil Nr. 2 ist die im Vergleich zu Firefox bescheidene Auswahl an Erweiterungen. Fast alle Erweiterungen werden heute für Firefox entwickelt, und obwohl die meisten Erweiterungen prinzipiell auch unter Seamonkey lauffähig sind, werden sie oft nur für Firefox angeboten.
Pale Moon
Mit Pale Moon steht ein weiterer Browser auf Firefox-Basis zur Verfügung. Ursprünglich ein inoffiziell für Windows optimierter Firefox, wird er von dritter Seite inzwischen auch für Linux bereitgestellt. Pale Moon bekennt sich zum klassischen Browser-Outfit, Australis-Optik wird es bei Pale Moon nicht geben.
Pale Moon füllte die Lücke, die KMeleon (siehe unten) hinterlassen hatte: ein besserer Gecko-Browser für Windows zu sein. Pale Moon bleibt aber beim von Firefox bekannten Toolkit und bringt keine nativere Oberfläche mit, sodass fast alle Firefox-Erweiterungen auch mit Pale Moon funktionieren.
Pale Moon macht letztendlich da weiter, wo Firefox seit Australis aufgehört hat. Mit einem übersichtlichen Menü, getrennten Bedienknöpfen auf der Hauptleiste und ohne Verfrachtung aller Optionen in ein smartphoneähnliches Menü. Pale Moon hat unter anderem auch die von Mozilla geschasste Statusleiste als Standard wiedereingeführt. Daneben gibt es weitere Detailanpassungen, zum Beispiel ist Google nicht Standardsuchmaschine bei Pale Moon.
Ein Nachteil bei Pale Moon besteht in der umständlichen Lokalisierung: wer den Browser auf deutsch nutzen möchte, muss ein entsprechendes Sprachpaket zusätzlich installieren, das anschließend auch noch manuell in den erweiterten Browsereinstellungen aktiviert werden muss.
Iceweasel
Linuxnutzer, insbesondere die Debianer, haben noch eine weitere Alternative zur Verfügung: Iceweasel. Debian schuf damit lange vor der Existenz des mozillaeigenen ESR eine Langzeitvariante von Firefox. Mit Iceweasel bekommt man quasi einen Firefox-Browser, für den Debian den Support selbst übernimmt, sodass der Anwender im Ergebnis hier einen Firefox erhält, der ebenfalls nur Sicherheitsaktualisierungen bekommt, aber keine neuen überraschenden Funktionen. Theoretisch sogar deutlich länger als Firefox ESR, doch mittlerweile ist Debian dazu übergegangen, Iceweasel entsprechend den Firefox-ESR-Versionen zu aktualisieren.
Mit Iceweasel hat man somit ebenfalls einen Browser, wie es Firefox früher einmal war: nur alle paar Monate eine wirklich neue Version, und zwischendurch nur die allernotwendigsten Sicherheitsaktualisierungen. Doch auch Iceweasel wird demnächst im Australis-Gewand erscheinen, wenn die Zeit reif ist.
K-Meleon
K-Meleon existiert schon viele Jahre und wurde mit dem Ziel geschaffen, einen sich unter Windows gut integrierenden Webbrowser mit Mozilla-Unterbau anzubieten. K-Meleon richtete sich mit ebenfalls umfangreichen Konfigurationsmöglichkeiten eher an den fortgeschrittenen Nutzer. Lange hörte man nichts mehr von diesem Projekt, seit vier Jahren schien es im Dornröschenschlaf zu liegen. Doch nun kehrt offenbar wieder etwas Leben ins Projekt zurück, seit 2014 existieren neue Betaversionen. Für den regulären Einsatz ist K-Meleon damit momentan jedoch noch nicht geeignet. Als einziger der hier vorgestellten Programme hat er eine von der Mozilla-Technik abweichende, eigene Programmoberfläche, sodass Firefox-Erweiterungen nicht kompatibel sind. Anders als man bei der Namensschreibung vermuten könnte, hat K-Meleon auch nichts mit KDE zu tun, es gibt ihn weder in einer Linux- noch in einer Macversion.
Fazit
Firefox ESR dürfte die bessere Alternative für viele Anwender sein, die von den schnellen Änderungen bei Firefox genervt sind. Debians Iceweasel bietet dabei noch deutlich längere Unterstützung als die ESR-Variante von Mozilla selbst. Doch Änderungen kommen auch hier, sie kommen nur langsamer bzw. deutlich langsamer.
Wer dauerhaft mit einer klassischen Ansicht arbeiten möchte und keine Neuerungen im Browser wünscht, ist bei Seamonkey oder Pale Moon gut aufgehoben. Pale Moon hat das modernere Erscheinungsbild und ist optisch verwandter mit Firefox, während Seamonkey seinen eigenen, ganz traditionellen Stil pflegt.
Dieser Artikel ist Bestandteil des Firefox-Schwerpunkts:
• Firefox down under: Australis ist da
• Pro Australis: Gewöhnt euch dran!
• Contra Australis: Firefox ist kaputt
• Browser für Konservative – Firefox-Alternativen